Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang Schneider
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„Det mit de Haut von de Weißworst is ava ne janz schön umständlischet Jeschäft“, meinte der dritte Rheinländer, „bisse de Worst osjezoge has', is de äjskalt!“ Die drei lachten herzhaft, als sich plötzlich und unvermutet der Alte neben Sedlmeyer einschaltete:
„Muasdas hoit zuzln, dei Weißwurscht!“. Das schlug ein wie eine Bombe. Alle drei Rheinländer verstummten und sahen den Alten verdattert an. Der hob mit einem Zwinkern sein Weißbierglas und prostete ihnen zu. Die drei sahen sich ratlos an, und Sedlmeyer grinste in sich hinein. Er überlegte kurz, ob er den Zusammenprall der Kulturen so stehen lassen sollte, dann hob er zu einer Erklärung an:
„Das bedeutet gewissermaßen, den Inhalt aus der Wurst heraus zu saugen, ohne die Haut zu entfernen. Zuzeln eben“. Die Rheinländer sahen ihn fassungslos und leicht angewidert an.
So ging das ganze noch eine Weile weiter. Die Rheinländer erholten sich schnell von ihrem Kulturschock, was auch dem Umstand zu verdanken war, dass sie ihre aktuelle Mass mittlerweile zügig leer getrunken und drei neue bekommen hatten. Sedlmeyer, dessen Beruf zu großen Teilen darin bestand, seinen Mitmenschen durch geschicktes fragen Informationen zu entlocken, hatte schnell herausgefunden, dass die drei aus Köln kamen und ein paar Tage in München Urlaub machten, bevor sie nächsten Donnerstag nach Klagenfurt weiter fahren würden, wo sie Karten für das EM Spiel Deutschland – Kroatien hatten. Zu Sedlmeyer's leichtem Unbehagen wanderte das Gespräch darauf hin schnell wieder zum Fußball zurück, aber er konnte immerhin mit der Tatsache punkten, dass er früher „selber mal Fußball gespielt“ hatte. Das ganze war allerdings dreissig Jahre her, er war damals acht oder neun gewesen und auch bald wieder aus dem Verein ausgeschieden, nachdem er auf's Gymnasium übergetreten war. Immerhin konnte er seine Idole von damals auffahren, Michael Rummenigge oder Roland Wohlfarth, die den deutlich jüngeren Rheinländern allerdings nur schemenhaft bekannt waren. Die waren jedoch begeistert, einen „Vereinskollejen“ am Tisch zu haben und erläuterten ihm, selbst in einer Kölner Freizeit-Mannschaft Fußball zu spielen. Ihm wurde auch die Philosophie dieses Vereins nahe gebracht, die in erster Linie darin bestand, Spaß zu haben und gegebenenfalls nach den Spielen mal „det ejne oder andere Kölsch“ trinken zu gehen und dass der Verein aus diesem Grund auch den Namen „Dynamo Tresen“ trage. Der grantige Weißbiertrinker hatte all dem mit stoischer Gelassenheit zugehört und sich nach seinem Weißwurst-Tip nicht mehr zu Wort gemeldet.
Eine Wohnung in Allach
Samstag, 7. Juni 2008, 18:50
Die Frau fluchte und riss hektisch eine Küchenschublade auf. Hier musste irgendwo noch eine halbvolle Schachtel Zigaretten sein. Sie hatte bereits die halbe Wohnung auf den Kopf gestellt, sogar im Badschrank hatte sie nachgesehen, obwohl die Chancen hier eher gering waren. Eigentlich hatte sie schon längst mit dem Rauchen aufgehört – streng genommen immer wieder. Den ersten erfolgreichen Versuch hatte sie damals während der Schwangerschaft gemacht, das hatte immerhin sieben Jahre ohne Rückfall funktioniert, wenn man mal von den einzelnen seltenen Ausrutschern absah – hier im Fasching mal eine, dort mal eine zum Weißwein wenn die Gesellschaft besonders nett war. Was ihr anfangs die größten Probleme bereitet hatte, waren die Ritualzigaretten: morgens eine zum Kaffee, eine mit den Kolleginnen in der Pause oder die Genuss-Zigarette nach einem besonders gelungenen Essen. Die berühmte „Zigarette danach“, stilecht schnaufend und zerzaust im Bett, hatte ihr dagegen nie wirklich gefehlt. Dass sie nach sieben Jahren wieder rückfällig geworden war, hatte mit der Trennung zu tun gehabt. Die war zwar alles in allem ganz zivilisiert abgelaufen, keine Schlammschlacht, kein Krieg um das Sorgerecht für Jasmin, sie hatten das ganze einvernehmlich geregelt und waren stolz und erleichtert gewesen, so erwachsen gehandelt zu haben. Allerdings sah sie sich damals natürlich schlagartig einer völlig neuen Lebenssituation ausgesetzt, und zwar in finanzieller, organisatorischer und emotionaler Hinsicht. Und da hatte sie wieder zugeschlagen, die alte Sucht. Sie hatte früher mal ein Märchen gelesen, sie erinnerte sich nur noch undeutlich, die Geschichte drehte sich jedenfalls um den Teufel, der jemandem die Seele abschwatzen wollte und diesen jemand dazu raten ließ, welche Pflanzen er wohl auf seinem Feld anbaue. Und was der Teufel da anbaute, war Tabak. Und der Teufel war zu ihr gekommen, damals, nach der Trennung, als ihr der Stress zuviel geworden war und hatte ihr seine Pflanzen wieder schmackhaft gemacht. Nach ein, zwei Jahren hatte sie sich dann wieder in den Griff bekommen, war aber seither immer mal wieder rückfällig geworden. Und jetzt, heute, waren alle Dämme gebrochen.
In der hintersten Ecke einer Küchenschublade fand sie endlich, was sie suchte, eine halbvolle Packung Lucky Strike, das Feuerzeug steckte praktischer Weise mit in der Schachtel. Sie öffnete den Deckel, holte eine schon ziemlich trockene Zigarette heraus und versuchte, sie anzuzünden. Sie zitterte so stark, dass es ihr erst beim dritten Versuch gelang; Feuerzeug und Schachtel legte sie anschließend geistesabwesend auf den Herd. Dann ließ sie sich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen und schaute mit glasigem Blick an die Wand. Aus dem benachbarten Wohnzimmer tönte der Fernseher herüber, Bayerisches Fernsehen, die Rundschau mit den Lokalnachrichten:
„...Noch immer gibt es keine neuen Erkenntnisse im Fall der vor drei Wochen verschwundenen Schülerin Laura S. Ein Sprecher der Münchner Kriminalpolizei teilte in einer Pressekonferenz mit, man werte derzeit alle sachdienlichen Hinweise mit höchster Priorität aus, konkrete Ergebnisse könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht vorlegen. Die vierzehnjährige Realschülerin war vor drei Wochen als vermisst gemeldet worden, seither fehlt jede Spur des Mädchens. Dies ist der erste Fall einer mutmaßlichen Kindesentführung in München seit...“
Die Frau stand auf, zog eine Untertasse aus dem Küchenregal und drückte die kaum angerauchte Zigarette darauf aus, dann stellte sie den provisorischen Aschenbecher gedankenlos in die Spüle. Sie ging zum Küchenfenster und öffnete es, fächelte mit der Hand Frischluft hinein und die verrauchte Luft hinaus. Dann ging sie zum Herd, nahm eine weitere Zigarette aus der Packung und zündete sie mit zitternden Händen an. Sie griff zum Telefon und wählte eine Nummer. Am anderen Ende meldete sich eine Männerstimme:
„Hallo, was gibt’s?“
„Hi Gianni, ich bin's, ich weiß nicht was ich machen soll, die Jasmin ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen.“
„Hast du versucht, sie anzurufen?“
„Natürlich hab ich versucht, sie anzurufen, glaubst du ich bin bescheuert?“
„Und?“
„Geht nicht ran. Gianni, ich glaub, da ist was passiert!“ Die Stimme der Frau begann brüchig zu werden, eine Träne lief ihr die Wange hinab.
„Jetzt mach dir mal keine Sorgen, das muss noch gar nichts heißen.“
„In den Nachrichten haben sie gerade nochmal die Entführung von diesem anderen Mädchen gebracht. Ich hab solche Angst, Gianni, ich kann nicht mehr.“ Sie begann zu schluchzen.
„Ob das eine Entführung war, wissen die doch noch gar nicht, jetzt beruhig dich erst mal!“ Die Frau sagte nichts, sie weinte stumm ins Telefon.
„Hallo, bist du noch dran?“ Die Frau sah sich suchend um, dann entdeckte sie die provisorische Aschenbecher-Untertasse, die sie vorher in die Spüle gestellt hatte und drückte ihre Zigarette aus. Dann sagte sie mit zitternder Stimme:
„Was soll