EQ-Training. Peter Schmidt
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5 Wozu leben wir?
Haben Sie sich jemals gefragt, wozu man sich »abrackert«? Warum man Schmerzen, Krankheiten, Anstrengungen und Sorgen auf sich nimmt? Natürlich, wer hat das nicht. Diese Frage geht oft zusammen mit Erwägungen über den Sinn des Lebens.
Ihre Antwort war vermutlich nicht, dass Sie es so ungemein angenehm finden, zu leiden. Wenn Sie weder besonders neurotisch noch masochistisch sind, sollte das Leiden keine Anziehungskraft für Sie besitzen. Sondern da ist etwas in Ihrem Leben – oder zeigt sich doch gelegentlich –, das es lohnenswert macht oder zumindest lohnenswert erscheinen lässt. Ohne solche Werte oder Werterfahrungen wäre Ihr Lebenswille nur mechanisch, gewohnheitsmäßig und irrational.
Sie würden sich mit Recht fragen, wozu Sie eigentlich leben. Dann handelte es sich tatsächlich, wie der Philosoph Schopenhauer meinte, um den bloßen Willen zum Leben.
An dieser Stelle ist ein wenig Sorgfalt erforderlich. Es reicht nicht aus, im gewohnten Alltagsdenken zu verharren, wenn wir eine weitreichende innere Veränderung und Befreiung von unnötigen negativen Erfahrungen erreichen wollen.
Ist es möglich, so fragen wir in einem ersten vorbereitenden Schritt, der uns eine wichtige Grundeinsicht des EQ-Trainings vermittelt, in allgemeingültiger Weise das zu bezeichnen, was das Leben lebenswert, d.h. »wertvoll« macht, also seinen Wert und möglicherweise auch seinen Sinn darstellt? Und ist es vielleicht sogar denkbar, diesen Faktor für alle Menschen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen?
Sollte es möglich sein, einen gemeinsamen Nenner des Wertvollseins zu finden, dann könnte dies sehr vereinfachend auf unseren künftigen Umgang mit unseren überall gegenwärtigen mentalen Problemen wie Angst, Spannung, Unbehagen, Sorgen, Minderwertigkeitsgefühlen, Langeweile, Eifersucht usw. wirken.
Wir hätten es nämlich nicht mehr mit einer unüberschaubaren Fülle individueller Gedanken und Probleme zu tun, sondern nur mit zwei wesentlichen Faktoren: dem Wertvollen, dem »Positiven«, dessen genauen Charakter wir allerdings erst noch bestimmen müssen – und umgekehrt mit seinem Kontrahenten, dem »Negativen«.
Dass die meisten Dinge nicht neutral sind, sondern uns in irgendeiner Weise wertvoll erscheinen – also nützlich, attraktiv, anziehend, schön, gut, unterhaltsam oder umgekehrt wertlos, also unnütz, schädlich, unangenehm, abstoßend, hässlich, böse, langweilig und so weiter –, ist eine jedermann geläufige Tatsache. Aber außer den Philosophen denkt kaum jemand über diesen merkwürdigen Sachverhalt nach.
Was ist das »Wertvollsein«?
Dem Alltagsmenschen ist die Frage nach dem Wertvollen als genereller Begriff gewöhnlich fremd. Da er nicht überblickt, welche Folgen seine bewusste (oder auch unbewusste) Auffassung für seine seelische Gesundheit, für sein Glück und seinen Erfolg hat, hält er solche Fragen meist für überflüssig, wenn nicht sogar für unbeantwortbar.
Und in der Tat ist die Bedeutung derartiger Ansichten für unser Leben ja auch nicht ohne Weiteres ersichtlich.
EQ-Training zeigt Ihnen, inwiefern solche zu simplen Alltagsauffassungen als »Gedankenkäfige« wirken und wieso sie uns an einem erfüllten und positiven Leben hindern.
Erst wenn der Fehler erkannt ist, der uns zu falschen Schlüssen über unser Leben mit all den damit verbundenen emotionalen Nachteilen verführt, wird es möglich, ein wichtiges Moment des EQ-Trainings – nämlich das Wertvollsein selbst – zum Gegenstand der Übung und Veränderung zu machen.
Unser weltanschaulicher Fehler ist im Grunde recht simpel, stellt aber ein fast nicht ausrottbares Vorurteil dar: Gewöhnlich nimmt der Alltagsmensch die Dinge für das Wertvollsein selbst und setzt sie ihm gleich.
Unter »Ding« ist hier alles zu verstehen, was überhaupt vorkommt. Also nicht nur konkrete Gegenstände, sondern auch Eigenschaften, Beziehungen, Verhältnisse, Entwicklungen. Und dazu zählen alle Arten von Wahrnehmungen und Erfahrungen, also auch Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen.
Lediglich in solchen geflügelten Worten wie »Schön ist was gefällt« oder »alles Geschmacksache« spiegelt auch die Alltagssprache einen gewissen Zweifel an der schlichten Gleichsetzung von Wertvollsein und den Objekten wider, die als wertvoll oder wertlos erlebt oder beurteilt werden. In ähnlicher Weise wird deutlich, dass die Dinge unmöglich allein das sein können, was unsere Werterfahrung ausmacht, wenn wir sagen, wir hätten zu irgend etwas »keine Lust« oder seien nicht »in der Stimmung« dazu.
Hier zeigt sich bereits deutlich die Abhängigkeit unserer Werterfahrung von einer subjektiven Komponente. Aber was ist diese Komponente?
6 Leben ohne Gefühle?
Stellen wir uns den Bewohner eines fremden Planeten vor, der nur über eine fotografische Abbildung der Wirklichkeit verfügt. Seine Wahrnehmung gleicht im Prinzip den Aufnahmen einer Filmkamera. Der Bewohner dieses fremden Sterns kehrt abends genauso wie wir von der Arbeit heim, um seinen Feierabend zu genießen …
Hier sollten wir umgehend protestieren und feststellen, dass dies gar nicht möglich ist. Man genießt seinen Feierabend nicht, wenn man nur fotografisch wahrnimmt. Man nimmt wahr, nichts weiter. Jemand, der lediglich abbilden kann, hat keine Werterfahrungen und kann folglich auch nicht seinen Feierabend genießen. Woran liegt das? Was fehlt ihm zu seinem »Glück« oder »Unglück«?
Der Grund für sein fehlendes Wertempfinden liegt darin, dass er keine Gefühle besitzt.
Statten wir unseren Bewohner eines fernen Planeten nun noch zusätzlich mit den übrigen Sinneswahrnehmungen wie Hören, Riechen, Schmecken und Empfindungen aus (Tastsinn, Wärme, Kälte usw.), so ändert das auch nichts daran, dass er seinen Feierabend immer noch nicht genießen kann.
Sein Genuss liegt niemals nur allein darin, dass er Töne hört und Gerüche wahrnimmt oder etwas als kalt oder warm erkennt. Dieselbe Wärme von – sagen wir zwanzig Grad – kann je nachdem als angenehm oder unangenehm empfunden werden.
Angenehm- oder Unangenehmsein sind also Faktoren, die sich von der Empfindung – wie auch von allen anderen Wahrnehmungen – unterscheiden.
Genau diesen Faktor, diesen Aspekt in unseren Erfahrungen, nennen wir – neben weiteren Tönungen unserer Erfahrung, wie z.B. Lustigsein, Fröhlichsein, Schaurigsein – »Gefühl«.
Das Angenehm- oder Unangenehmsein, das sich in den Gefühlen zeigt, kann alle Arten von Wahrnehmungen begleiten: also auch Sinneswahrnehmungen und Körperempfindungen, Erinnerungen und Vorstellungen.
Fügen wir nun den Fähigkeiten unseres Außerirdischen als weitere Komponente noch das Denken hinzu. Ändert sich etwas an seiner Genussfähigkeit, wenn er imstande ist, über die Dinge nachzudenken?
Nein, denn er kann denken, was immer er will. Er kann sein Denken in die Form eines Werturteils bringen, wie etwa: »Dies ist ein wundervoller Feierabend, und ich