Die perfekte Insel. Thomas Frick
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Stefan hatte einen üblen Sonnenbrand, während ich nach wie vor käseweiß war, aber mit einem seltsamen expressionistischen roten Ausschlag auf dem Rücken, der unheimlicherweise die Form von Flügeln hatte. Zunächst befürchtete ich eine Allergie, doch im Spiegel gesehen kapierte ich: Dort, wo meine eigenen Hände mit dem Sonnenöl nicht hinkamen, war ich ebenso verbrannt wie Stefan. Da fehlten die liebevollen Hände meiner Lieblingsreisebegleiterin. Pech gehabt!Stefan fiel bald in Tiefschlaf – phänomenal, wie viel der schlafen kann – und ich schlich mich davon und drehte noch für ein Stündchen eine Runde um die Insel, betrachtete den Sonnenuntergang, grübelte über dieses und jenes, bis es dunkel war.
Beim Abendbrot entdeckte ich dann endlich neben dem Salatdressing eine große Schale mit gehacktem Knoblauch in Öl und machte das Zeug auf sämtliches Essen – außer natürlich auf die Kuchen, Puddings und Pasteten, die es in unerschöpflicher Vielfalt und jeden Tag wechselnd als Nachtisch gab.
Später saß ich noch stundenlang mit einem frisch gepressten Orangensaft und dem kleinen Jornada-Computer vor dem Restaurant am Ufer und schrieb die Ereignisse des ersten Tages auf. Hinter mir verwurstete eine Coverband alles, was einem lieb war, von Bob Marley bis zu den Doors und Pink Floyd. Es war entsetzlich, aber irgendwie passte es auch wieder.
Dann ging ich schlafen, bis mich ein Wackeln meines Bettes weckte.
Ich rief: „Stefan?“ – aber er rührte sich nicht. Ich hatte den Stoß ganz sicher nicht geträumt, dachte gleich an Erdbeben und Tsunamis und malte mir aus, was ich tun würde oder konnte, wenn plötzlich eine Lastwagenladung Wasser durch die Scheibe gedonnert käme. Vermutlich konnte ich gar nichts tun, außer sterben.
Ich dachte darüber nach, ob mir das recht wäre. Nein, wäre es nicht, jetzt wollte ich erst einmal einen anstrengenden und schönen Film machen. Wenn es mich jetzt erwischte, würde ich sicher spuken. Immerhin, dachte ich noch, wäre eine Ferieninsel im Indischen Ozean nicht der schlechteste Ort dafür.
Als ich nach einer halben Stunde des zum Fenster Starrens beinahe eingeschlafen war, schien plötzlich ein autostarker Scheinwerfer ins Fenster. Nun gibt es aber keine Autos auf der Insel und ich war wieder hellwach, dachte an Piratenüberfälle, Al Quaida und Tsunamispätwarnungskommandos. Ein seltsames stark beunruhigendes Geräusch, das wie ein heranrollender Schnellzug klang, ließ mich kerzengerade sitzen. Sollte ich mich anziehen und irgendwohin rennen? Sollte ich Stefan wecken?
Doch es waren nur der Regen auf dem Dach und ein bisschen Sturm und weiter passierte auch nichts. Und am nächsten Morgen sagte mir Stefan, er hätte nur mal kurz an meinem Bett gewackelt, wegen meines katastrophalen Schnarchens.
9. Mai 2007
Der dritte Tag begann mit einem Bad im Meer direkt vor dem Bungalow.
Nach dem Frühstück gönnten wir uns eine lange Cybercafé-Session. Wir sprachen über das Drehbuch und kamen zu dem Schluss, dass der Film schon irgendwie machbar wäre, aber noch nicht optimal. Es gab reichlich Meer, Sand, Palmen etc. – alles nach Wunsch. Die besuchten Inseln aber waren zu klein, zu groß oder zu verbaut, also müssten wir noch weiterforschen, um keine Kompromisse machen zu müssen. Wir erinnerten uns an die kleine Insel Tholofushi, an der wir am Vortag vorbeigefahren waren und die – bis auf ein großes Warnschild – unbewohnt aussah. Aber niemand war auf die Idee gekommen, sie uns zu empfehlen.
Wir beschlossen, auf der benachbarten Hotelinsel „Sun Island“, die ihrerseits an Tholufushi stößt, zu fragen, und wir meldeten uns für die reguläre Überfahrt an. Stefan, noch gehandicapt von seinem Sonnenbrand, wollte ein bisschen Zeit für sich, also ging ich mittags allein zum Anleger, um auf eigene Faust etwas herauszufinden, verpasste aber das Schiff, das ausgerechnet dieses Mal pünktlich fuhr. Ich nutzte die Zeit zum Schreiben und Schlafen. Mit dem nächsten Dhoni kam ich drei Stunden später problemlos mit.
An der Hotelrezeption auf „Sun Island“ erfuhr ich, dass die kleinere Nachbarinsel für zweihundert Dollar am Tag vermietet würde, für die nächsten Tage aber ausgebucht sei. Und die Gebühr sei obligatorisch, egal, ob man nur mal schnell gucken ginge oder die ganze Nacht bliebe.
Ich machte mich auf den Weg, um die Insel wenigstens schon mal von Nahem zu sehen. Neben der Rezeption gab es einen Fahrradverleih mit Hunderten von blauen Mountainbikes, aber ich entschied mich fürs Spazieren. Ich wanderte abwechselnd am Strand und in dem kleinen Wäldchen vor den Hütten so weit es ging bis ans Ende der Insel, d. h. möglichst nah an Tholofushi heran, und machte Fotos.
In einer direkt am Ufer gegenüber liegenden Schnorchelschule sprach ich mit dem kleinen indischen Direktor namens Sindi. Er kam extra aus einer Prüfung und war sehr nett.
Nach einem plötzlichen tropischen Regenguss ging ich zu der regulären Tauchschule an einem italienischen Restaurant und sprach mit Michaela, einer deutschen Tauchlehrerin. Tholofushi sei eine so genannte Hochzeitsinsel, erfuhr ich unter anderem, auf der sich Paare für ihre Hochzeitsnacht einmieten könnten. Wegen des Tsunamis aber seien Bauarbeiten auf der Insel im Gange, deshalb gäbe es zurzeit keinen Zutritt. Als ich Michaela nach einem möglicherweise irgendwo erhältlichen Gummihai fragte, sagte sie lachend, den wünschte sie sich auch, da die Touristen an die Tauchguides immer alberne Forderungen stellten, nach dem Motto: Ich habe bezahlt, wo ist der Hai?
Ich umrundete der Form halber den Rest von „Sun Island“ (die Insel ist größer und komfortabler als Holiday Island, mit ein paar verwilderten Ecken, die man gut für Drehs benutzen könnte) und wartete dann brav auf die Ankunft des Zubringers für die Rückfahrt. Dabei fiel mir ein großer Vogel auf, der auf der Reling des italienischen Meeresrestaurants am Rande einer Art Seebrücke saß. Er beobachtete hungrig einen Schwarm Fische und war so zutraulich, dass ich ein paar extreme Nahaufnahmen von ihm machen konnte. Ich bedankte mich bei ihm, filmte noch ein paar unheimliche springende Krabben am Ufer und fuhr schließlich zurück nach Holiday Island, wo ich an der Rezeption den Deskmanager vom ersten Tag wiedertraf, der uns gleich am Anfang einige gute Ratschläge gegeben hatte.
Ich erzählte ihm vom Stand unserer Recherchen und dass wir uns unbedingt auf Tholofushi umsehen müssten, notfalls erst einmal nur per Boot aus der Ferne. Er versprach, sich zu kümmern und für uns zwei eine Dhoni-Tour zur Hochzeitsinsel zu organisieren.
Beim Abendessen erzählte ich Stefan, was ich herausgefunden hatte, und er erwähnte eine weitere kleine Insel in genau der anderen Richtung, Kudadhoo, die ihm bei der Hinfahrt aufgefallen war. Wir beschlossen, es am nächsten Tag in beiden Richtungen zu versuchen, bevor wir uns endgültig auf die Reise zu einem grundsätzlich anderen Atoll machen würden. Denn natürlich wollten wir konsequent alle Möglichkeiten des Süd-Ari-Atolls recherchieren, so lange wir hier wohnten.
Der Deskmanager versprach, die nötigen Genehmigungen einzuholen sowie weitere Erkundigungen über das Baa-Atoll anzustellen, von dem wir inzwischen immer wieder Gutes gehört hatten. Es sei kaum besiedelt, wunderschön und die meisten vielversprechenden Fotos in einem der Bildbände im Souvenirladen stammten ebenfalls von dort. Das Problem war die Entfernung. Wir würden die ca. 250 Kilometer dorthin mit einem Wasserflugzeug fliegen sowie weitere Übernachtungen buchen müssen und unsere Bungalows auf Holiday Island standen inzwischen leer. Das erinnerte mich an die „Dangerous Animal“-Recherche