Magisches Kompendium - Runen und Runenmagie. Frater LYSIR
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Wie man an dieser Runenreihe sehen kann, müsste man, wenn man es sehr streng nennt, diese Reihe nicht Futhark, sondern Futhork nennen, da die Rune für den Ausdruck „A“ durch eine Rune ersetzt wurde, die den Ausdruck „O“ erhielt. Da auch dieses Futhork in Friesland verwendet wurde, wird es eben als „Anglo-Friesisches Futhork / Futhark bezeichnet.
Doch wie schon zuvor, stand die Entwicklung, die Ausbreitung der Völker, die Kommunikation und die Lebendigkeit der Runen nicht still, sodass ein weiteres Futhark entstand, ein Futhark, welches nur noch aus 16 Zeichen bestand, und als jüngeres Futhark betitelt ist. Letztlich ist das jüngere Futhark auch wieder als eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Runenreihe, also des älteren Futharks, zu sehen, wobei hier bewusst die Zeichenzahl auf 16 reduziert wurde. Hierdurch bekam eine Rune die Aufgabe verschiedene Laute wiederzugeben, sodass hier Kombinationen verwendet wurden. Dies ist nicht immer einfach bzw. praktisch umzusetzen, sodass im zehnten Jahrhundert eine Punktierung vollzogen wurde – dies erinnert ein wenig an die hebräische Sprache bzw. an das hebräische Alphabet – wodurch die Betonung hervorgehoben wurde. Da das jüngere Futhark sehr stark über die sogenannte Wikingerzeit verwendet und verbreitet wurde, sind sehr viele der gefundenen Runeninschriften im Stil des jüngeren Futharks niedergeschrieben.
Doch bei allen Runenreihen muss man immer bedenken, dass die einzelnen Stämme, Sippen, Gemeinschaften und letztlich auch Völker eine besondere Individualität an den Tag legten. So kann man davon ausgehen, dass es viele, sehr individuelle Runenreihen gab, die jeweils auf die aktuelle Situation der Bevölkerung angepasst wurde. Dass hier natürlich nicht jedes Jahr ein neuer Futhark entstand, dürfte klar und logisch sein. Doch man darf auch nicht die Flexibilität und die Intelligenz der damaligen Bevölkerung verachten, sodass hier auch andere Runenreihen in die Existenz gerufen wurden.
Wenn man sich die verschiedenen Kulturen der Menschen anschaut, egal ob es nun die Kulturen des Nordens, des Ostens, des Südens oder des Westens sind, findet man sehr oft den Grundgedanken, dass die Schrift von den göttlichen Wesen der jeweiligen Kultur ersonnen wurde. Zwar sind es nicht immer rein göttliche Wesen, doch sind es zumindest Schwingungen aus dem feinstofflichen Bereich, die nicht aus der Materie kommen. In diesem Kontext könnte man ohne Weiteres sagen, dass es wahrlich Götter sind, doch sind hier und da Religionen vorhanden, die jedoch feine Unterschiede treffen. Die Sumerer sind hier primär zu nennen. Und die Runen? Nun, die Runen stammen von den Göttern. So zumindest die Legende, die Geschichte, die Sage. Speziell geht es hier natürlich um die Edda! Die Edda – ja, dieses uralte, mystische und magische Buch der Bücher, welches von den uralten Runenmeistern handschriftlich geschaffen wurde, oder? Nein, nicht ganz! Dann doch aber sicherlich ein wahrlich kultureller Schatz der nordischen Religion, des nordischen Pantheons, verfasst von den Meistern, die den Weltenbaum Yggdrasil auf allen Ebenen bereist haben, oder? Nein, auch nicht wirklich. Die Edda ist ein relativ junges Werk, welches im 13. Jahrhundert im Rahmen der Christianisierung Islands verfasst wurde. Man kann ganz klar sagen, dass es sich um eine Aufzeichnung handelt, die von Christen geschaffen wurde. Auf der einen Seite ist dies gut, auf der anderen Seite bringt dies aber einen Beigeschmack, bei dem irgendwie die Wörter „Germanen“ und „Kelten“ mitschwingen. Germanen? Kelten? Nun, es gab niemals die Germanen, es gab auch niemals die Kelten, denn es waren alles Volksstämme. Die Römer, die Eroberer, haben die jeweiligen Volksstämme unter Sammelbegriffen zusammengestellt. Natürlich haben die Römer sehr viel aufgeschrieben, und aus einem kulturellen Blickwinkel ist dies auch sehr wertvoll, doch werden die Römer, genauso wie die Christen, ihren eigenen Blickwinkel besessen haben, der definitiv nicht wertneutral war. Daher muss man sagen, dass sehr viele Aufzeichnungen kulturell und geschichtlich gefärbt sind. Sie sind gefärbt von Eroberern, von Reformierern, die ihren eigenen Glauben verbreiten wollten, da sie von diesem felsenfest überzeugt waren. So ist die Edda also kein perfektes Werk, welches das nordische Pantheon, die nordische Kultur wiedergibt. Dennoch ist es ein Werk, auf welches sich die heutige Wissenschaft stützt, genauso wie viele magische Gemeinschaften. Hier einmal ein kleines Dilemma.
Will man nun der Edda glauben oder will man selbst auf Forschungsreise gehen, um vielleicht doch in den Tiefen des Geistes, in den Weiten des Äthers, in den Breiten der Akashachronik zu forschen und zu lesen? Eine Frage, die jeder sich selbst beantworten muss. Wie gesagt, das Lesen im Weltengedächtnis, im Weltengeist, im Weltenäther ist stets individuell. In diesem Kontext könnte man auch einfach sagen, reise über den Weltenbaum Yggdrasil, besuche Odin und frage ihn von Angesicht zu Angesicht. Unterhalte dich mit Thor, unterhalte dich mit Freya, besuche die Wanen und schau, wie diese lebten, leben und leben werden, da in den energetischen Breiten alles raum- und zeitlos ist. Oder will man vielleicht doch auf einen kulturellen und materiellen Schatz zurückgreifen, der jedoch eine christliche Färbung besitzt? Die Edda ist wichtig, denn auch wenn sie im 13. Jahrhundert in Island „in der“ Christianisierung verfasst wurde, spiegelt sie dennoch die Götter- und Heldensagen Skandinaviens wider. Wie christlich war denn wahrscheinlich Island zu dieser Zeit? War es von gigantisch vielen christlichen Fundamentalisten überrannt, die überall Kirchenbauten, ja ganze Kathedralen, um dem einen Gott zu huldigen? Nein, nicht ganz!
Heutzutage geht man davon aus, dass Island von den Norwegern – den Menschen die im heutigen Norwegen lebten, also den Skandinaviern, um das Jahr 870 dauerhaft besiedelt wurde. In der Tradition wird der Wikinger Ingólfur Arnarson als der erste Siedler betitelt, der ganz klar ein überzeugter Anhänger der nordischen Religion war, und somit all einen Polytheismus glaubte. Doch von 870 bis zum 13. Jahrhundert fehlen noch ein paar Jahre. Während der Zeit der ersten Besiedlung, sollen sich schon irische Mönche auf Island aufgehalten haben, die jedoch schnell wieder vertrieben wurden. Gleichzeitig sollen aber unter den norwegischen Siedlern auch Personen gewesen sein, die sich bereits mit beiden Religionen, mit dem nordischen Götterpantheon und mit dem Christentum, arrangiert hatten, und hier ein gesundes Miteinander praktizierten. Dies war im christlichen Kontext schon fast Revolutionär. Doch man könnte auch sagen, je rauer die Lebensumstände sind, desto pragmatischer muss die Religion sein. Doch neben den Christen und den Nordmännern gab es auch Menschen, die mit der Religion überhaupt nichts mehr zu tun haben wollten. Sie wurden „Götterlos“ genannt bzw. „Goðlauss“ und lebten ihr Leben weitestgehend ohne religiöse Dogmen. Mit der Zeit, und mit der Gründung eines isländischen Freistaates, diese Gründung wurde etwa um das Jahr 930 vollzogen, nahm die Einflussnahme des Christentums Stück für Stück ab. Die nordische Religion, der Polytheismus in Bezug auf das nordische Pantheon fasste wieder vermehrt Fuß. Aus christlichen Kontext heißt es hier natürlich, dass die Heiden Island zurückerobert haben. Nun ja, Heide bedeutet nichts anderes als naturreligiöser Mensch.
Es wurde in den nächsten Jahren immer wieder versucht, dass Island missioniert werden sollte, doch dies scheiterte immer wieder, was unter anderem daran lag, dass einer der Missionare, mit Namen Þorvaldur Koðránsson, zusammen mit seiner Führungspersönlichkeit, der sächsische Bischof Friedrich, Island wieder verlassen musste, nachdem ein paar Morde auf sein Konto gegangen sind. Nicht wirklich ein perfektes, christliches Aushängeschild. In der Zeit der Jahrtausendwende, kamen weitere Missionare nach Island, wobei diese deutlich darauf drängten, dass das Christentum nun endlich angenommen werden sollte. Es ging sogar so weit, dass der christliche, der getaufte norwegische König damit