Herszel Grynszpan. Eberhard Schiel
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Nach Deutschland sollte nun auch Frankreich erwachen, wobei der böse Traum darin bestand, dass die aufgelisteten Morde zum Teil auf Bestellung, mit Hilfe von Lockspitzeln, geschehen sind. Diese wurden von der Gestapo dafür bezahlt. Schwarzbart, zum Beispiel, kam schnell wieder auf freien Fuß. Aber das nur nebenbei. Verfolgen wir den weiteren Verlauf des endlosen Trauerspektakels. An jenem Trauerakt für vom Rath am 12. November erschien als Repräsentant der französischen Regierung Minister Bonnet, ein Mann, der aus seiner Sympathie für Nazi-Deutschland keinen Hehl machte. Ministerpräsident Daladier ließ sich hingegen durch seinen Kabinettschef vertreten. Die Trauerrede in der Evangelisch-Lutherischen Kirche für die deutsche Kolonie, in der rue Blanche gelegen, hielten Pastor Dahlgrün und Staatssekretär Freiherr von Weizäcker. Letzterer deutete als Leiter der Trauerdelegation in seinen Worten schon an, dass sich das ohnehin schon maßlose Gehabe in Deutschland noch steigern werde. Er trat vor den Sarg und rief aus: “Tritt an die Fahrt in die Heimat. Ganz Deutschland erwartet dich!” - Doch bevor es soweit war, vergingen noch vier Tage, die man nutzte, um Vorbereitungen für eine gigantische Trauerfeier in der Heimat zu treffen.
Am 16. November, eine halbe Stunde vor Mitternacht, traf der Sarg des Ernst vom Rath, begleitet von einer Staffel motorisierter Pariser Polizei und den Privatwagen der Mitglieder der deutschen Delegation, vor dem Pariser Nordbahnhof ein. Die französische Regierung hatte indes große Mühe aufgewandt, um den teuren Toten würdig in die Heimat zu entlassen. Auf dem Bahnhof hingen schwarze Fahnen. Eine Kompanie Republikanische Garde zu Fuß hielt in Paradeuniform Ehrenwache. Ein Sonderzug wurde eingesetzt. Starke Sicherheitskräfte schützten den mit vielen Kränzen geschmückten Leichenwagen.
Gegen Mitternacht rollte der Zug aus dem Gare du Nord. Um 7 Uhr, “nach der langen Fahrt durch fremdes Land”, erreichte der Sonderzug die Grenzstation Aachen. Zum Empfang auf deutschem Boden standen Vertreter des Auswärtigen Amtes, Abordnungen der NSDAP-Auslandsorganisation sowie anderer NS-Gruppierungen und eine Ehrenkompanie des Heeres bereit. Für das ganze Deutsche Reich war Staatstrauer angeordnet. “Aachens Gauleiter Grohe übernahm feierlich den Sarg Ernst vom Raths. In seiner kurzen Ansprache machte er sich zum Dolmetscher des gesamten deutschen Volkes, als er mit Worten tiefsten Abscheus und der Empörung die schändliche Tat des jüdischen Mörders brandmarkte”, berichtete die einheimische Presse. Und sie zieht weiter vom Leder….”weil Du ein Deutscher warst, wurdest Du ermordet. Mit dem Schuss auf Dich wurde das deutsche Volk getroffen. Aber es irrt sich jenes Verbrechertum. Es kann zwar einen einzelnen Deutschen ermorden, doch das deutsche Volk wird es überwinden. Ernst und verhalten klang das Sieg Heil auf den Führer, für den Ernst vom Rath gefallen sei, während der Gauleiter den Kranz weißer Lilien des Führers am Sarg niederlegte. Dann trugen die Männer des Bahnschutzes den Sarg zum bereitstehenden deutschen Sonderzug, in dem jetzt auch der Vater mit den Brüdern Ernst vom Raths dem gefallenen Märtyrer des Reiches das Ehrengeleit gaben.”
Genug von diesem Gesülze. Der Zug setzt sich in Richtung Düsseldorf in Bewegung. An der Strecke hatte man die deutsche Hitler-Jugend, den Bund deutscher Mädchen und die Schuljugend zusammengetrommelt. Sie sollten Spalier bilden, dem “Märtyrer” mit ernstem Blick und ausgestrecktem Arm ihre Reverenz erweisen. Fahnen und Fackeln, stets willkommene Attribute der Jugend, wurden geschwenkt. An allen Stationen spielten NS-Musikkorps, Kapellen der Feuerwehr und Spielmannszüge der Bergleute das Lied “Vom guten Kameraden.” Selbst auf dem freien Feld längs der Bahnstrecke und an den Bahnübergängen standen tausende Menschen. Eine perfekte Inszenierung. Goebbels Handschrift. In Düsseldorf ohne Beispiel. Was sich hier abspielte, ist kaum zu beschreiben. Zehntausende sollen zum Empfang auf den Bahnhof gekommen sein. Am Bahnsteig, wo der Zug einlief, reckten sich unzählige Arme zum Gruß, ein Ehrensturm des NSKK war angetreten, ein Spielmannszug intonierte wieder den “guten Kameraden”, der Sarg wurde aus dem Zug gehoben und auf den von lodernden Pylonen umrahmten Katafalk getragen. An beiden Längsseiten des Sarges nahmen je vier Angehörige des Auswärtigen Amtes Aufstellung. Am Fußende stand Gauleiter Florian, neben ihm der Vater und die Brüder des Toten. Gauleiter Florian legte dann den großen Kranz des “Führers” nieder. Die Kranzschleife trägt auf rotem Grund in goldener Ausführung das Hoheitszeichen und die Führerstandarte und als einzige Aufschrift: “Adolf Hitler”. In Florians Rede taucht gleich mehrmals der Name Leo Schlageter auf, “dem ersten Soldaten des Dritten Reiches”. Gleich ihm hätte Ernst vom Rath seine Liebe zu Deutschland mit dem Leben bezahlt. Dann erneut Trommelwirbel. Der Sarg wird auf eine Lafette gehoben. Es ertönt das Horst-Wessel-Lied. Der Trauerzug setzt sich in Bewegung. Spielmannszug und Musikzug der SA vorneweg, gefolgt vom Fahnenblock mit Standarten und Fahnen der Gliederungen der NSDAP. Ein Ehrensturm der SA schließt sich an. Dahinter der Spielmannszug und das Musikkorps der Wehrmacht, Ehrenkompanien der SS-Verfügungstruppe. Dann eine Hundertschaft der Polizei, sämtlich unter Gewehr, und einer Ehrenabordnung des Reichsarbeitsdienstes. Nun kommt endlich die Lafette mit dem Sarg. Der Kranz des “Führers” und das Ordenskissen mit Mütze, Armbinde, Ehrendolch und Parteiabzeichen werden zur Schau gestellt. Die schwarz umhüllte Lafette, gezogen von sechs Rappen, begleitet eine Abordnung der Auslandsorganisation der Partei, des Auswärtigen Amtes und des NSKK. Hinter dem Sarg gehen Gauleiter Florian, Gauleiter Terboven, der Vater Ernst vom Raths, Gauleiter Bohle, Staatssekretär von Weizäcker und Botschafter Graf Welczeck.
Kurz vor 11 Uhr erreicht der Trauerzug die Düsseldorfer Rheinhalle, wo Ernst vom Rath aufgebahrt wird. Die Bevölkerung nimmt den ganzen Tag über Abschied vom “Blutzeugen der Bewegung”. Wer nicht erscheint, muss mit Schwierigkeiten rechnen. Die Gestapo ist hellwach. Für den 17. November, um 12 Uhr, ist der feierliche Staatsakt angesetzt. Eingeschaltet sind alle deutschen Sender, was die Leser der “Pommerschen Zeitung” erst im Nachhinein erfahren. Aus jener Quelle stammt der abschließende Bericht über ein Meisterstück Goebbelscher Propaganda:”
Im Rahmen eines feierlichen Aktes nahmen heute Mittag der Führer des Deutschen Reiches und das deutsche Volk Abschied von Ernst vom Rath. Der Strom des Volkes, der gestern bis spät in die Abendstunden an der Aufbahrungsstätte in der Rheinhalle vorbeizog, setzte sich auch heute fort. Ganz Düsseldorf trägt durch den Trauerschmuck ein ernstes, feierliches Gepräge.. Die Arbeit ruht, und zu Hunderttausenden drängt sich die Bevölkerung aus Stadt und Land in den Straßen...Weihevolle Stimmung liegt über der Trauerversammlung in der Rheinhalle. Der gewaltige Kuppelbau ist mit Hakenkreuzfahnen, silbernen Friesen, Lorbeer, Tannengrün und frischen Blumen ausgeschmückt. Zwölf silberne Pylone umrahmen das weite Rund und aus ihrem Schatten werfen Scheinwerfer ihr Licht empor. Von einem Meer von Kränzen und Blumen umgeben steht auf hohem Katafalk der Sarg, welchen Hakenkreuzbanner, Mütze und Degen des Toten zieren. Angehörige des Auswärtigen Amtes, der Auslandsorganisation und des NSKK halten Ehrenwache. Punkt 12 Uhr trifft der Führer an der Rheinhalle ein. In seiner Begleitung finden sich die drei Gauleiter der westdeutschen Grenzaue sowie Reichspressechef Dr. Dietrich, Staatssekretär Hanke sowie Hitlers Adjutanten. Die hier angetretene Ehrenkompanie der Wehrmacht und der Ehrenposten präsentieren. Die Arme der zu vielen Tausenden in weitem Umkreis stehenden Volksgenossen erheben sich zum stummen Gruß”, telegrafiert ein Journalist der “Pommerschen Zeitung” nach Stralsund.
Hitler hält allerdings keine Ansprache. Stumm sitzt er neben von Ribbentrop und der Mutter Ernst vom Raths. Der ehemalige Sekthändler ergreift dann nach verklungener “Eroica” das Wort zur Trauerrede, der wievielten eigentlich? Er sagt: Jetzt kannst Du ruhig schlafen1” Und wieder ertönt das Lied vom "guten Kameraden". SS-Männer tragen den Kranz des “Führers” aus dem Saal. Man marschiert unter Ehrensalven, Trommeln, Kampfansagen, Trompeten, Glockengeläut,