Winger. Peter Schmidt

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Winger - Peter Schmidt

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meine ich, dass ich nun mal hoffnungslos Ihrem weiblichen Charme verfallen bin und dass ich alles für ein kleines Lächeln von Ihnen tun würde."

      Während des Essens hatte ich das Gefühl, sie dächte zu lange über meine Worte nach. Vielleicht kam sie dabei ja auch nur zu dem Schluss, der Konsumrausch sei doch nicht der Weisheit letzter Schluss und dass sie ihr königliches Baldachinbett in irgendeiner Nobelvilla nur dem Schweiß einiger folgsam mit ihren Henkelmännern zum Werkstor pilgernden Mitmenschen zu verdanken hatte.

      Was auch immer in ihrem hübschen Köpfchen vorging, während sie die Wachtelbeine auf dem Teller mit der Gabel zerfetzte – sie war so tief in Gedanken versunken, als gebe es mich gar nicht.

      Schließlich hob sie den Kopf und sah mich überrascht an.

      "Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass Sie mir so unverblümt den Hof machen. Das kompliziert unsere Zusammenarbeit."

      "Und aus welchem Grund? Es gibt Menschen, die dazu noch eine ganz altmodische Beziehung haben."

      "Weil ich allergisch gegen schmierige kleine Liebesaffären bin. Weil sie oft auf dunklen Parkplätzen enden."

      "Dann scheinen Sie schlechtere Erfahrungen als ich gemacht zu haben. Ich beende meine Liebesaffären immer in passender Umgebung."

      Sie warf mir einen amüsierten Blick zu. "Wenn das Ihr ganzes Repertoire ist, Winger, um kleine Mädchen rumzukriegen, sollten Sie mal die Methode wechseln."

      "Würden Sie mir jetzt gefälligst mitteilen, um welche Art von Zusammenarbeit es sich handelt?"

      "Ich dachte, es genügt, wenn ich Sie als Leibwächter engagiere?"

      "Nehmen wir mal an, es würde tatsächlich genügen. Dann sollten Sie mir wenigstens sagen, wer es auf Sie abgesehen hat. Und zwar aus ganz praktischen Gründen. Weil ich mich darauf einstellen kann. Weil ich dann nicht bei jeder Nonne in der Menge argwöhnen müsste, der Vatikan habe sie mit einem Klappmesser auf Sie angesetzt."

      Linda sagte, sie wolle meinen Ratschlag beherzigen und darüber nachdenken. Aber dafür brauche sie ein paar Tage. Weil es nämlich ein besonderes Stück Story sei, und vielleicht sogar noch etwas mehr, und wenn irgend jemand – gar nicht mal aus böser Absicht, sondern nur aus Nachlässigkeit – davon erfahre, lande ihre Geschichte mit tödlicher Sicherheit bei der Konkurrenz. Sie sprach das Wort "tödlich" so aus, als habe es die Härte und Durchschlagskraft eines Neunmillimetergeschosses.

      3

      Die Stadt war schon seit langem ein Zwitter, eine seltene Mischung aus Biederkeit und hinterhältiger Grausamkeit. Ich habe zu viele ihrer Hinterhöfe gesehen, zu viele geheime Keller, Bars und Klubs für Mitglieder, Zimmer hinter Tapetentüren in schäbigen kleinen Hotels, Zockerklubs hinter Rezeptionen, wo man eigentlich nur eine Abstellkammer vermuten sollte.

      Und nirgendwo findet man öfter jenen Typ von bleichen verwirrten Drogensüchtigen, die so unerwartet nach einem schmalen Flur oder Tordurchgang auftauchen wie ein Rottweiler, der einem ans Hosenbein will.

      Aber wenn man seine Koffer packte, kam man damit nicht automatisch schon an einen Ort, der einem das Gefühl verschaffte, zur Ruhe zu kommen.

      Solche Orte gibt es überhaupt nicht – vielleicht am Amazonas, in irgendeiner Waldidylle, an einem der kleinen Kahlschläge auf dem Ufer mit einfachen Pfahlbauten und Dächern aus Palmwedeln, wenn die Moskitos noch darüber nachdenken, ob sie lieber nach Süden oder nach Norden ziehen sollen und jedenfalls die Dämmerung oder einen Schweißausbruch für ihre Attacken abwarten, denn was uns die Experten über die grüne Hölle weismachen wollen, ist nichts weiter als ein verzerrtes Bild aus Abenteuerbüchern.

      Eine amerikanische Kleinstadt signalisiert einem sofort, jemand könnte einem an der nächsten Straßenecke eine runterhauen, nur weil es ihm gerade so eingefallen ist, selbst wenn sie gepflegte kleine Vorgärten und sauber gestrichene Garagentore besitzt, und das hat etwas von ehrlichem Bekenntnis zur Gewalt. Die Bedrohung hängt wie eine große gut lesbare Ankündigung am klaren blauen Himmel.

      In Frankfurt sehen selbst die Drogensüchtigen so aus, als seien sie auf dem Wege zur Gesprächstherapie, und dann rammen sie einem an der nächsten Telefonzelle wegen des Wechselgelds ein Messer in die Nieren.

      Linda schien mich bei ihren mysteriösen Streifzügen genau in jene Etablissements zu schleppen, mit denen ich schon einmal auf unsanfte Art und Weise Bekanntschaft gemacht hatte.

      Das Eduardo im Bahnhofsviertel war eine jener Bars der Größe und Weitläufigkeit, die an ein mittleres Spielkasino erinnern, obwohl sie von der Straßenseite aus eher bescheidene Maße hatte.

      Kein dunkler Schlauch der alten Art mit Séparées und stromlinienförmigen Damen an der Theke, die auf ein Getränk eingeladen werden wollen, das nach Cognac aussieht, aber wie Tee schmeckt, sondern eine neue Erfindung, bei der man nie weiß, ob es sich nicht doch nur um eine Billardhalle oder Peepshow, einen Laden für Ehehygiene oder einen Spezialitätenimbiss handelt. Weil sie nämlich alles zugleich sind und es noch gar keinen Namen dafür gibt. Oder ob es eigentlich nur darum geht, den paar großen dunklen Hinterzimmern zur Hofseite eine undurchsichtige Fassade zu geben.

      Meiner Meinung nach war Eduardo gar kein echter Portugiese, sondern stammte aus einem Dorf südlich von Casablanca. Aber ein marokkanischer Pass würde der Freizügigkeit in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft empfindliche Grenzen setzen.

      Sein Gesicht war alles andere als afrikanisch, was hätte ihn also daran hindern sollen, dieser Legitimation für den europäischen Markt durch geeignete Papiere nachzuhelfen? Portugiesische Pässe mit Beglaubigung der Behörden in Lissabon und einem amtlichen Auszug aus dem örtlichen Taufregister, der kostenlos beigefügt wird, kann man, wenn man in der Stadt die richtige Adresse kennt, für weniger als tausendfünfhundert bekommen.

      Mit einer Einschränkung: Es dürfen keine Hunderter aus dem Farbkopierer sein, weil man die an derselben Stelle für dreißig Mark kaufen könnte. Das Geschäft würde sich sonst nicht rechnen.

      Eduardos Geschäftsführer mochte mein Gesicht nicht. Eduardos Geschäftsführer mochte überhaupt keine Gesichter, wenn sie es darauf anlegten, ihre Nasenspitzen in Eduardos Hinterzimmer zu stecken. Aber das war nun einmal meine gottverdammte Aufgabe gewesen, nachdem ich darauf eingegangen war, für einen geschäftlichen Konkurrenten Eduardos nachzuweisen, dass Eduardo lieber schleunigst in sein Heimatdorf an der marokkanischen Atlantikküste zurückkehrte.

      Eduardo hatte das gar nicht gefallen, seinem Geschäftsführer nicht und mir auch nicht. Darin waren wir uns alle einig gewesen. Soviel Einigkeit ist selten. Trotzdem hatte sie Eduardos Geschäftsführer Balwin ein paar Tage Bettruhe und Erholung eingetragen.

      "Müssen wir wirklich ins Eduardo?“, fragte ich. "Sind Sie da sicher, Linda?"

      Wir standen auf der Straße neben dem Eingang, und Linda trat ans Schaufenster und versuchte zwischen den grünen Vorhängen aus Plastikfolie einen Blick ins Innere des Lokals zu werfen.

      "Sie war hier", sagte sie und wiegte nachdenklich den Kopf. "Das ist das letzte, was ich über sie herausbekommen habe."

      "Wer war hier?"

      "Das Mädchen vom Phantombild."

      "Herzlichen Dank, dass Sie sich jede Silbe über den Fall einzeln entreißen lassen wollen, Linda. Das macht die Sache etwas spannender für mich. Mein Leben ist

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