Erziehungskunst III. Rudolf Steiner
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Kinder, die stark ihren Willen durch eine Art von Toben zum Ausdruck bringen, das sind die cholerischen Kinder.
Es wird natürlich noch viele Eigenschaften geben, durch welche sich diese vier Temperamentstypen bei den Kindern ankündigen. Notwendig haben wir aber, dass wir uns in den ersten Monaten unseres Unterrichtes damit beschäftigen, dass wir die Kinder in dieser Zeit auf diese vier Merkmale hin prüfen, dass wir diese Typen bei den Kindern wissen. Wir werden eine Klasse dadurch in vier Abteilungen, in vier Gruppen gliedern können. Es ist wünschenswert, dass wir allmählich ein Umsetzen der Kinder vornehmen. Wenn wir Klassen haben mit beiden Geschlechtern, werden wir acht Gruppen haben. Wir werden die Knaben für sich und die Mädchen für sich in vier Gruppen teilen, in eine cholerische, eine sanguinische, eine phlegmatische und eine melancholische Gruppe.
Das hat einen ganz bestimmten Zweck. Wir unterrichten; und während wir unterrichten, werden wir verschiedene Dinge behandeln, werden Verschiedenes zu sagen, Verschiedenes zu zeigen haben, und wir werden uns als Lehrer zum Bewusstsein zu bringen haben, dass es, wenn wir etwas zeigen, was angeschaut werden soll, etwas anderes ist, als wenn wir ein Urteil darüber abgeben. Wir wenden uns, wenn wir ein Urteil abgeben, zu einer anderen Gruppe, als wenn wir etwas zeigen. Wir wenden uns, wenn wir etwas aufzuzeigen haben, was besonders auf die Sinne wirken soll, mit besonderer Aufmerksamkeit an die sanguinische Gruppe. Wenn wir irgendeine Reflexion über das, was angeschaut wurde, anstellen, dann wenden wir uns an die melancholischen Kinder. Nähere Details werden noch gegeben werden. Aber es ist notwendig, dass wir uns die Geschicklichkeit aneignen, unsere Aufzeichnungen und Ansprachen immer an andere Gruppen zu richten. Dadurch kommt das zustande, dass das, was der einen Gruppe fehlt, durch die andere Gruppe ersetzt wird. Den melancholischen Kindern etwas zeigen, worüber sie urteilen können; den sanguinischen etwas, was sie anschauen können. Sie ergänzen sich dadurch, sie lernen voneinander, richten ihr Interesse aufeinander, diese beiden Gruppen.
Sie müssen mit sich selbst Geduld haben, denn diese Behandlung der Kinderwelt muss einen gewohnheitsmäßigen Charakter annehmen. Man muss das im Gefühl haben, an welche Gruppe man sich zu wenden hat, muss es gewissermaßen von selbst tun. Würde man sich das vornehmen, dann würde man die Unbefangenheit verlieren. Also als eine Art Unterrichtsgewohnheit müssten wir diese Behandlung der verschiedenen Temperamentsanlagen berücksichtigen.
Nun sollen Sie sich nicht in der Vorbereitung überhasten, sondern kräftigen für die Arbeit. Daher meine ich nicht, dass Sie die wenige Tageszeit, die Ihnen noch bleibt, zu großen äußeren Ausarbeitungen verwenden sollen. Dennoch kann man aber die Dinge nur zu seinem inneren Eigentum machen, wenn man sie seelisch verarbeitet. Daher ist es unsere Aufgabe, dass wir mit diesem Verhältnis des Lehrers zu den Temperamentsanlagen der Kinder wirklich sachgemäß verfahren. Wir wollen die Lehrer so einteilen, dass ich bitten werde, dass sich eine Gruppe mit dem sanguinischen Temperament beschäftigt, eine zweite Gruppe mit dem phlegmatischen, eine dritte mit dem melancholischen und eine vierte mit dem cholerischen Temperament.
Ich bitte, dass Sie nachdenken über die zwei Fragen: Wie äußert sich im Kinde das Temperament, das ich eben ausgesprochen habe, je für eine der Gruppen? Da würden Sie morgen in der freien Aussprache auseinandersetzen: Erstens, wie Sie glauben, dass sich das betreffende Temperament in dem Kinde äußert. Zweitens, wie hat man das Temperament zu behandeln.
Über dieses »zu behandeln« will ich noch einiges sagen. Sie können schon aus dem Vortrag, den ich vor Jahren gehalten habe, ersehen, dass es die schlechteste Methode ist, wenn man einem Temperament dadurch beikommen will, dass man gewissermaßen die entgegengesetzten Eigenschaften beim Kinde pflegt. Nehmen wir an, wir haben ein sanguinisches Kind. Wenn wir das dadurch dressieren wollen, dass wir ihm diese seine Eigenschaften austreiben wollen, werden wir es schlecht behandeln. Worum es sich handelt, ist, dass wir gerade auf das Temperament eingehen, ihm entgegenkommen, dass wir möglichst viel beim sanguinischen Kind in die Sphäre seiner Aufmerksamkeit bringen, dass wir es sensitiv beschäftigt sein lassen und dadurch gewissermaßen dem Hang, den es hat, entgegenkommen. So wird sich ergeben, dass dann diese Anlage, in die es eingespannt ist, sich allmählich ablähmt und sich mit den anderen Temperamenten harmonisiert.
Ferner, beim cholerisch tobenden Kinde sollen wir nicht versuchen, es nicht zum Toben kommen zu lassen, sondern versuchen, seine tobenden Eigenschaften in einer solchen Weise zu behandeln, dass wir von außen dem Kinde in der richtigen Weise entgegenkommen. Nun ist es schwer, ein Kind sich immer austoben zu lassen.
Es ist ein deutlicher Unterschied vorhanden zwischen einem phlegmatischen und einem cholerischen Kinde. Ein phlegmatisches Kind ist teilnahmslos, und es ist innerlich nicht viel beschäftigt. Nun versuchen Sie als Lehrer, recht viel Teilnahme für ein solches Kind in Ihrem Inneren aufzubringen, zu erwecken, sich zu interessieren für jede Lebensregung des Kindes. Es gibt immer Gelegenheit dazu. Das phlegmatische Kind kann, wenn man den Zugang findet zu seiner Teilnahmslosigkeit, sehr interessant werden. Aber äußern Sie dieses innere Interesse nicht, suchen Sie teilnahmslos zu scheinen. Versuchen Sie selbst, Ihr Wesen zu spalten. Haben Sie innerlich viel Teilnahme, äußerlich geben Sie sich so, dass es aus Ihnen das Spiegelbild seines eigenen Wesens zu sehen bekommt. Dann werden Sie erzieherisch einwirken können.
Beim cholerischen Kinde dagegen versuchen Sie innerlich teilnahmslos zu werden, mit kaltem Blut zuzuschauen, wenn es tobt. Versuchen Sie, wenn es zum Beispiel das Tintenfass zur Erde schmeißt, diesem Toben gegenüber äußerlich so phlegmatisch, so gelassen wie möglich zu sein, durch gar nichts ergriffen zu sein! Und versuchen Sie, im Gegenteil dazu, äußerlich möglichst viel von diesen Dingen mit dem Kinde in Teilnahme zu besprechen, aber nicht unmittelbar nachher! Zeigen Sie sich möglichst ruhig äußerlich und sagen Sie mit der möglichsten Ruhe: Du hast nun das Tintenfass zerschmissen. Am anderen Tag, wenn das Kind selbst ruhig ist, besprechen Sie teilnahmsvoll die Sache mit ihm. Sprechen Sie darüber, was es getan hat, zeigen Sie die größte Teilnahme. Zwingen Sie so das Kind, hinterher die ganze Szene in seinem Gedächtnis zu wiederholen, durchzunehmen. Verurteilen Sie auch ruhig die Vorgänge, wie es das Tintenfass auf den Boden geworfen, zerschlagen hat. Man kann auf diese Weise mit tobenden Kindern außerordentlich viel erreichen. Auf andere Weise bringt man sie nicht dazu, das Toben zu bekämpfen.
Das kann Sie auf den Weg leiten, nun selbst zu versuchen, die beiden Fragen, die wir uns stellen werden, bis morgen zu behandeln. Wir werden das so behandeln, dass jeder von Ihnen das vorbringen kann, was er eben vorzubringen hat. Machen Sie sich kurze Notizen über das, was Sie sich ausgedacht haben, und diese Notizen werden dann besprochen.
Es muss immer zu Besprechungen solcher und ähnlicher Art in der Lehrerschaft Zeit bleiben. In solchen Besprechungen, die einen mehr republikanischen Charakter tragen, muss Ersatz gefunden werden für eine diktatorische Leitung, wie sie in einem Rektorat gegeben ist, so dass eigentlich jeder einzelne Lehrer an den Angelegenheiten und Interessen der anderen immerwährend teilnimmt. Damit wollen wir morgen gleich beginnen in einer Art Disputation. Als Unterlage möchte ich Ihnen eine Art Schema geben, nach dem Sie arbeiten können.
Sie können unterscheiden, wenn der Mensch sich äußert, nach seinem ganzen Seelenhabitus, ob er etwas stark oder schwach ins Auge fasst; ob er etwas stark empfindet, das etwas Äußerliches ist, oder stark empfindet seine inneren Zustände.
Dann haben wir zu unterscheiden das Wechseln. Entweder man bleibt stark dabei und wechselt wenig, oder man bleibt weniger stark dabei und wechselt sehr viel. Dadurch unterscheiden sich die Temperamente.
wenig Erregbarkeit, viel