Kreativer leben!. Nina Schaffrin

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Kreativer leben! - Nina Schaffrin

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was von mir erwartet wird. Der Angst, dass alle meine Freunde mich heimlich hassen. Der Angst, dass ich in Wahrheit absolut abstoßend und unliebenswert sei und es nur eine Frage der Zeit sein könne, bis das jemand merkt und sich alle von mir abwenden. Der Angst, nicht geliebt zu werden. Angst vor Verantwortung. Angst vor Erfolg, verrückterweise.

      Angst ist immer ein großer, schier undurchdringlicher und bleischwerer Klumpen in unserem Herzen. Sie hat immer eine Geschichte und sie liebt es, auf Stichwort die Bühne zu stürmen und die ganze Show an sich zu reißen. Ich vermute, bei jedem von uns sind es etwas unterschiedliche Stichworte, aber bei beinahe jedem funktioniert "Kreativität", "Zeichnen", "Schreiben", "Malen". Und niemals genügt "Hab keine Angst" um sie zurückzutreiben.

      Angst kann nicht bestochen werden. Angst kann nicht wegargumentiert werden. Angst kann nicht verboten werden. Wenn ich etwas weiß, dann das.

      Und deshalb wirst du von mir nicht hören, dass du keine Angst haben sollst. Im Gegenteil, ich bitte dich, dich eng mit ihr anzufreunden. Angst ist nämlich tatsächlich etwas sehr Hilfreiches, wenn man erstmal aufhört, sie wegpacken und übertönen zu wollen. Nicht nur, weil sie uns manchmal vor tatsächlich bedrohlichen Dingen warnt, sondern weil sie uns durch ihre völlig irrationalen Auftritte wichtige Hinweise gibt: Hier liegt etwas im Argen. Und das bedeutet: Hier gibt es die Gelegenheit, einen Knoten in unserem Inneren aufzuspüren und aufzulösen.

      Stell dir deine Seele wie ein großes Wollknäul vor (Ich stricke viel, deshalb kommt der Vergleich nicht zufällig). Stell dir vor, wenn du auf die Welt kommst, erhältst du dieses riesige, ordentlich aufgewickelte Knäul weicher Wolle in leuchtenden Farben. Dieses Knäul steht für das ganze Potenzial, das dir gegeben wird – du könntest alles daraus machen was du willst! Aber dann fällt dir das Knäul hin und verwandelt sich in ein dickes, fettes Wirrwarr.

      Du strickst weiter vor dich hin, aber von Zeit zu Zeit kommst du zu diesen dicken Knoten und was machst du dann? Oft versuchen wir die ganze Geschichte so zurecht zu schieben, dass der Knoten auf der Rückseite des Gestricks landet, wo man ihn nicht sieht. Dort wird man ihn aber immer fühlen und vermutlich gibt es dann an der Stelle eine Beule. Manche versuchen den Knoten herauszuschneiden, aber dadurch verlieren sie Wolle und die losen Enden müssen ja doch auch wieder mit einem Knoten verbunden werden. Und manche werfen das ganze Strickzeug einfach hin, was eigentlich gar keine Lösung ist oder wenn doch, dann die

      schlechteste, die man sich aussuchen kann. Angst ist ein Zeichen, dass wir gerade so einen Knoten vor uns haben. Angst sagt uns: Pass auf, hier stimmt etwas nicht!

      Was ich sage ist: löse die Knoten auf, auch wenn es mühsam und unbequem ist. Ein Knoten ist nichts anderes als festgehaltenes Potenzial – löst du den Knoten, setzt du das gefangene Potenzial wieder frei. Deine Angst zeigt dir, wo du dich verknotet hast, und wenn du den Knoten öffnest, wirst du sofort fühlen, wie etwas in dir gelöst wird. Du wirst dich freier fühlen. Du wirst mehr Energie haben. Du wirst mehr du selbst sein können.

      Ich bitte dich deshalb, sehr genau in dich hinein zu fühlen, während du dieses Buch liest und natürlich auch noch darüber hinaus. Wann immer du einen Anflug von Angst fühlst, sei es in Gestalt des inneren Kritikers, sei es als körperliches Symptom, sei es in Reinform, bitte ich dich, für einen Moment ganz still zu sein. Sag nicht: „Verschwinde, Angst!“ Sag nicht: „Es gibt keinen Grund Angst zu haben.“ Das wäre albern, natürlich gibt es einen Grund, sonst wäre die Angst nicht da. Niemand von uns hat Angst, weil es so viel Spaß macht oder weil es nichts besseres zu tun gäbe. Ich verbiete dir, streng zu deiner Angst zu sein, hörst du? Ich verbiete es. Stell dir deine Angst als ein kleines Kind vor, das vor Schmerzen aufschreit. Und wann immer du es schreien hörst, ist es deine Aufgabe, auf der Stelle zu ihm zu eilen und zu fragen: Was hast du, was ist los, wo tut es dir weh? Wann immer du einen Stift oder einen Pinsel in die Hand nimmst oder die leere erste Seite deines Notizbuchs anstarrst und die Angst aufkommen fühlst, kannst du dir sicher sein: Du bist auf dem richtigen Weg. Und wenn dich deine Angst mit dieser hämischen kleinen Stimme fragt, was du denn bitteschön eigentlich schreiben oder zeichnen möchtest, kannst du ihr antworten: Alles – und mit dir fange ich an.

      Denn die Angst sitzt immer genau da, wo die richtig große Beute versteckt ist im Unterbewusstsein. Und wenn du ihr folgst, werden dir niemals die Themen zum Schreiben und die Ideen zum Zeichnen ausgehen. Und es wird dir egal sein, wenn deine Zeichnungen nicht aussehen wie die, die du bei anderen immer so bewunderst, denn dann sind deine Zeichnungen Ausdruck deiner Persönlichkeit mit deiner ganzen Geschichte und das ist so viel mehr wert als zum menschlichen Tintenstrahldrucker zu werden. Und es wird dir egal sein, wenn deine Texte nicht so klingen wie die Romane deines Lieblingsautors, denn dein Lieblingsautor schreibt Unterhaltung für Geld und du schreibst deine Geschichte in deinen Worten. Und dein innerer Kritiker wird immer leiser, weil sogar er es langsam rafft und weil du nach und nach die Knoten in deinem Inneren auflöst und ihn damit zum Verblassen bringst.

      Ich kann dir nicht versprechen, dass dieser Prozess einfach sein wird. Es wird schwer und du wirst höchstwahrscheinlich mit vielen Dingen in Berührung kommen, die sehr schmerzhaft für dich sind. Es wird lange dauern. Und ich kann dir nichtmals versprechen, dass du am Ende glücklich und zufrieden sein wirst, denn so läuft das im Leben einfach nicht. Oder vielleicht läuft es genau so und ich habe keine Ahnung – finde es heraus! Ich kann dir nur eins versprechen: Es wird besser. Ehrlich.

      Fangen wir an.

      Kreative Entfaltungsmöglichkeiten

      Was jetzt kommt, ist ein kleiner Streifzug durch verschiedene kreative Bereiche und Techniken. Wieder beschränke ich mich auf das, was ich selbst ausprobiert und als wirksam erfahren habe, denn über alles andere kann ich dir nichts sagen, was du nicht auch in anderen Büchern lesen kannst.

      Generell gebe ich dir hier keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, denn davon halte ich nichts. Solche Tutorials bringen dir bei, ein bestimmtes Motiv zu zeichnen oder eine Leinwand zu gestalten wie irgendein anderer Knilch (in diesem Fall: ich) das tun würde. Wenn es das ist, was du willst, findest du tonnenweise Bücher und Webseiten dafür. Ich aber will dir zeigen, wie du den Mut findest, deinen eigenen Stil zu entwickeln und deine eigenen Themen umzusetzen. Die Techniken und Übungen, die du auf den folgenden Seiten findest, sind deshalb ausdrücklich als Beispiele und Anregungen zu verstehen.

      Ob du alles buchstabengetreu mitmachst, bestimmte Bereiche auslässt oder alles ganz anders machst, überlasse ich dir. Ich möchte dir nur ans Herz legen, alles zumindest mal auszuprobieren. Denn oft hat unser innerer Kritiker eine ganz hinterlistige Art, sein dummes Genöle als kühle Gedanken zu tarnen, damit wir mit einem leichthin gerufenen "Ach, das ist nicht so mein Ding" doch wieder brav zurück in unseren sicheren kleinen Pappkarton der Konformität kriechen. Hier ist also deine erste Gelegenheit, konstruktiv mit deiner Angst zu arbeiten. Halte bei jeder vorgestellten Technik und Übung kurz inne und höre in dich hinein, ob da dein Herz schneller schlägt oder dein Bauch leise grummelt. Hörst du Stimmchen, die so etwas flüstern wie "Das kann ich aber doch gar nicht" oder "Was wird man über mich sagen?“ Dann mach die Übung unbedingt! Denn wenn dich deine Angst davon abhalten will, muss eine Menge Potenzial dahinter stecken. Das heißt nicht, dass du deshalb jeden Tag Wolken zeichnen oder die Tuba spielen musst – das kannst du selbst entscheiden. Aber entscheide unbedingt erst nachdem du es ausprobiert hast. Lass nicht deinen inneren Kritiker entscheiden. Er wird dich immer nur klein halten.

      Ein Wort zu den verwendeten Medien und Materialien: Auch hier stelle ich im Wesentlichen vor, was für mich am besten funktioniert und vor allem, was mir am besten gefällt. Ich weiß aber auch, dass hier die Geschmäcker wirklich weit auseinander gehen. Ich schreibe gern mit der Hand, weil ich das Gefühl der Schreibspitze auf dem Papier mag und weil ich dabei gut nachdenken kann. Ich kenne aber auch viele, die das Schreiben mit der Hand als umständlich oder anstrengend empfinden, und die auf einer Tastatur so schnell schreiben

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