Die Schuld des Anderen. Edgar Wallace

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Die Schuld des Anderen - Edgar Wallace

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zu sehen. So schnell sie konnte, lief sie nach Hause.

      Als sie in die Küche trat, saß ihr Onkel wie gewöhnlich am Tisch, sie bemerkte aber sofort, daß ihn irgend etwas beunruhigte. Er begrüßte sie so geistesabwesend, daß sie immer besorgter wurde; trotzdem schien es ihr ratsam, vorerst nichts von dem zu sagen, was sie gesehen und gehört hatte. Sie bereitete das Abendessen, und erst als sie den Tisch deckte, sah er auf.

      »Verity, ich werde es doch tun, was auch immer geschehen mag!«

      Sie wartete, daß er ihr jetzt alles erzählen würde, doch er sagte noch einige wenige Sätze halb zu sich selbst: »Sie glauben, daß sie mich in ihrer Gewalt haben. Aber ich werde es ihnen schon zeigen – sie sollen noch ihr blaues Wunder erleben!«

      Als sie sich nach dem Essen erhob und abräumen wollte, drehte er sich nach ihr um.

      »Vergiß den Mann nicht, von dem wir gesprochen haben«, sagte er mit eigenartiger Betonung.

      »Mr. Comstock Bell?«

      »Ja, Comstock Bell.«

      5

      Cornelius Helder war ein widerspruchsvoller Charakter, und Gold liebte solche Leute nicht. »Ein Mann muß einen festen Standpunkt haben«, sagte er, »sonst kann man ihn nicht für voll nehmen.«

      Nach Golds Meinung war es unvereinbar, daß Helder auf der einen Seite gern Witze machte, gut lebte und eine ausgesprochene Vorliebe für Luxus hatte, andererseits aber den revolutionären Helden spielte und zum Widerstand gegen die Kapitalisten aufrief.

      »Vielleicht ist es auch nur Effekthascherei, Exzellenz«, sagte Gold. »Irgendeine Pose – die meisten Menschen geben sich anders, als sie sind.«

      Gold unterhielt sich mit dem amerikanischen Konsul in dessen Arbeitszimmer.

      »Ich möchte eigentlich Mr. Helder solche Dummheiten nicht Zutrauen. Er ist doch wirklich nicht mehr der jüngste.«

      Gold lächelte. Er hatte eine kleine achtseitige Zeitschrift in der Hand. Sie war zweispaltig gedruckt, und die eine Hälfte zeigte ausländische Worte. Die Zeitschrift trug den Titel: »Die Tarnung.« Als Herausgeber zeichnete Mr. Helder.

      »Ich muß Ihnen gestehen«, sagte der Konsul, »daß mir diese Art von Landsleuten hier allmählich lästig wird. Ich hätte nie gedacht, daß ein Mann wie Helder, der doch immerhin der höheren Gesellschaftsschicht angehört, solche umstürzlerischen Ansichten hegt.«

      »In dieser Nummer sind ja keine besonderen Angriffe enthalten«, entgegnete Gold. »Ich habe die Zeitschrift bisher aufmerksam verfolgt, auch in den anderen Nummern konnte ich nichts dergleichen entdecken.«

      Gold überflog flüchtig den Leitartikel.

      »Es ist doch reiner Unsinn«, sagte der Konsul ärgerlich: Diese Zeitschrift soll heimlich unter den Kommunisten verteilt werden. Ebensogut könnte Helder doch sein Geld dafür ausgeben, zweisprachige Ausgaben von Gedichten zu vertreiben!«

      Gold wartete auf eine Erklärung, warum ihn der Konsul so dringend zu sich gerufen hatte. Man sprach noch eine Zeitlang über allgemeine Dinge. Als Gold merkte, daß er keine näheren Aufschlüsse erhielt, entschloß er sich zu einer direkten Frage.

      »Was gefällt Ihnen denn an dieser Nummer der ›Warnung‹ nicht, Exzellenz?«

      Der Konsul rieb sich die Hände und lehnte sich in seinen Sessel zurück.

      »Sie kennen Helder doch sehr gut«, sagte er. »Vor einigen Tagen erklärte er mir im Terriers-Klub, daß Sie der einzige Amerikaner in London seien, vor dem er Hochachtung und sogar einen gewissen Respekt habe.«

      Gold lächelte.

      »Ich traue ihm nicht, und wenn er mich lobt, traue ich ihm am allerwenigsten.«

      »Mag sein«, entgegnete der Konsul, »aber zuerst einmal müssen Sie beweisen, daß Ihre Ansicht über ihn richtig ist. Fordern Sie ihn vor allen Dingen auf, daß er mit der Herausgabe dieser blödsinnigen Zeitschrift aufhört. Die englische Regierung sieht so etwas durchaus nicht gern! Ich möchte nur wissen, warum er soviel Zeit und Geld in diese Angelegenheit steckt. Man könnte geradezu meinen, daß er einen Staatsstreich vorbereitet! Und dann dieser Unsinn, das ganze Personal seines Schmierblättchens, aus Ausländern zusammenzusetzen. Das Auswärtige Amt in London ist sehr ungehalten über die Geschichte, und ich glaube, daß es nicht mehr lange dauert, bis man dagegen einschreitet. Dann wandert Heider ins Gefängnis, und das wäre doch außerordentlich fatal.«

      »Ich werde mein möglichstes tun«, sagte Gold.

      Er nahm ein Taxi und ließ sich zum Terriers-Klub fahren. Helder war noch nicht dort, aber in einer Nische sah er Comstock Bell vor seinem Mittagessen sitzen. Gold ging zu ihm und ließ sich ihm gegenüber gemütlich nieder.

      Bell sah schlecht aus; seine rechte Hand war bandagiert.

      »Hallo, was ist Ihnen denn passiert?«

      »Nicht so schlimm. Ich habe mir die Hand in einer Tür geklemmt – wahrscheinlich ist ein Finger angeknackst.«

      »Das tut mir aber leid.«

      »Wirklich nicht der Rede wert. Unangenehm ist nur, daß ich jetzt mit der linken Hand essen und – vor allem – mir eine Sekretärin engagieren muß, die mir meine Briefe schreibt. Wie geht es denn Ihnen? Sie tun geradeso, als ob Sie es gewohnt seien, für fremde Leute als Zielscheibe zu dienen.«

      Gold lächelte grimmig.

      »Ganz so ist es nun auch wieder nicht. Hören Sie zu, Comstock – ich möchte Ihnen gegenüber mit offenen Karten spielen. Der Mann, der mir neulich abends im Park begegnete, wollte mich allen Ernstes umlegen.«

      »Tatsächlich?« meinte Bell ironisch. »Ich dachte, er wollte Ihnen eine Einladung in den Buckingham Palast überbringen.«

      »Spaß beiseite«, entgegnete Gold ernst. »Die Sache geht Sie übrigens genauso an wie mich. Ich bekam also einen Brief von einem meiner Vertrauensleute, daß er sich mit mir im Park treffen wolle. Ein Platz zwischen der dritten und vierten Laterne war vereinbart worden. Leider wurde mein Mann selbst beobachtet. Zwei Leute, die sich als Kriminalbeamte auswiesen, nahmen ihn wegen versuchten Raubüberfalls fest; mein Vertrauensmann, der natürlich nicht das geringste auf dem Kerbholz hatte, wollte sich gegen das Gesetz nicht auflehnen und folgte den beiden. Sie brachten ihn zu einem Wagen und fuhren mit ihm in einen Außenbezirk. Dort ließen sie ihn wieder laufen.«

      Er mußte lachen.

      »Die Leute haben die Sache gut gemacht. An Stelle meines Agenten erwartete mich jemand, der den Auftrag hatte, mit mir abzurechnen. – Ah ..., bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«

      Gold

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