Die Baumeisterin. Barbara Goldstein
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»Könnten?«, lauerte der Prinz.
»... lösen werden«, korrigierte sich Asha.
»Meketre?«
»Ich stimme der Einschätzung meines geschätzten Kollegen Asha zu, mein Prinz. Die Berechnungen von Kamose sind korrekt. Er hat alle maßgeblichen Formeln benutzt und sich nicht verrechnet.«
Nefermaats Gesicht verfärbte sich wie der Sand der westlichen Wüste bei Sonnenuntergang. »Horemakhet?«
»Vergib mir, mein Prinz, aber Asha und Meketre haben Recht. Die Pyramide des Kamose wird nicht einstürzen.«
»Und glaubst du, dass meine Pyramide einstürzen wird?«
»Mit deiner Erlaubnis, mein Prinz: Ich glaube, dass bei dem von dir bevorzugten Neigungswinkel die Gefahr besteht, dass nicht nur die Deckplatten weggesprengt werden, sondern ein Teil der Pyramide selbst weggleiten wird. Kamose hat die wirkenden Kräfte im Pyramidenkern auf dieser Skizze sehr deutlich gezeigt. Bei einem Neigungswinkel von vier zu eins und der Qualität der behauenen Steine, wie ich sie mir vorhin in den Steinbrüchen angesehen habe, befürchte ich, dass die Pyramide wie Hefeteig in sich zusammenfallen könnte. Vielleicht bleibt nur die zentrale Stufenpyramide stehen.«
Prinz Nefermaat war sichtlich enttäuscht, dass keiner seiner hoch bezahlten Berater ihn unterstützte. Aber er beugte sich ihrer Meinung, da er bei einer tatsächlichen Gefährdung des Grabmales seines göttlichen Bruders seine Karriere verwirkt hätte. »Ich entscheide hiermit, dass die äußere Pyramide mit einem Winkel von dreieinhalb zu eins errichtet werden soll, wie der Königliche Bauleiter Kamose vorgeschlagen hatte. Der in dieser Höhe entstehende Knick wird durch Abstützmauern und ein neues, breiteres Fundament aufgefangen.«
Als die Bauexperten das Zelt verlassen hatten, wandte sich Nefermaat erneut an meinen Vater, der sich mittlerweile erhoben hatte. »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Kamose, wenn du dir den Bruder des Königs und den Wesir des Reiches zum Feind machst.«
»Es liegt mir fern, dein Feind zu sein, mein Prinz. Mein Bestreben ist es, den Befehl des Königs auszuführen und die Pyramide stabil zu errichten, damit der Lebendige Gott nach tausend Jahren glücklicher Herrschaft seine Jenseitsfahrt antreten kann.«
Meinen Vater das Lesen und das Schreiben zu lehren war wie einem Fisch zu erklären, dass er sich auf dem trockenen Land wohler fühlen würde. Jeden Tag versuchte ich, ihm die Bildzeichen zu erläutern. Das Lesen ging nach einigen Wochen schon recht gut, aber mit dem Schreiben stellte er sich schlimmer an als ein kleines Kind. Mein Vater entschuldigte sich damit, dass er bereits auf die dreißig Jahre zugehe. Ein alter Mann wie er müsse nicht mehr schreiben lernen.
Nächtelang lasen wir gemeinsam die Baubeschreibungen des Imhotep, die Aperire aus der Bibliothek von Pihuni entliehen hatte. Mein Vater las sehr langsam und konzentriert, und ich hatte jeden Abschnitt bereits zwei Mal überflogen und mir eingeprägt, bis er so weit gelesen hatte, dass ich den alten Papyrus weiterrollen konnte.
Wenn er keine Lust mehr hatte, stöhnte er, rieb sich die Augen und gähnte. Das sollte das Zeichen für mich sein, ins Bett zu gehen. Manchmal zwang ich ihn zu ein oder zwei weiteren Rollenabschnitten, und dann belohnte ich ihn für seinen Fleiß, indem ich klaglos in mein Bett kroch und mir die Decke über den Kopf zog. Das war besser so, denn ich wusste, was geschah, sobald er glaubte, dass ich schlief.
Fast jede Nacht schlich sich Satamun in das Zelt, das wir jetzt bewohnten. Vom Nachbarbett klangen tiefe Atemzüge und unterdrücktes Stöhnen zu mir herüber, obwohl Satamun sich bemühte, leise zu sein, um mich nicht zu wecken. Zwei heiße Körper rieben sich aneinander und schenkten sich gegenseitig Lust. Ab und zu hörte das leise Knarren der gespannten Seile am Bettrahmen auf, dann begann es von neuem in einem anderen Rhythmus. In manchen Nächten fand ich erst lange nach Mitternacht meinen Schlaf.
Am Ende der Flut, zu Beginn seines sechsten Regierungsjahres, besuchte der Lebendige Gott erneut die Baustelle seines Grabmales, bevor er seine Königsbarke zu einer Horusfahrt in das Untere Land bestieg. Die Pyramide hatte ein Drittel der endgültigen Höhe erreicht, und der Göttliche war mit dem Baufortschritt zufrieden.
Als er von der obersten Plattform zurückkam, betrat der König mit seinen Söhnen Rahotep, sechs Jahre alt, und Khufu, fünf Jahre alt, das Zelt meines Vaters und ließ sich auf einem Thronsessel nieder, um sich die Bauzeichnungen zeigen zu lassen. Prinz Rahotep war ruhig und besonnen, Prinz Khufu ein wilder, ungestümer Junge, der während der Besprechung im Bauleiterzelt nicht einen Moment still saß.
Mein Vater kniete mit gesenktem Gesicht vor dem Herrscher und dem Wesir und zeigte ihnen die Pläne. Der König schlug mit dem Krummstab, dem Symbol seiner Macht über die Beiden Länder, gegen das vergoldete Holz seines Reisethrones. »Die Pläne gefallen mir nicht, Nefermaat.«
»Was gefällt Euch nicht, Majestät?«, fragte der Wesir bestürzt.
»Die Form: Die Pyramide ist gar keine geometrische Pyramide, sondern eine riesige Stufenpyramide wie die des Djoser in Sokar, nur eben mit acht Stufen.«
Ich saß still am Zeichentisch und beobachtete Prinz Khufu, der von seinem Stuhl aufgesprungen war, um das Innere des Zeltes zu erkunden.
»So hat das Projektbüro von Anfang an geplant«, wandte Nefermaat ein.
»Das weiß ich selbst! Den ursprünglichen Plan habe ich ja eigenhändig entworfen. Aber es gefällt mir jetzt nicht mehr: Ich will eine wirkliche Pyramide bauen.«
»Ohne Stufen?«, fragte Kamose.
»Ohne Stufen. Ich will, dass die Steinlagen aufgefüllt werden und die fertige Pyramide eine glatte Oberfläche hat. Wie auf den Bauzeichnungen.«
»Die Kalksteinplatten werden bei dem jetzigen Neigungswinkel an der Außenseite der Pyramide nicht halten …«, wandte mein Vater ein.
»Das ist dein Problem«, sagte der König.
»… und die Kosten für dieses Bauprojekt werden ins Unermessliche steigen«, fügte Kamose hinzu.
»Das ist mein Problem«, erwiderte der Herrscher. »Willst du diese Pyramide nun bauen oder nicht?«
Prinz Rahotep saß still auf seinem Stuhl und sah seinem Bruder Khufu zu, der zu mir an den Zeichentisch getreten war.
»Wenn Eure Majestät die Änderung der Baupläne befiehlt, werde ich diese umsetzen«, versprach mein Vater. »Aber ich kann keine Garantie übernehmen, dass die Verkleidungsplatten an der Außenseite halten werden. Dafür ist der Bau der Pyramide nicht konzipiert.«
»Haben wir noch immer das Problem des Neigungswinkels?«, fragte der Lebendige Gott ungeduldig. »Ich dachte, darüber hättet ihr euch endlich verständigt! Zumindest habe ich das dem Baubericht von Prinz Nefermaat entnommen.« Er wandte sich an seinen Bruder. »Ihr habt euch doch geeinigt?«
»Euer Majestät, für mich stellt sich hier ein neues Problem«, führte mein Vater an. »Neigungswinkel hin oder her, aber die jetzige Form der Pyramide mit ihren geplanten acht Stufen hat nicht die Oberfläche, einen solchen Mantel aus Decksteinen aufzunehmen. Die Platten könnten abrutschen, wenn sie nicht sicher verankert werden.«
»Du kannst von mir haben, was du willst, um dieses Projekt zu vollenden.«
»Für die Decksteine