Der Mörder Ihrer Majestät. Martin Cordemann

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Der Mörder Ihrer Majestät - Martin Cordemann

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lassen würden? War ich der größte Massenmörder der Geschichte?

      „…Arnold Zudikas.“

      Das… sagte mir gar nichts!

      Er sah mich fragend an. Ich versuchte, die Schultern zu heben. Es gelang sogar ein wenig. Sein Blick zeigte Verständnis.

      „Ich fürchte, das muss für heute reichen“, sagte er, lächelte mir noch einmal zu und ging mit einem „Besser dich, du Held!“

      Ich würde es versuchen.

      Der Arzt trat in mein Blickfeld.

      „Ruhen Sie sich jetzt aus“, meinte er. „Und probieren Sie später noch einmal, langsam zu sprechen. Wir schicken Ihnen jemanden, der Ihnen dabei hilft, sobald er frei für Sie ist. Sie sind auf dem besten Weg!“

      Ja, das hörte ich ständig. Ich war auf dem besten Weg, auf dem Weg der Besserung, in ein paar Tagen würde ich singen und laufen und tanzen und springen können. Ich war… Arnold Zudikas.

      Es war erschreckend, wie wenig mir das half. Es war kein Name, der irgendeine Reaktion bei mir auslöste. Keine Erinnerungen wurden dadurch geweckt, keine Bilder, nichts. Es war nur ein Name. Es war mein Name, offenbar. Aber er schien mir nichts zu bedeuten.

      Das war fast noch frustrierender, als an das Bett gefesselt zu sein und sich nicht rühren zu können. Da gab es einen ersten Hinweis auf die eigene Vergangenheit, einen möglichen Schlüssel zur Erinnerung – doch der Schlüssel passte nicht. Oder er bewegte sich nicht im Schloss. Nichts passierte. Ich hatte einen Namen, mehr nicht. Arnold Zudikas. Das war ich. Wahrscheinlich. Vielleicht war ich es mal gewesen. Vielleicht verbanden andere Menschen mehr mit Arnold Zudikas, mir kam er schlicht unbekannt vor, fast schon unbedeutend.

      Wer war Arnold Zudikas? War er Zahnarzt? Pilot? Grundschullehrer? Nun, er war ein Held. Zumindest war er das für Mel. Nein, zumindest nannte Mel ihn so. Aber vielleicht war das nur ironisch. Vielleicht war Arnold Zudikas der größte Feigling, den Mel Agis kannte? Vielleicht war ich durch eine große, durch Feigheit ausgelöste Dummheit hier gelandet? Vielleicht zog er mich nur auf damit, dass ich ein Held wäre?

      Ungewissheit! Ständige Ungewissheit! Es war frustrierend.

      „Un“, sagte ich, „ge“, und mühsam „wiss“, Schlucken, „heit!“

      Mein erstes Wort, mein erster Satz, meine erste Aussage. Doch in Wirklichkeit wollte ich sagen: „Fru“, Atmen, „triet!“ Es sollte frustrierend heißen und es war frustrierend, dass ich frustrierend nicht sagen konnte. Arnold Zudikas. Nein, an die beiden Wörter würde ich mich noch nicht heranwagen. Vielleicht ein andermal. Wenn sie eine Bedeutung für mich bekommen hatten. Falls sie jemals eine Bedeutung für mich bekamen!

      Schlimme Träume kamen in der Nacht. War es Nacht? Durch das Fenster schien immer dasselbe fahle Licht. Außer, wenn es die Sonne schaffte, sich durch die matte Scheibe zu stehlen. Wenn es denn die Sonne war. Doch im Moment gab es nichts davon zu sehen oder zu spüren, warm auf der Haut. Nur das Fahl. Und ein wenig Gewitter. Donner. Krieg? Waren es Bomben? Wo fielen sie? Wer warf sie? Auf wen?

      Ja, wir waren im Krieg. Oder? In einem Konflikt. Es war nicht sicher da draußen. Die dunklen Gedanken, das dunkle Gefühl, dass da draußen etwas Ungutes vor sich ging, das mich vor einiger Zeit beschlichen hatte, war zurückgekehrt. Irgendetwas war dort. Die Beklemmung kehrte zurück. Es war… nicht die Welt, von der ich in meiner Jugend gelesen hatte. Nicht diese ganze Science Fiction. Es war… etwas Schlimmes. Oder bildete ich mir das nur ein? Waren das die Alpträume, die sich ihren Weg in mein Bewusstsein suchten?

      Ich atmete langsam durch. Das Gewitter verstummte. Ich kannte meinen Namen. Und doch… hatte ich ein ungutes Gefühl!

      Langsam wurde es besser. Ob es daran lag, dass sie ständig behaupteten, es würde mir besser gehen oder ob die Medikamente endlich ihre Wirkung zeigten, ich wusste es nicht. Wichtig war nur das Ergebnis.

      Ich konnte meine Füße fühlen, meine Hände, meinen Kopf wieder etwas bewegen, sogar mit den Schultern zucken. Meine Aussprache ließ noch zu wünschen übrig, aber ein „Nein“ konnte ich durch Kopfschütteln vermitteln – und ein „Ja“ durch Nicken. Nur mein Gedächtnis ließ noch auf sich warten.

      „Ich habe hier etwas für Sie“, sagte eines Tages der Mann in Weiß, ein Pfleger namens Phil, wie ich inzwischen wusste.

      „Sind es meine Erinnerungen?“ fragte ich, aber ich sagte es nicht laut, denn so weit war ich noch nicht.

      „Für Ihre Genesung“, meinte er und stellte ein kleines Bild auf den Nachttisch. Ein Bild. Wie sollte das bei meiner Genesung helfen? Gut, es brachte ein wenig Farbe in das Weiß in Weiß des Zimmers. Ich versuchte, den Kopf zu drehen und langsam schaffte ich es. Ein Bild… von einer Frau. Und zwei Kindern. Marion. Carl. Steffi. Woher…

      Woher wusste ich die Namen? Woher…

      Gefühle überkamen mich. Warme Gefühle. Ich kannte sie. Marion, Carl und Steffi. Meine Frau und unsere beiden Kinder. Ich kannte sie, ich kannte sie!

      Ich atmete schneller, nicht aus Angst, sondern vor Freude! Ein Gefühl des Glücks hatte Besitz von mir ergriffen. Ich spürte, wie mir innerlich warm wurde, ich spürte, wie sich auf meinen Lippen ein Lächeln bildete. Ja, das war meine Familie!

      „Geht es Ihnen gut?“ fragte Phil besorgt.

      Ich nickte. Besser war es mir lange nicht gegangen. Ich fühlte mich glücklich, erfüllt. Die Leere war verschwunden. Die Gedanken, wer ich war, warum ich hier lag, wofür das alles – alles weg! Ich hatte wieder einen Grund zur Freude, einen Grund zum Leben!

      „Das“, brachte ich mühsam hervor, „Familie!“

      „Ja“, nickte Phil und lächelte. „wusst ich doch, dass Sie das freuen würde!“

      Dann ließ er mich mit meiner Familie alleine. Ich betrachtete das Bild, verschwand förmlich darin. Gefühle übermannten mich. Ich wusste nicht viel über sie, nur ihre Namen – und dass ich sie liebte. Es war wunderbar, sie zu sehen, endlich wieder etwas zu fühlen, endlich wieder das Gefühl zu haben, zu irgendetwas dazu zu gehören. Dass es da draußen etwas gab, jemanden gab, der auf mich wartete – und zu dem ich zurückkehren wollte.

      Die Leere war verschwunden.

      Die Angst war verschwunden.

      Die Unsicherheit war verschwunden.

      Ich lächelte. Meine Familie. Meine Liebe. Mein Ziel.

      Phil, der Pfleger, hatte recht gehabt. Meine Laune besserte sich, mein Lebenswille war wieder da. Aus dem Fünkchen war nun ein loderndes Feuer geworden. Jetzt hatte ich einen Grund, mich anzustrengen, jetzt wollte ich gesund werden, nicht für mich, sondern für sie, um sie endlich wieder zu sehen. Ich strahlte, vor Freude. Es war das schönste Erlebnis seit langem. Glücklich schlief ich ein.

      Mel Agis, mein Freund, ließ mir Nachrichten bringen. Er selbst, sagten die Nachrichten, hatte gerade zuviel zu tun, wichtige Dinge, ich würde das verstehen, wenn ich wieder auf der Höhe wäre, aber er wünsche mir gute Besserung, mir, dem Helden.

      Ich machte gute Fortschritte. Phils kleines Geschenk hatte mir neue Hoffnung gegeben und neue Motivation. Die Übungen, die dazu führen sollten, dass ich meine Arme und Beine, dass ich mich

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