Bautz!. Widmar Puhl
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Was ein Stellenangebot ist, bestimmt im öffentlichen Sprachgebrauch der Arbeitsminister. Er beansprucht die Deutungshoheit für den Begriff und kratzt dabei alles zusammen, was statistisch den Erfolg seiner Arbeit untermauert. Ein Angebot ist nicht dasselbe wie ein faires oder gar ein gutes Angebot. Was aus der Sicht dessen, der eine Arbeit sucht, von der man leben kann, ein Stellenangebot ist, spielt keine Rolle. Der öffentliche Raum ist voll von solchen Sprachregelungen. Und die lassen es meines Erachtens sehr an Ehrlichkeit fehlen. So schön es ist, wenn wieder mehr Menschen in Deutschland erwerbstätig sind, so hässlich finde ich die maßlose Übertreibung, als die sich das Ganze bei näherem Hinsehen entpuppt. Sie ist im Kern unehrlich.
Ein Beispiel aus der Landespolitik Baden-Württemberg: Im April 2007 hielt Günther Oettinger, damals Ministerpräsident von Baden-Württemberg und bekanntlich Christdemokrat, eine Rede am Sarg seines verstorbenen Vor-Vor-Vorgängers Hans Filbinger in Freiburg. Filbinger hatte 1978 zurücktreten müssen, weil seine Mitwirkung an Todesurteilen gegen Deserteure im Zweiten Weltkrieg bekannt geworden war. Statt etwas zu bedauern, hatte Filbinger uneinsichtig erklärt: „Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein“. Dieser Landespolitiker war Oettingers parteipolitischer Ziehvater gewesen, und den wollte er nun mit guten Gefühlen verabschieden. Also nannte er ihn einen „Gegner des Nationalsozialismus“. Nach heftiger Kritik auch in der eigenen Partei musste sich Oettinger von diesen umstrittenen Aussagen distanzieren. Er rettete seinen Kopf, aber er tat nichts gegen die „guten Gefühle“, die er anscheinend immer noch mit seinem historischen Vorbild verbindet.
Viel schlimmer aber ist aus meiner Sicht, dass hier ein mächtiger Politiker versucht hat, mit Halbwahrheiten das Bild der Geschichte zu verändern. Er wollte Macht auch über die Köpfe und das Denken seiner Mitbürger. Deshalb haben sie ihm den Kopf zurechtgerückt. Das hat dieses Mal sogar funktioniert. Aber solche Versuche der Geschichtsfälschung gibt es immer wieder – von allen Seiten. Dass Gerhard Schröder in seinen letzten Monaten als Bundeskanzler noch den ehemaligen KGB-Chef Wladimir Putin als einen „lupenreinen Demokraten“ bezeichnet hat, war ein ähnlicher Fall. Sprachregelungen dieser Art werden entweder übernommen oder nicht. Manchmal lässt sie auch jemand wie einen Versuchsballon steigen und wartet ab, ob sie sich mehr oder weniger geräuschlos durchsetzen.
Mit das Schlimmste, was einem sprachlich und philosophisch sensiblen Menschen passieren kann, der auch noch großen Respekt vor Religionen hat, ist eine Sprachregelung aus der Welt des Islam: Der so genannte „Heilige Krieg“ ist nicht nur ein unerträglicher Euphemismus und eine problematische Übersetzung aus dem Arabischen. Ein „heiliger Krieg“ ist auch ein Widerspruch in sich selbst – sozusagen eine Kriegserklärung an alles, was uns oder den Muslimen heilig ist. Es ist eine Sprachregelung, die ins Klischee vom „Krieg der Kulturen“ passt. Sie macht die Verständigung schwer, wenn nicht gar unmöglich. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass dies beabsichtigt ist.
Im öffentlichen Sprachgebrauch hat diese schlimme Sprachregelung sich bereits durchgesetzt. Ein echter sprachlicher Supergau! Dabei bedeutet das Wort „Dschihad“ zunächst einmal "Anstrengung", und die Definition dieses aktiven "Kampfes" gegen das Böse ist auch unter Muslimen absolut umstritten. Die Unehrlichkeit im Sprachgebrauch liegt darin, mit Floskeln wie "heiliger Krieg" Klarheit vorzutäuschen, wo es keine gibt. Angesichts dieser unheiligen Allianz der Worte sollten Christen und Muslime gemeinsam protestieren.
Schönreden
In Stellenanzeigen wird eine Putzfrau inzwischen meistens „Raumpflegerin“ oder „Hygienetechnikerin“ genannt, aber das ändert nichts an der traurigen Tatsache: Ihr Job bleibt schmutzig und ist mit 8,50 EURO die Stunde schlecht bezahlt. „Putzfrau“ ist kein Beruf mit einem tollen Image. Aber auch wenn das Schönreden etwas daran ändern könnte, würde sich doch dadurch nur das Image ändern, nicht die Arbeit dieser Frau und nicht die Geringschätzung ihrer Dienste.
Schönschwätzer aus Politik und Interessenvertretungen gibt es schon lange, aber seit einiger Zeit scheinen sie Hochkonjunktur zu haben. Immer wieder setzen Lobbyisten, PR-Manager und Medienberater Begriffe in die Welt, die hässliche Tatsachen in einem schöneren Licht erscheinen lassen: „Nullwachstum“ statt Stillstand, „Freisetzung“ statt Entlassung, „Agentur für Arbeit“ statt des frust- und angstbesetzten Wortes „Arbeitsamt“, „Flexibilität“ für das freizeitfressende, kräftezehrende und beziehungsfeindliche Leben unfreiwilliger Jobnomaden oder Pendler: alles bloß verbale Kosmetik an einer unguten Realität.
Auch „Preissteigerung“ klingt wesentlich besser als die gute alte Inflation oder Geldentwertung. Da ist doch immerhin der Begriff „Steigerung“ drin, und das klingt positiv – auch wenn Flutopfer einen steigenden Wasserspiegel gar nicht gut finden. Für mich sind das sprachliche Sünden gegen die Ehrlichkeit, und damit eigentlich Lügen.
Aber Vorsicht, Glatteis: Sünde ist ja nicht gleich Sünde. Früher war diese Bezeichnung allein den Verstößen gegen göttliche Gebote vorbehalten. Aber längst sind auch „Verkehrssünder“ gang und gäbe für Leute wie Sie und mich, die schon mal einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Oder wie sang schon der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch: „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Der Karnevals-Schlager meint: Wir sind alle Sünder, aber nur ein bisschen. Im Grunde sind wir ja ganz o.k., Vollkommenheit wäre übermenschlich. Da hat er Recht.
Mit Karneval hatte die Islamkonferenz bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin allerdings gar nichts zu tun. Doch warum berichtet der Minister dann, man habe da „ein bisschen Tacheles geredet“? Was ist das, „ein bisschen Tacheles“? Bestenfalls doch zum Schmunzeln, wie seinerzeit der Refrain des Schlagers „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe“. Freundliche Augenwischerei eben.
Aber die ist oft weder lustig noch augenzwinkernd freundlich. Verstehen manche Zeitgenossen derzeit unter „Nichtraucherschutz“ nicht eher eine handfeste Diskriminierung der Raucher? Man verbannt sie nicht nur aus Restaurants, sondern auch aus Kneipen und selbst bei Kälte und Nässe auf die Straße. Raucherzimmer? – Fehlanzeige. Rauchende Abgeordnete sollen sich im Parlament in einem Glaskasten mit Dunstabzug vorführen lassen, wie einer auch im Flughafen von Madrid steht. Raucherabteile in Zügen werden auf Befehl von oben abgeschafft, ohne die zahlende Kundschaft zu fragen. So geht das. An dieser Stelle schlägt die Schönrednerei schnell in offene Diffamierung um. Was da mit dem Schlagwort „Nichtraucherschutz“ schöngeredet wird, grenzt schon an eine regelrechte Hexenjagd. Geht man so mit zahlender Kundschaft um, mit steuerzahlenden wahlberechtigten Bürgern? Sicher schädigt Rauchen die Gesundheit, aber Arbeitslosigkeit ist noch viel schädlicher.
Ernst Elitz, der Intendant des Deutschlandfunks, schrieb einmal in einer Sonntagszeitung: „Wenn jede Banalität zur Kultur erklärt wird, kann Kultur nichts mehr wert sein“. Abschreckende Beispiele fand er in verbreiteten Wörtern wie „Gewalt-Kultur“, „Esskultur“, „Körperkultur“, „Haftkultur“ (ja, so nennen manche Leute unseren humanen Strafvollzug) oder „Verwaltungskultur“. Und da Kultur bekanntlich etwas Schönes ist, fallen die Strahlen ihrer Sonne auch auf höchst fragwürdige Dinge, die man mit dem Begriff Kultur eben verbindet. Ich finde diese Unsitte aus der Werbesprache grauenhaft.
Auf Schönfärberei zu verzichten, würde bedeuten, unangenehme Dinge auszuhalten und offen auszusprechen. Ich meine, damit käme man der Wahrheit und der ehrlichen Lösung echter Probleme ein wenig näher. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Respekt vor den Mitmenschen, wenn man sie manipuliert und dumm schwätzt.
„Vermittlungsprobleme“
Als der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den ersten wissenschaftlichen