Die perfekte Insel. Thomas Frick
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Das Essen war nicht schlecht, aber es schmeckte mir nicht wirklich. Der Gedanke an frühere Half-Pension-Dinner mit meiner liebsten Reisegefährtin stimmte mich trübselig. Ich hatte diesen Effekt erwartet und es war klar, dass mich die Parallelwelten meiner Urlaubserinnerungen in Depressionen stürzen würden, aber ich konnte mir auch einreden, ich sei schließlich nicht zum Spaß hier, und so begann ich mich also tapfer durch das Vier-Sterne-Büfett zu graben, um mich für die kommenden Aufgaben zu stärken.Stefan ließ sich nicht blicken und der Kellner fragte mich nach meiner werten Gemahlin, ob die wohl noch käme. Holiday Island ist eine reine Honeymoon-Insel, ausgerichtet auf pauschale romantische Zweisamkeit. Ich zog probehalber den Bauch ein, als eine ansehnliche Urlauberin in kurzen Höschen vorbeischwebte, aber dann streckte ich ihn gleich wieder doppelt so weit vor, weil ich mir plötzlich unendlich albern vorkam, und floh ins Internetcafé „Cyberstation“, um eine der ersten Mails zu schreiben, aus denen schließlich dieser Bericht entstand.
Und da saß natürlich schon längst Stefan, der mich netterweise gleich auf seinem Account weiterarbeiten ließ. Das war schon traumhaft. Stefan bezahlte alles. Ich hatte in Malé Geld getauscht, es aber seitdem nicht wieder angefasst. Die Vereinbarung war die, dass Stefan der Produzent war, der Boss, und dass wir hier seinen Film vorbereiteten, er würde ihm später gehören, ich durfte ihn immerhin machen. Natürlich arbeiteten wir zusammen – und das sogar sehr gut. Im Dezember war ich schon für eine Woche zu Gast in Dubai gewesen, um zusammen mit Stefan das Drehbuch zu schreiben. Er hatte mir alles gezeigt und bezahlt – einschließlich Wüstentouren und Nobelhotels – und ich hatte mich immer gefragt, warum. Es war wie in Tunesien. Er war endlich wieder George und ich war Steven und nur ganz heimlich fragte ich mich, ob Lucas für Spielberg auch immer alles bezahlt, wenn sie zusammen einen Film drehen, und wann Stefan wohl die Lust daran verlieren würde. Das Boot für morgen zum Beispiel sollte schlappe 350 Dollar kosten, davon mache ich sonst einen ganzen Urlaub.
Als ich den Preis hörte und ein bisschen verlegen herumdruckste, predigte mein Mäzen mir Großzügigkeit und Vertrauen in Investitionen. Bei aller Freundschaft würde er keinen Pfennig investieren, wenn er nicht sicher sei, dass es des die Saat für einen ungewöhnlichen Film wäre, der jeden einzelnen Cent wert sei.
Dieser Gedanke gefiel mir.
8. Mai 2007
Am nächsten Morgen war Stefan schon los – ohne mich – zum Frühstück und ich hatte den Verdacht, er wollte sich so wenig wie möglich mit mir sehen lassen, aus Angst, geköpft zu werden. Diese Strafe, so hatte er erfahren, sieht die Scharia, die islamische Gesetzgebung, vor, wenn man als schwul entlarvt wird. Tatsächlich gab es hier nur ganz normale Hetero-Pärchen jeden Alters und einige glückliche Familien.
Am Büfett entdeckte ich einen Omelettemacher – ein Charakterkopf; er ähnelte Sammy Davis junior – mit riesiger weißer Papierkochmütze, wie ein Karnevalskoch, der machte mir ein Omelett mit herrlich vielen Zwiebeln und ich begann allmählich, mich wohlzufühlen. Aber Knoblauch hätte er nicht, sagte er streng, so etwas gäbe es ja wohl nur am Abend.
Ich haute mir den Wanst voll und folgte dann Stefan ins Internetcafé, aber am Tage war die Verbindung auch nicht besser. Das läge am Satelliteninternet und den Wolken, erklärte der junge Operator.
Ich wollte erst gar nicht, aber Stefan kaufte vorsichtshalber eine große Tube Sonnencreme mit einem betonartigen Schutzfaktor, der vermutlich im Iran auch zum Schutz gegen Atomraketen benutzt wird. Stefan ließ als Bewohner von Dubai den abgebrühten Sonnenbrand-Kenner heraushängen und warnte mich noch mehrmals davor, aufs Eincremen zu verzichten. Ich hingegen hielt das Zeug für schädlicher als die Sonne selbst und meinte, ein Hemd würde reichen.
Im Bungalow checkten wir die bisher gemachten Videoaufnahmen. Wir konnten die Kamera direkt an den Zimmerfernseher anschließen und obwohl er kein 16:9-Format darstellen konnte, also die Bilder auf ein seltsames Hochkantformat quetschte, sahen die ersten Versuche schon gar nicht mal so übel aus. Bereits auf der Hinfahrt waren wir an vielversprechenden Inseln vorbeigekommen, die zwar zum Teil bewohnt waren, aber zur Not schon als Drehort gepasst hätten. Nur eine brauchbare Inseltotale, also eine unverbaute kleine Insel mitten im Meer, hatten wir noch nicht gesehen. Und natürlich gab es eine Menge Details, die wir alle an einem einzigen Ort zu finden hofften: Palmen, die direkt ins Wasser reichten, Kokosnüsse, eine Sandbank, einen malerischen Strand, begehbare Wege und Lichtungen im Inneren, geheimnisvolle Tiere, am besten Haie, und all das natürlich in der besten Saison menschenleer, aber in der Nähe eines guten, aber billigen Hotels.
Dann verpackte ich die Kamera zusammen mit einem frischen Akku und einer leeren Kassette im nagelneuen Unterwassergehäuse. Ich war sehr gespannt, ob das funktionieren würde oder ob die Kamera etwa bei der erstbesten Gelegenheit absoff.
Wir machten uns mit unseren Schnorchelsachen und je zwei großen Wasserflaschen auf den Weg zum Boot, das bereits auf uns wartete. Die Besatzung sah aus wie durchschnittlich vierzehn und in der Mitte des Dhonis stand eine große Kühlbox, randvoll mit in Silberfolie verpacktem Essen.
Erst mal gab es eine Diskussion, denn anstelle der am Vortag mit der Rezeption vereinbarten drei Inseln sollten nur die ersten beiden angefahren werden. Ich argwöhnte Faulheit und Missmanagement und sah uns schon in einem Sumpf nicht eingehaltener Absprachen und Aufmüpfigkeit versinken. Stefan klärte das aber, ganz der coole Producer, und endlich ging es los.
Auf dem Vordeck des Dhonis lag ein kleines abgewetztes hölzernes Ruderboot, das zwar nicht so aussah, als ob es schwimmen könnte, dafür aber wie die perfekte Materialisierung der Nussschale, die mir beim Drehbuchschreiben als Transportmittel für unseren Postmann vorgeschwebt hatte. Wir engagierten es auf der Stelle.
Zwischen der Nachbar-Hotelinsel „Sun Island“ und einer nur für Einheimische zugänglichen Insel namens Fenfushi entdeckten wir im Vorbeifahren noch ein kleineres Inselchen, das bisher noch von niemandem erwähnt worden war, mir aber auf Anhieb sehr gut gefiel. Es hieß Tholofushi. Da wir dort aber keine Erlaubnis zum Landen hatten, tuckerten wir, ohne uns näher damit zu befassen, weiter; die ersten vierzig Minuten nach Bodofinolhu – immer parallel zu dem weiß schäumenden und bis hierher hörbaren Außenriff, das in einigen Kilometern Entfernung den ganzen Horizont entlang zu sehen war. Die Sonne feuerte fast senkrecht herab, wie im Kino, aber durch den Seewind war es angenehm kühl. Witzigerweise war ich es, der sich mit der dicken Sonnenpampe einschmierte. Stefan winkte gelangweilt ab: „Ja, später …“
Hinter Bodofinholu folgten ein paar Kilometer Sandbänke. Eine von ihnen krönte ein grüner Klecks aus Buschwerk, keine Palmen, aber immerhin unsere erste einsame Insel, auf die wir nun durften.
Wir lehnten eine Überfahrt mit der Nussschale heldenhaft ab und ließen uns samt Schnorchelzeug und Kamera zu Wasser. Ich hatte in diesem Jahr noch nicht angebadet und ließ mich mit einem Gefühl von leichter Aufregung ins Wasser gleiten. Es war warm, warm wie in einer Badewanne, aber es war immerhin nass. Das Gehäuse schien fürs Erste dichtzuhalten, aber ein anderes Problem wurde spätestens jetzt sehr deutlich: Die verdrehbare Videoausspiegelung des Camcorders wird klugerweise mit einem Spiegel so umgeleitet, dass man das Bild bequem von hinten durchs Unterwassergehäuse betrachten kann. So weit die Theorie, die für schummerige japanische Bergseen auch zutreffen mag, aber hoch über unseren Köpfen ballerte etwas, was man schon getrost als Äquatorsonne bezeichnen durfte. Und diese war so extrem hell, jedenfalls so viel heller als der ausgespiegelte Minimonitor, dass ich nichts sehen konnte, nicht einmal, ob die Kamera