Winger. Peter Schmidt
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"Was haben Sie gerade gesagt?“, fragte Linda und sah mich entgeistert an.
"Schon gut. Versuchen Sie gar nicht erst, das in einfaches Alltagsdeutsch zu übersetzen."
"Sie mich auch ..." sagte sie erbost und stellte sich mit in die Hüfte gestemmten Armen vor mich hin. "Nun hören Sie mir mal gut zu, Winger. Ich zahle Ihnen hundertfünfzig am Tag, damit sie mich unterstützen und nicht weil ich scharf drauf wäre, dass Sie mir mit Ihren Kommentaren auf den Wecker gehen. Wenn Sie der Fall langweilt oder wenn Sie meine Methode in Zweifel ziehen, dann ..."
In diesem Augenblick flog die Schwingtür auf, und Balwin kam in seinem albern wippenden Gang heraus – albern wippend, weil er größer wirken wollte und hochhackige Schuhe mit schweren Absätzen trug, die mich immer an spanische Toreros erinnerten. Obwohl ich gar nicht sicher war, ob ein Torero damit in der Arena überhaupt eine Chance gehabt hätte. Er hielt zwei Aktenmappen unter dem Arm und in der rechten Hand eine schwere Ledertasche, als sei er Vertreter.
"Winger?" flüsterte er fast lautlos und sah mich ungläubig an. "Welcher Teufel reitet Sie denn, dass Sie sich immer noch in der Stadt aufhalten?"
"Hundertfünfundsiebzig", sagte ich an Linda gewandt. "Oder ist mein Kurs wegen meines kleinen Schwächeanfalls gestern Abend um fünfundzwanzig gefallen?"
Linda steuerte wortlos auf den Eingang zu und drückte mit den Fingerspitzen die rechte Hälfte der Schwingtür nach innen.
"Tut mir leid, das Lokal ist momentan geschlossen", sagte Balwin.
"Aber die Tür steht doch offen, oder?"
"Die Tür steht offen", bestätigte er. "Aber das Lokal ist geschlossen."
"Na schön, so was soll's geben", sagte Linda. "Was halten Sie davon, Winger?"
"Soll das heißen, ich bin wieder eingestellt?"
"Ich kann mich nicht erinnern, Sie rausgeworfen zu haben."
"Und was da eben wie 'hundertfünfzig' klang, gehört auch nur in den Bereich der akustischen Halluzinationen? Also unter diesen Umständen", sagte ich und schob die andere Hälfte der gläsernen Schwingtür nach innen, "würde ich meinen, dass Eduardos Betrieb nicht geschlossen sein kann, weil sich darin eine Menge Kunden aufhalten."
"Es ist geschlossen, weil ich es sage", erklärte Balwin.
"Jetzt, in diesem Augenblick?“, fragte Linda und sah auf ihre Armbanduhr. "Um zwanzig vor zwölf?"
"Meinetwegen auch um zwanzig nach zwölf. Wollen Sie mir deswegen Vorschriften machen?"
"Lieber Himmel, Balwin, hat Ihnen denn Eduardo immer noch nicht gesagt, dass ich jetzt sein bester Freund bin?" Mit diesen Worten ging ich einfach hinein, und Linda kam mir nach und ließ die Glastür genau in dem Augenblick vor Balwins Nasenspitze zufallen, als er mit seinen Mappen und der Ledertasche eine Kehrtwendung gemacht hatte, um uns zu folgen.
Ich steuerte schnell auf eine schmale Tür hinter der Theke zu, die wegen ihrer Scheibe aus Spiegelglas leicht als Eingang von Eduardos Büro zu erkennen war. Im Regal an der Rückwand stand ein auf Hochglanz poliertes Messingschild mit der Aufschrift: LIGA GEGEN AUSLÄNDERHASS – Sektion Frankfurt.
Als ich hinter der Theke stand, fragte mich ein dünnes Mädchen in rosa Leinenkleid mit Samtträgern, wohin ich wolle. Sie sah mich so aufmerksam an und klimperte so nervös mit ihren schwarz bewimperten Augenlidern, den schwach geschminkten Mund leicht geöffnet, als erwarte sie irgendeinen Zauberspruch von mir, der sie von der Pflicht erlöste, sich einem Kerl wie mir in den Weg zu werfen.
Ich murmelte etwas Unverständliches und deutete auf Balwin im Eingang. Dann schob ich Linda in Eduardos Büro und drehte hinter mir den Schlüssel im Schloss um.
Eduardo kam wie eine mächtige, erschreckende Masse Mensch hinter seinem Palisanderholzschreibtisch hoch. Ich hatte ihn nicht so groß und voluminös in Erinnerung, aber er war schon immer ein guter Esser gewesen. Er hielt etwas in der Hand, das wie dünnes, zerbrechliches Glas aussah – drei Ampullen, die eine hellbraune Flüssigkeit enthielten. Als er mich und Linda entdeckte, nahm er sie, eilig wieder von der Schreibtischplatte und legte sie ins Fach zurück.
"Immer noch in denselben Nebengeschäften tätig, Eduardo?“, fragte ich. "Bisschen das Taschengeld aufbessern? Hat die Polizei denn gar keinen Ehrgeiz, dieses schöne Viertel von bösen Drogen zu säubern? Und das Schild da?“, erkundigte ich mich und deutete auf das gleiche polierte Messingschild mit der Aufschrift: LIGA GEGEN AUSLÄNDERHASS auf seinem Schreibtisch wie im Lokal. "Ist das etwa eine neue Methode der armen verfolgten Mitbrüder draußen vor unseren Grenzen, um mit all den himmelschreienden Ungerechtigkeiten wegen der Verteilung unserer Sozialhilfe fertig zu werden?"
"Reden Sie doch keinen Blödsinn", sagte er böse. "Sie hören sich ja schon an wie einer dieser verdammten Rechtsextremen. Wie kommen Sie überhaupt hier herein?"
"Ihr Wachhund Balwin war so entgegenkommend, bei der Türdame ein gutes Wort für uns einzulegen."
"Tja", murmelte er, dabei strich er sich unschlüssig mit der Daumenspitze übers Brustbein und zupfte am wuchernden schwarzen Haar, das aus seinem Hemdausschnitt lugte. Schließlich verklärte ein breites Lächeln sein Gesicht – und dieses Gesicht war ungefähr so groß und oval wie ein Tennisschläger, nur nicht so sauber verspannt. "Das muss ich dann ja wohl glauben, Winger. Was führt Sie zu mir?"
"Linda", sagte ich. "Jetzt sind Sie an der Reihe."
"Hübscher Name", nickte Eduardo. "Passt zum angenehmen Rest. Linda – und wie weiter?"
Jemand hämmerte draußen laut gegen Eduardos Bürotür. Dann fragte Balwins besorgte Stimme: "Alles in Ordnung, Chef? Macht er wieder Schwierigkeiten? Soll ich ein paar Leute besorgen?"
"Nein, nicht nötig", sagte Eduardo über die Sprechanlage. Und, nachdem er sich wieder mir zugewandt hatte: "Wir sind doch nicht nachtragend, Winger? Sie sind doch ein Mensch, der eigentlich ein Herz für Ausländer hat? Als Sie mich damals nach Portugal zurückschicken wollten, geschah das doch nur, weil Ihnen einer meiner liebenswerten Konkurrenten im Viertel Flausen in den Kopf gesetzt hatte ..."
"Marokko", verbesserte ich.
"Mein Gott, ist das lange her", sagte er und hob ergebungsvoll seine großen weißen Hände, deren Finger so aussahen, als habe man ihre Kuppen mit Bimsstein und die Nägel mit einer groben Pfeile bearbeitet. "Ich erinnere mich schon gar nicht mehr an meine Heimat. Ich bin jetzt portugiesischer Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft."
Linda setzte sich in einen der Sessel vor dem Schreibtisch und schlug die Beine übereinander.
Eduardo musterte sie so interessiert, als seien Lindas Beine plötzlich der einzige interessante Gegenstand auf der Welt – als entdecke er außer Drogen und seinem Laden noch etwas anderes, das die Beschäftigung lohnte. Und er hatte natürlich recht, Lindas Beine lohnten mehr als eine Beschäftigung. Wenn Gott die Frauenbeine geschaffen hat, um bei uns Männern den Verstand außer Kraft zu setzen, damit wir auf das immer gleiche Bisschen Fassade hereinfallen, dann war es ihm bei Linda besonders gut gelungen.
"Ich sehe Ihnen ja an, dass Sie so was wie ein Fachmann in Sachen Beinen sind, Eduardo. Das bringt Ihr Beruf in diesem Gewerbe nun mal so mit sich. Aber sollten