Herszel Grynszpan. Eberhard Schiel
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Gez. Dr.Magnus, Gez. Dr.Brandt.”
Die Autopsie der Leiche Ernst vom Raths hat dann der vielbeschäftigte französische Pathologe Dr. Paul im Beisein der vom Führer nach Paris entsandten deutschen Ärzte vorgenommen. Der Arzt leitet seinen Ärztlichen Obduktionsbefund so ein: “Wir haben uns am 7. November in die Universitätsklinik begeben, um einen Bericht von Dr. Baumgärtner über die von ihm am Vormittag durchgeführte Operation zu erbitten. Nach den Informationen, die uns gegeben wurden, ist vom Rath durch zwei Revolverschüsse verletzt worden. Eine Kugel hatte die Region des Brustkorbs getroffen; Vorne, Oben und in der Mitte, und diese Kugel hat sich in der Achselgegend befunden. Das andere Projektil war in die linke Flanke eingedrungen und verursachte eine tiefe Wunde im Unterleib. Nach einem Bauchschnitt stellte man zerfetzte Milz, eine transfixiante Wunde am Magen und eine Verletzung der Bauchspeicheldrüse fest. Dieses Projektil befand sich in der Region des Unterleibs. Der Zustand von Monsieur vom Rath verschlechterte sich. Wegen der Verletzungen und des operativen Eingriffs an der Milz wurde eine längere Betäubung notwendig. Er war außerstande sich dem kürzesten Verhör unterziehen zu lassen. Das chirurgische Personal bat inständig darum, man möge ihm absolute Ruhe gönnen. - Am 8. November waren wir mehrmals bei vom Rath und jedes Mal fanden wir den Kranken in einem fortschreitend alarmierenden Zustand vor. Sehr rasch setzte Fieber ein. Trotz wiederholter Bluttransfusionen blieb Monsieur vom Rath in einer Verfassung, in dem man ihn auf gar keinen Fall einem Verhör unterziehen konnte. Monsieur vom Rath starb am 9. November 1938.”
Auffällig im Text wirkt die zweimalige Betonung der absoluten Ruhe und des Verzichts auf jegliche Befragungen des Opfers. Darauf scheint Dr. Paul eingeschworen zu sein. Aus gutem Grund, wie wir bald erfahren werden.
Mir liegt übrigens der vollständige Obduktionsbefund vor, mit allen Einzelheiten, der Öffnung des Körpers, den Aushöhlungen des Schädels, des Brustkorbs und des Unterleibes, wobei noch festgestellt wurde, dass die Bauchhöhle eine kleine Menge Blut, etwa 60 gr, enthielt. Unter dem Röntgenschirm hatte Dr. Paul in Höhe der Wandung des rechten Brustkorbs, unterhalb der rechten Rippen-Ecke, ein Projektil des Revolvers entdeckt. Auf Höhe der rechten Achselhöhle fand er ebenfalls ein derartiges Geschoss.
Wozu der überaus erfahrene Gerichtsmediziner eigentlich zwei deutsche Assistenten benötigte, darunter den nach dem Krieg wegen seiner Euthanasie-Verbrechen zum Tode verurteilten Dr. Brandt, bleibt rätselhaft. An anderer Stelle werden wir jedoch näher darauf eingehen. Nur soviel: Die Nazis werden gewusst haben, wen sie mit der Identifizierung des Toten betrauen konnten. Dr. Paul galt als “Schnell-Obduzent”, dem mitunter Fehler unterlaufen. Er soll, was kaum vorstellbar ist, jährlich zweitausend bis viertausend Autopsien mit der Routine eines Uhrwerkes aber auch mit der oberflächlichen Sorglosigkeit eines Bonvivants vorgenommen haben, wie ein Biograf über ihn urteilte. Seinem Bericht zufolge bestätigte er, dass Grynszpan aus nächster Nähe fünf Kugeln abfeuerte, von denen nur zwei das Opfer trafen. Unter mysteriösen Umständen also wurde Ernst vom Rath begraben. Keine normale Trauer, eher ein pompöses Schauspiel der Nazi-Propaganda. Ein neuer Märtyrer war geboren. Gerade zur rechten Zeit, da man für das Gedenken an die “Gefallenen vor der Feldherrenhalle” einen neuen Blutzeugen brauchte. So gedachten dann auch in Paris der deutsche Botschafter Graf von Welczeck und Landesgruppenleiter Dr. Ehrich am Spätnachmittag des 9.November 1938 vor versammeltem Dienstpersonal des von “ruchloser jüdischer Hand” hingemordeten Parteigenossen Ernst vom Rath. Dr.Ehrich rief in pathetisch vorgetragenen Worten aus: “Wir haben das Gastrecht nie missbraucht…….nicht wir haben den Boden dieses Landes mit Blut befleckt, sondern die anderen, die uns in den Augen des Gastlandes herabsetzen wollen.“
Graf Welczeck sagte unter anderem: “Jeden von uns hätte die Kugel treffen können, er aber (vom Rath) hat das Opfer auf sich genommen. Wir, die wir im Ausland das Reich vertreten, sind die Soldaten des Führers, die außerhalb der Grenzen für das deutsche Volk und Reich kämpfen.” Dann erhoben sich im prächtig geschmückten Großen Saal der Botschaft alle Teilnehmer der Gedenkfeier von ihren Sitzen und mit dem deutschen Gruß gedachten sie der “ 16 Blutzeugen von der Feldherrenhalle” und des neues “Märtyrers”. Von der Botschaft marschierten die Angehörigen zur Klinik l`Alma, um die sterbliche Hülle des “Blutzeugen” abzuholen. In Empfang genommen wurde ein zugeschraubter Sarg. Mitglieder der Deutschen Kolonie entboten den deutschen Gruß, während die französischen Polizeibeamten salutierend die Hände an ihre Mützen legten. Dem Leichenwagen folgten, so die Presseberichte, Botschafter Graf von Welczeck, Gesandtschaftsrat Dr. Ehrich, ferner Dr. Brandt und Dr. Magnus sowie das Personal der Botschaft und schließlich ein langer Trauerzug der deutschen Volksgenossen. Den Leichnam bekam niemand mehr zu sehen. Der zugeschraubte Sarg wurde in dem zur Kapelle ausgestalteten Saal der Botschaft aufgebahrt. Niemand sollte sehen, wer da nun wirklich drin liegt, selbst die Pressefotografen nicht. Einige enge Mitarbeiter hielten auf jeden Fall Totenwache. Der Führer sandte folgendes Beileidstelegramm: “Herrn und Frau Rath, zur Zeit Paris.- Nehmen Sie zu dem schmerzlichen Verlust, den sie durch den feigen Meuchelmord an ihrem Sohn betroffen hat, meine aufrichtigste Teilnahme entgegen. Adolf Hitler.”
Nach dem das Telegramm verlesen wurde, ergriff Botschafter Graf Welczeck das Wort: “Unsere Empörung über dieses Verbrechen ist grenzenlos. Verachtung mischt sich hinein und Grauen über die Gemeinheit, zu der ein Mensch herabsinken kann. Wir vertrauen der französischen Justiz, dem Gerechtigkeitsempfinden der französischen Volksseele, dass sie für den Mörder unseres Ernst vom Rath die Sühne finden wird, die der Größe des Verbrechens entspricht. Der Dahingegangene aber wird uns unvergesslich vor Augen stehen als ein junger deutscher Mensch, dem es gegeben war, auf dem Felde der Ehre für sein Vaterland zu fallen in einer Zeit, die von keiner Epoche der deutschen Geschichte übertroffen wird...”
Am nächsten Tag fand in der Deutschen Botschaft eine interne Trauerfeier statt, und zwar in Anwesenheit der Eltern vom Raths. Graf Welczeck führte die Mutter zum Katafalk, und dann wiederholte sich die Zeremonie nach nazistisch stereotypen Ritualen, aber das war erst der Auftakt zu drei weiteren Trauerakten. Die Nazis konnten in der Tat gar nicht so viele Leute sterben lassen wie sie trauern wollten. Ein ums andere Mal bemühte man die abgedroschenen Vokabeln vom Blutzeugen, vom “Märtyrer”und “gefallenen Soldaten des Führers”. Nach der internen Trauerfeier folgte eine separate Trauerkundgebung im “Deutschen Haus” in Paris. Der uns schon bekannte Landesgruppenchef der NSDAP, Dr .Ehrich, verkündete dabei stolz, dass der neue Märtyrer der Bewegung in die SA-Standarte “Horst Wessel” eingegangen sei. Peinlich berührt mussten die Eltern des Ernst vom Rath miterleben, wie der Name ihres Sohnes mit dem des schmierigen Zuhälters Horst Wessel, ebenfalls Märtyrer der Bewegung, in einem Atemzug erwähnt wurde.
Für Samstag, den 12. November, dachte sich die Deutsche Botschaft etwas ganz Besonderes aus. An der offiziellen Trauerfeier nahmen, durch irgendwelche Mittelsmänner angeheuert, etliche Mitglieder einer antisemitischen Organisation teil, unter ihnen französische Frontkämpfer. Gemäß der Regie legte ein Angehöriger dieser Gruppierung, ausgerechnet ein Arbeiter, ein schlichtes Veilchensträußchen auf den mit der Hakenkreuzflagge zugedeckten Sarg. Wie auf Stichwort sagte er: “Es gibt nicht nur marxistische Arbeiter”. Die deutsche Presse nahm den Satz dankbar auf. Ferner bot man einen kriegsversehrten Rollstuhlfahrer mit einem Blumenstrauß auf, den er von einer Blumenfrau erhalten haben will, um ihn am Sarg Ernst vom Raths niederzulegen. Das nazistische Schmieren-Theater hatte noch eine rührende Szene im Programm. Eine ganz in Schwarz gekleidete französische Dame, Mutter eines angeblich von Marxisten im Straßenkampf erschlagenen jungen Mannes, kniete vor dem Sarg nieder, betete unter Tränen und küsste die Hakenkreuzfahne am Sarg. Beim Abgang dieser inszenierten Komödie erwies sie “spontan” den deutschen Gruß. Obendrein meldete Oberregierungsrat Faber, Pressebeirat bei der Deutschen Botschaft Paris, seinem Chef Dr. Goebbels nach Berlin: “Durch französische Vertrauensleute haben wir in Paris und in der Provinz 3000 Großplakate anschlagen und 50 000 Handzettel judenfeindlichen Inhalts verteilen lassen.”
Ich habe den Bericht