Vornehme Geschwister. Catherine St.John

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Vornehme Geschwister - Catherine St.John

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Einen neuen blauen Schal konnte man vielleicht auch aus den Resten des blauen Rocks… nein, das Material eignete sich nicht.

      Mit solchen Gedanken und Tätigkeiten war sie bis zum Lunch auf das Netteste beschäftigt und erst, als sie ihren Vater hörte, wie er jemanden anbrüllte, erkannte sie, dass auch Horace sich eingefunden haben musste. Ach, wie ärgerlich!

      Horace war unangenehm, fand sie. Sicher, Mama und Diane waren anstrengend, aber doch im Kern sympathisch – aber Horace? Horace schien zu glauben, alle anderen seien zu seiner Bedienung oder seinem Vergnügen da. Als kleines Mädchen hatte sie ihn sehr hübsch gefunden, obwohl er sie nie beachtet hatte, aber mittlerweile sah er bleich und teigig aus, die Augen waren oft blutunterlaufen und die Nase hatte ihm einmal jemand gebrochen. Wer und warum, wusste sie nicht, aber wie sie Horace kannte, hatte er es redlich verdient.

      Nun, dann musste sie sich wohl zum Lunch einfinden! Lizzie frischte ihre Frisur auf und versprach, die bezeichneten Nähte weiter aufzutrennen, bevor das Personal seinen Lunch einnahm.

      Tatsächlich saß Horace schon am Tisch, als sie eintrat. Sie schenkte ihm einen knappen Knicks und setzte sich. Bei ihm reichte es nur für einen müden Blick.

      Die Herzogin zeigte Besorgnis. „Mein lieber Junge, fühlst du dich nicht wohl? Du siehst sehr blass aus, du wirst doch wohl nicht krank werden? Gegen die Pocken seid ihr ja alle geimpft, glücklicherweise, aber vielleicht hast du dich auf der Reise erkältet? Cora, fühle doch bitte, ob der liebe Horace Fieber hat!“

      „Ganz gewiss nicht!“, verwahrte sich Cora, denn Horace machte ganz den Eindruck, als habe er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen.

      „Nein, Mirabella, das ginge dann doch wirklich zu weit!“, verfügte der Herzog.

      „Ich bin sicher, Horace hat nur einen ordentlichen Kater“, stellte Vergil fest und grinste seinen älteren Bruder etwas hämisch an.

      „Einen Kater?“ Die Herzogin sah verblüfft aus. „Horace? Aber nicht doch!“

      Vergil und sein Vater husteten kurz. Diane verarbeitete offenbar das Gehörte noch und Cora hüllte sich in Schweigen. Der Geruch nach schalem Alkohol drang bis zu ihrem Platz und verdarb ihr den Appetit.

      Immerhin aß sie von jedem Gang einige Bissen und alles, was ihr als Dessert präsentiert wurde, um sich für die Näharbeiten zu stärken.

      „Ich brauche Geld“, verkündete Horace dann in dem schleppenden Ton, den er offenbar für elegant hielt, und schob sein Schokoladentörtchen auf dem Teller hin und her.

      „Du weißt ja, was wir vereinbart haben“, antwortete sein Vater, der mit gutem Appetit aß. „Du bist der Marquess of Vilmont und verfügst über die Einkünfte aus deinem Marquisat. Solltest du wieder Spielschulden bei Stafford haben – oder andere Schulden – finanzierst du das gefälligst aus deinen eigenen Einkünften!“

      „Stafford!“, schnaubte Horace, nun eher ungeziert. „Wenn es nur das wäre!“

      „Dann lass das Spielen.“

      „Vor allem, wenn man so ungeschickt spielt wie du“, konnte Vergil sich nicht zurückhalten.

      „Wenn du so hohe Einkünfte hast, dann leih mir zweitausend Pfund“, schlug Horace seinem Bruder vor.

      „Ganz gewiss nicht“, wiederholte dieser Coras Ausspruch von vorhin, „meine Einkünfte investiere ich in meinen eigenen Besitz. Deiner ist sehr viel größer – und zweitausend Pfund? Davon könnten mehrere Familien bequem ein Jahr lang leben!“

      „Bauernfamilien!“, warf die Herzogin ein. „Unsereiner hat doch wohl die Verpflichtung, einen etwas repräsentativeren Lebensstil zu pflegen.“

      „Wenn unsereiner die Mittel dafür hat, sollten Sie hinzufügen, liebe Mirabella“, widersprach der Herzog und winkte einem Diener, dass er ihm nachschenke.

      „Ansonsten sollte auch unsereiner seinen Lebensstil nach seinen Einkünften einrichten. Und daran fehlt es in dieser Familie noch weit.“ Der Herzog warf Horace und Diane einen strengen Blick zu, der aber nicht weiter registriert wurde. Cora bezähmte sich und sah die beiden nicht an, Vergil dagegen lachte auf und Horace wandte sich ärgerlich an seinen Vater: „Ich möchte wissen, was das jetzt plötzlich zu bedeuten hat, Sir. Sie spielen doch auch? Und das nicht gerade erfolgreich?“

      Man sah dem Herzog an, dass er diesen Vorwurf als unverschämt empfand, aber er zwang sich zu einer ruhigen Antwort: „Ich habe das Spiel schon sehr eingeschränkt, weil Gaveston solche Ausgaben nicht mehr tragen kann. Und ich habe stets nur in wirklich angesehenen Clubs gespielt und um sehr mäßige Einsätze. Kannst du das von dir auch sagen?“

      Horace brummte etwas Unverständliches; Cora glaubte allerdings, das Wort langweilig gehört zu haben.

      Nach dem Essen, bei dem er dem Wein sehr zugesprochen hatte, verkündete Horace, er werde nach London zurückkehren. „Hier gibt es ja nichts zu tun und ich muss versuchen, in London Geld aufzutreiben.“

      Der Herzog hob eine mahnende Hand. „Du denkst daran, dass Vilmont zum Fideikommiss gehört? Du kannst es weder verkaufen noch beleihen. Und es auch nicht als Sicherheit einsetzen. Ansonsten machst du dich des Betrugs schuldig.“

      „Na und? Ich bin doch nicht irgendwer!“

      „Nein“, antwortete Vergil, „du bist der berüchtigste Tunichtgut der Londoner Gesellschaft. Wirklich ein vornehmes Prädikat!“

      Horace grinste etwas verschwommen. „Dein kleines Gut gehört nicht zum Fideikommiss, oder?“

      Vergil fuhr so auf, dass sein Stuhl umfiel. Im nächsten Moment hatte er Horace an der Kehle gepackt, sodass dessen Halstuch unrettbar ruiniert war. „Wenn du meinen Besitz antastest, bringe ich dich um. Oder“, er legte eine dramatische Pause ein, „ich setze in alle wichtigen Zeitungen eine Annonce, dass mein bankrotter Bruder weder Gaveston noch Vilmont noch Thurston Grange beleihen oder verkaufen kann. Dann musst du dich London nicht mehr blicken lassen!“

      Horace schnappte nach Luft und sah hilfesuchend zum Herzog, aber der hatte sich zurückgelehnt und nahm gerade, das Schauspiel interessiert betrachtend, zierlich eine Prise.

      Vergil ließ seinen Bruder los, nicht ohne ihm genügend Schwung zu verpassen, dass er, rückwärts stürzend, auf dem Hinterteil durch das halbe Speisezimmer rutschte. „Das wirst du bereuen!“, fauchte dieser kurz vor der Tür, rappelte sich ungelenk auf und verschwand türenknallend.

      „Dann sollte ich dieses Schreiben wohl aufsetzen“, verkündete Vergil. „Sie werden die Briefe freimachen, Sir?“

      „Gewiss. Du würdest deinem Bruder aber doch kein Leid zufügen?“

      Vergil grinste. „So dumm, ihn zu erschießen, bin ich nicht, dafür würde ich ja in Newgate gehängt!“

      „Das beruhigt mich. Aber mit Horace wird es noch ein übles Ende nehmen…“

      Kapitel 2

      „Wirklich, Gabriel“, wiederholte die verwitwete Viscountess Hartford, entspannt auf dem blausamtenen Sofa im türkischen Salon ihres Stadthauses am Berkeley Square sitzend.

      Der so Angesprochene seufzte und sah sich in der blaugoldenen

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