Getting Pro. Andreas Mistele

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Getting Pro - Andreas Mistele

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muss und darf man digital aussteuern?

      Ziel des richtigen Einpegelns ist die optimale Nutzung der SNR deines Systems unter Berücksichtigung der sauberen Verarbeitbarkeit der aufgenommenen Signale.

      Grundsätzlich versuchst du bei jedem Hardware-Glied in der Aufnahmekette den maximalen Pegel ohne Clipping zu erhalten.

      Hat man Röhrengeräte im Setup, sollte man das gesamte Equipment für fünf bis zehn Minuten eingeschaltet haben, bevor man mit dem Einpegeln beginnt.

      Die Position am Mikrofon soll einen vollen und in sich schon guten Klang liefern. Gleiches gilt natürlich auch für Klangerzeuger wie Keyboards oder anderes Equipment, dass direkt ins Pult gespielt wird. Jede Aufnahme kann nur so gut klingen, wie das nackte aufgenommene Signal!

      Wenn ihr das Gain des Preamps auf den Wert eingestellt habt, bei dem es auch bei lauten Passagen nicht übersteuert, dreht ihr zur Sicherheit soweit zurück, dass sich eine Pegelverringerung um ca. 6 dB ergibt. In der realen Aufnahme singt und spielt jeder immer lauter!

      Wenn das Signal hörbar verzerrt, ohne im Sequenzer über 0 dBfs zu gehen, übersteuert schon das Mikrofon oder der Preamp!

      Achtung: Eine Übersteuerung beim Aufnehmen wird beim Abspielen nicht mehr angezeigt! Ein durch Übersteuerung zerstörtes Signal bleibt defekt, auch wenn du später den Pegel des aufgenommenen Signals absenkst.

      Geht deine Kette vom Preamp über weitere Hardwaregeräte, gilt es bei jedem weiteren Schritt, den maximalen Pegel ohne Clipping rauszuholen. Wenn du nun bei jedem Gerät Gainreserven einbaust, verlierst du unnötig Signalqualität.

      Aus der analogen Welt kommend, sind wir es gewohnt, so nahe wie möglich bei den magischen 0 dB einzupegeln. Dies einfach in die digitale Welt zu übernehmen, ist allerdings ein gefährlicher Irrglaube! Wie wir bereits festgestellt haben, sind analoge und digitale Pegel zwei völlig verschiedene Welten!

      In der analogen Welt beschreibt die 0 dB-Grenze den optimalen Arbeitspunkt und bietet ordentlich Luft nach oben, wohingegen die digitalen 0 dB das definitive Ende der Fahnenstange bedeuten!

      Wie bereits beschrieben, gibt es leider keine Möglichkeit, analoge Signalpegel in Digitalpegel umzurechnen. Die meisten Wandlereinheiten sind aber so kalibriert, dass 0 dB am VU-Meter in etwa -18 dBfs entsprechen. Anders gesagt: Ein am optimalen Arbeitspunkt ausgesteuerter Preamp liefert etwa -18 dBfs RMS. Auf dieser Basis kannst du das Einpegeln in die DAW sinnvoll gestalten.

      Bei einem Signal großer Dynamik kannst du davon ausgehen, dass die Pegelspitzen +/- 12 dB um den RMS-Wert schwanken. Mit einem RMS-Pegel von -18 dBfs, ergeben sich dadurch Peaks bei maximal -6 dBfs. Dies heißt im Umkehrschluss: Wenn du beim Aufnehmen in die DAW mit maximal -10 bis -6 dBfs aussteuerst, bist du auf dem richtigen Weg.

      Dein Outboard-Equipment (Preamp, Mixer) klingt optimal, wenn es bei dessen Unity Gain gefahren wird, also bei rund 0 dB am VU-Meter bzw. -18 dBfs in der DAW. Steuerst du nun höher aus, überfährst du den optimalen Arbeitspunkt deiner Hardwaregeräte. Dies kann als Effekt auf einer Spur interessant sein, als Standardvorgehensweise verringert es aber deine Signalqualität.

      Gelangt deine Aufnahme ohne „digitalen Sicherheitsabstand“ ins System, hast du keinen Platz mehr für Signalverarbeitungen mittels Equalizing und Kompression in deiner DAW. Bei jeder Anhebung fährt dein Signal gleich in den roten Bereich! Zudem „erwarten“ viele Plug-Ins den beschriebenen Referenzinput. Wenn sie „zu heiß“ angesteuert werden, können sie an Klangqualität verlieren. Dies hörst du auf lediglich einer Spur nicht direkt, aber in der Summe verschmiert es dennoch den Sound.

      Sinnvolles Aussteuern nimmt dir letztlich die Sorge vor versehentlichen Clippings. Selbst kürzeste Transienten, die das System eventuell nicht mehr sauber anzeigt, werden sauber aufgenommen.

      Ein weiterer Vorteil ist rein praktischer Natur: Unnötig hoch eingepegelte Signale musst du im Mix mittels der Kanalfader sowieso zurückfahren, da sonst der Masterbus übersteuern würde. Da die Fadereinstellung logarithmisch arbeitet, hast du aber nur im oberen Faderbereich entsprechend viel Weg pro Pegeländerung zur Verfügung, um detaillierte Anpassungen vornehmen zu können. Musst du deine Fader nun weit runterfahren, kommst du schnell in einen Bereich, in dem das praktische Einstellen der Pegel problematisch wird.

      Nun könnte man meinen, dass man durch dieses Vorgehen mindestens 10 dB nutzbarer Dynamik verschenkt. Dem ist aber nicht so, da du genau diese 10 dB für deine Arbeit mit Equalizer und Kompressor verwendest!

      Davon abgesehen: Ein 24 Bit-Wandler kann rechnerisch 144 dB Dynamik abbilden. Abzüglich ca. 40 dB Noisefloor (Wandler, Kabel, Raum) und den 10 dB Headroom bleiben immer noch mehr als 90 dB Dynamik für die Wandlung zur Verfügung - selbst für Orchester mehr als genug!

      Fazit: Es gibt keinen Grund, nahe an 0 dBfs zu pegeln. Es hat keinen klanglichen Vorteil, birgt aber viele potentielle Probleme, da es an vielen Gliedern der Signalkette zu Verzerrungen führen kann.

      Aussteuern unter Berücksichtigung der gegebenen Tipps vermeidet diese Probleme im Voraus. Das Ergebnis ist ein entspanntes Arbeiten ohne Sorge um Clippings und mit der Sicherheit, dass kein Effekt und keine Hardware am jeweiligen Limit arbeiten müssen. Ein offener, detaillierter und luftiger Klang ist die Folge.

      5.5Effekte bei der Aufnahme

      Bei heutigen Recordingsystemen ist es eigentlich nicht mehr nötig, Kompressoren in den Signalfluss zu packen, um die Dynamik schon vor der Aufnahme einzuschränken. Bei Aufnahmen in 24 Bit ist mehr als genug nutzbare Dynamik vorhanden, die auch streckenweise leise Signale verzeiht.

      Klangformende Effekte sollten sowieso erst im Mix ins Spiel kommen. Erst im Kontext zu den restlichen Spuren können diese korrekt gewählt und eingestellt werden.

      Das Problem bei Effekten auf der Aufnahme ist schließlich, dass du beim Aufnehmen gemachte Fehler nicht mehr rückgängig machen kannst, wohingegen eine neutrale Spur noch alle Bearbeitungsmöglichkeiten bietet. Halte dir also den Rücken frei für spätere Geistesblitze!

      Sonderfälle bilden spezielle hochwertige Outboard-Effekte, deren Sound und Handhabung du genau kennst und deren Einsatz den Klangcharakter eines Signals grundlegend prägen. Bei diesen „Schätzen“ kann man selbstverständlich eine Ausnahme machen.

      Bei älteren 16 Bit-Systemen oder Analogaufnahmen kann eine geringe Kompression bei der Aufnahme dem kleineren Dynamikbereich entgegenwirken und das Nutzsignal weiter vom Band- bzw. Quantisierungsrauschen trennen.

      6Gute Produktionen – die Summe richtiger Entscheidungen

      6.1Basis

      Neben den großen Meilensteinen wie Komposition, Arrangement oder die richtige Mikrofonwahl sind es oft die kleinen Entscheidungen bzw. Elemente, die einen guten Mix und einen guten Song ausmachen! Viele große und kleine, für sich beinahe unscheinbare Aktionen addieren sich in der Summe zu einem entscheidenden Klangvorteil!

      Moderne Aufnahmetechnik ist einfach, schnell verfügbar und günstig geworden. Dies verleitet zum unüberschaubaren Sammeln von Effekten und Klangerzeugern – die meisten Hobbyproduzenten sind leider regelrechte VST-Messies!

      Auch die Spuranzahl eines Titels ist heute theoretisch unbegrenzt, was schnell dazu führt, dass man unzählige Spuren aufnimmt.

      Es

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