Herszel Grynszpan. Eberhard Schiel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Herszel Grynszpan - Eberhard Schiel страница 4
3. Kapitel: Der Tod Ernst vom Raths
Nach dem der Amtsgehilfe Wilhelm Nagorka seinen Besucher bis zum Büro Ernst vom Raths gebracht hatte, ging er in das Zimmer des Botschafters Graf von Welczeck. Dort angekommen, will er Hilferufe aus dem Arbeitsraum Ernst vom Raths gehört haben, über eine Entfernung von 27 Metern hinweg. “Ich eilte sofort zum Büro und traf unterwegs den verletzten vom Rath. Ich ging ins Büro und verhaftete Grynszpan, der bewegungslos dastand. Die neben dem Büro von Raths liegenden Zimmer waren leer. Dadurch ist es erklärlich, dass die Schüsse nicht gehört wurden. Ich hörte erst die Hilferufe, die Herr vom Rath ausstieß, nach dem er das Büro verlassen hatte und während er im Korridor lief”, gibt Nagorka zu Protokoll. Von einem zweiten Amtsgehilfen, der Nagorka bei der Verhaftung und Übergabe an die französische Polizei zu Hilfe kam, lesen wir nur etwas in der Anklageschrift des Oberreichsanwalts, allerdings ohne Nennung des Namens. Ich zitiere: “Hierauf fasste Nagorka den Angeschuldigten beim Arm und führte ihn zusammen mit einem weiteren Hauswart...vor die Tür des Botschaftsgebäudes, wo er ihn dem dort befindlichen französischen Schutzmann Autret mit der Erklärung übergab, dass der Angeschuldigte soeben auf einen Botschaftssekretär mehrere Schüsse abgegeben habe. Auf dem Wege zur Tür des Botschaftsgebäudes äußerte der Angeschuldigte zweimal: “Dreckiges Schwein”.
Nach eben jener Anklageschrift - und nur darauf können wir uns berufen - sollen sich zwei Beamte der Botschaft um den Getroffenen bemüht haben. Der Legationssekretär Ernst von Achenbach und der Botschaftskanzler Kurt Bräuer. Sie wären nach den Hilferufen Ernst vom Raths aus ihren Zimmern gekommen und hätten dann ihren Kollegen in dessen Dienstraum am Boden liegend vorgefunden. Auf ihre Frage, was denn eigentlich vorgefallen sei, hätte vom Rath geäußert, er wäre vom Angeschuldigten alsbald nach dessen Eintritt in seinen Amtsraum beschossen worden, aus Rache für die nach Polen ausgewiesenen Juden.
Die erste Hilfe ist dann schnell durch von Achenbach und Bräuer organisiert worden. Sie meldeten sofort ein dringendes Gespräch zu einem der Botschaftsärzte, zu Dr. Claas, an. Der Anrufer handelte sofort und veranlasste die Einlieferung des Schwerverletzten in die Universitätsklinik, 166 rue de l` Universite. Prof. Dr. Baumgartner als leitender Chirurg der Deutschen Botschaft wurde zum Krankenbett Ernst vom Raths gerufen. Er blieb gleich dort und übernahm die weitere Behandlung des Patienten. Gleich nach der ersten Untersuchung erwogen die Mediziner, das vermeintliche Opfer eines Anschlags ins Amerikanische Hospital, in der Vorstadt Neuilley gelegen, zu verlegen, doch angesichts der durchrissenen Milz und mehrerer innerer Blutungen musste sofort operiert werden, ohne die Zustimmung vom Raths abzuwarten. Prof. Baumgartner nahm den komplizierten Eingriff vor. Nach der Entfernung der Milz musste die Magenwand genäht und die Blutgerinnsel entfernt werden. Vom Rath erhielt massive Bluttransfusionen unter Oberaufsicht des berühmten Spezialisten Dr. Jube`. Der Spender, Besitzer eines Pariser Restaurants und ein hochdekorierter Kriegsveteran, machte Schlagzeilen. In den letzten acht Jahren hatte Monsieur Thomas mehr als hundert Mal Blut gespendet. Nun tat er es für einen Deutschen, einem Angehörigen der Deutschen Botschaft! Die Presse bejubelte ihn. Sein “Heldentum” nutzte die deutsche Propaganda aus, um daraus angesichts des bevorstehenden Ribbentrop-Besuches ein Symbol der deutsch-französischen Freundschaft abzuleiten. Eine Freundschaft, welche das “Weltjudentum”, gemeint war Herszel Grynszpan, gewaltsam zerstören wollte. So der Tenor in Goebbels Interpretation.
Als die Nachricht von den Schüssen in der Pariser Botschaft den “Führer” erreicht, sendet dieser seinen Begleitarzt Dr. Karl Brandt, und den Direktor der Chirurgischen Klinik München, Dr. Magnus, nach Paris. Die beiden Mediziner sollten nach außen hin das persönliche Interesse Hitlers an dem Fall demonstrieren, hatten aber sicher noch andere Absichten, die nirgendwo in den Akten vermerkt sind. In den frühen Morgenstunden des 8. Novembers trafen sie auf dem Pariser Flughafen Le Bourget ein. Gegen 10.30 Uhr betraten Dr. Brandt und Dr. Magnus die Universitätsklinik, in Begleitung von Botschafter Graf von Welczeck und Botschaftsrat Bräuer. Im ersten Bulletin für die Presse sprach man von einem sehr ernsten Zustand des Legationssekretärs vom Rath, speziell wegen der Verletzungen am Magen. Im weiteren Text hieß es jedoch, die exzellente chirurgische Behandlung durch Prof. Baumgartner ließe hinsichtlich der Besserung des Gesundheitszustandes gedämpften Optimismus aufkommen. Dr. Brandt und Dr. Magnus begaben sich am Abend ein weiteres Mal zum Patienten. Der Zustand Ernst vom Raths hatte sich nicht gebessert. Ganz im Gegenteil. Die Situation schien kritisch zu werden. Größte Sorge bereitete den Ärzten das ständig hohe Fieber. Erste Anzeichen einer akuten Herzschwäche tauchten auf.
Am selben Tag, am 8. November 1938, kam Gustav vom Rath mit seinem Sohn Guenther in der französischen Hauptstadt an. Sie stiegen aus dem Zug Köln-Paris und gingen umgehend in die Universitätsklinik. Der junge Diplomat soll seine Familienmitglieder erkannt haben. Es war ihm aber durch Dr. Magnus und Dr. Brandt streng verboten worden sich mit ihnen zu unterhalten, während man dem Patienten zuvor gestattet hatte, ein paar freundliche Dankesworte für den Blutspender Thomas und die ihn betreuende Krankenschwester zu sagen.
Frau vom Rath kam einen Tag später nach Paris. Gemeinsam mit ihrem Gatten und Sohn Guenther besuchten sie am 9. November gegen 10 Uhr die Klinik d` Al mata. Die Mutter Ernst vom Raths führte einen kleinen Handkoffer bei sich, anscheinend in der Absicht, die Nacht über am Krankenbett ihres Sohnes zu wachen. Ob die Eltern von sich aus eindringlich den Sohn baten lieber zu schweigen, da ihn das Reden eventuell zu sehr anstrengen könnte, lassen wir lieber unkommentiert stehen. Man wird sie darauf eingeschworen haben. Als Prof. Baumgartner nun um 10.30 Uhr die Klinik verließ, wurde er von den lauernden Journalisten befragt wie es um den Gesundheitszustand des deutschen Legationssekretärs bestellt sei. Der Arzt antwortete in knappen Worten: “Ernst vom Rath schwebt weiterhin in Lebensgefahr.” Einer der Presse-Leute bemerkte: ”Wenn man bedenkt, wie jung er noch ist, dann könnte man doch etwas mehr Hoffnung auf seine Genesung setzen, oder?” Prof. Baumgartner zuckte nur mit den Schultern und sagte: “Wenn es nur eine Wunde gäbe, aber es sind deren drei!”
Gegen Mittag betraten Dr. Magnus und Dr. Brandt das Krankenhaus. Beim Verlassen des Gebäudes in der rue Universite berichteten sie den Journalisten nichts Neues. Sie benutzten etwa die gleichen Worte wie zuvor Prof. Baumgartner sie formuliert hatte, und versprachen eine weitere Visite. Daran hielten sie auch fest. Kurz nach 15 Uhr waren sie wieder vor Ort. Ernst vom Rath lag im Koma. Er starb um 16.45 Uhr in Gegenwart seiner Eltern und den zwei deutschen Ärzten.
Das frühe Ansteigen der Temperatur, der Schockzustand des Patienten und der rasche Tod deuteten darauf hin, dass die verletzte Bauchspeicheldrüse die unmittelbare Todesursache gewesen sein dürfte. Um 17.25 Uhr verließen die leidgeprüften Eltern die Klinik. Das von Dr. Magnus und Dr. Brandt unterzeichnete Kommuniqué hatte folgenden Wortlaut:
“Gesandtschaftsrat I.Klasse Parteigenosse vom Rath ist seinen am 7. November erlittenen Schussverletzungen erlegen. Im Laufe des Vormittages tat bei Gesandtschaftsrat I. Klasse vom Rath eine weitere Verschlechterung seines Zustandes ein. Eine nochmalige Blutübertragung hatte nur vorübergehende Wirkung. Der Kreislauf reagierte auf Herzmittel nur ungenügend. Das Wundfieber blieb hoch. Gegen Mittag gab es keine Hoffnung mehr wegen der Magenverletzungen in Verbindung mit dem Milzverlust. Der Kräfteverfall ließ sich nicht aufhalten, so dass um 16.30 Uhr der Tod eintrat. Der französische Chirurg Dr.