Nesthäkchen und ihre Enkel. Else Ury

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nesthäkchen und ihre Enkel - Else Ury страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Nesthäkchen und ihre Enkel - Else Ury

Скачать книгу

es ja auch in sich.« Ein liebevoller Blick streifte den Gatten und wurde in verstärktem Maße zurückgegeben.

      Marietta, die bei den Worten der Schwester schon wieder erschreckte Augen gemacht hatte, atmete erlöst auf. Ihr harmonisches Wesen war stets auf Ausgleich bedacht. Sie vermochte keinem Wesen wehe zu tun und ihrer Mutter am wenigsten.

      »Ei, Jetta, du ißt ja heute so wenig. Die Pastete hast du schon vorübergehen lassen. Diesen Perutruthahn mit Forosse möchte ich dir sehr empfehlen«, erinnerte sie der Vater.

      »Unsere Jetta kann die arge Hitze in der Stadt nicht vertragen, gerade so wie ihre Mutter.« Frau Ursel sah zärtlich besorgt zu ihrem blassen Mädel hinüber. »Draußen auf der Fazenda werden wir beide wieder mehr Appetit haben, nicht wahr, mein Herz? Ich mag bei dieser Siedehitze auch nicht viel Fleisch essen. Das habe ich in den sechzehn Jahren meines Aufenthaltes im Tropenlande immer noch nicht begreifen gelernt, daß ihr Brasilianer vor allem der Fleischnahrung huldigt, Milton. Die Bewohner der heißen Zone pflegen doch Pflanzen und Früchten sonst den Vorzug zu geben.«

      »Das eine tun – das andere nicht lassen. Das ist auch Nitas Ansicht, nicht wahr? Diese Doces de Caju müßt ihr beide aber auch versuchen, Ursel. Freilich, Juan, dieses Tellerchen ist für dich. Du brauchst dich gar nicht so nachdrücklich in Erinnerung zu bringen, mein Sohn.« Der kleine Juan hatte beim Auftragen des süßen Nachtisches den Vater energisch an seinem bastseidenen Ärmel zu zupfen begonnen.

      »Darf ich meinen Nachtisch nicht dem alten Cico hinüberbringen, Papi?« fragte Marietta bittend. »Er ist krank, erzählte Homer. Diese Doces werden ihn sicher erquicken.«

      »Was fehlt dem Alten, Pedro?« wandte sich der Vater statt einer Antwort an den servierenden Mulatten.

      »Oh, Don Tavares, ist schlimm, sehr schlimm. Schüttelt Cico, wie Sturm schüttelt Schiff in Ozean. Armer Cico friert bei Hitze.«

      »Homer soll sogleich den Arzt rufen, Pedro. Marietta, du betrittst Cicos Häuschen nicht. Du kannst dich anstecken. Keiner von euch darf zu Cico gehen, bis ich den Arzt gesprochen habe. Sage Homer, Pedro, daß er selbstverständlich, solange der Großvater krank ist, hier in der Stadt bei ihm bleibt. Später kann er uns zur Fazenda nachkommen.«

      »Homer muß zu Hause bleiben? Ohne Homer ist es gar nicht lustig auf der Fazenda. Dann hat Juan ja kein Pferdchen zum Reiten.«

      »Juan, ein Mensch ist kein Pferdchen, auf dem man reitet. Ich habe es dir schon öfters verboten, auf Homer zu reiten. Du tust ihm doch dabei weh«, bedeutete die Mutter dem Kleinen.

      »Wenn Juan brav ist, schenkt der Vater ihm auf der Fazenda ein kleines Pony. Dann kannst du mit dem Vater ausreiten, mein Junge«, versprach der Vater.

      »Ja, Papi, wirklich? Tust du es auch gewiß? Ist Juan jetzt groß?« Der Kleine vermochte an sein Glück nicht zu glauben.

      »Nein, Milton, du machst doch nur Spaß, nicht wahr? Keine ruhige Minute hätte ich, wenn das Kind schon reiten lernte«, sagte Frau Ursel aufgeregt. »Es kommt noch früh genug dazu. Ich muß mich schon um die Großen genug sorgen.«

      »Nun, wenn es dir nicht recht ist, mein Liebling, warten wir noch damit.« Milton war sofort einverstanden.

      »Es soll der Mammi aber recht sein. Alte Mammi!« Grenzenlos enttäuscht war der Kleine.

      »Juan, gehe in dein Kinderzimmer. Du bist unartig. Ich will dich hier nicht mehr sehen«, sagte der Vater mit außergewöhnlicher Strenge. Nur wenn eins der Kinder sich ungebührlich gegen die Mutter benahm, wurde er ärgerlich.

      »Und ich will auch nicht mehr sehen, daß die Mammi ein trauriges Gesicht macht.« Wütend lief der Kleine davon.

      Milton Tavares trank seine Schale Mokka aus und nahm den Arm seiner Gattin, um sie ins Musikzimmer zu führen. Lachend flüsterte er ihr ins Ohr: »Von wem der Schlingel nur dieses Wutteufelchen hat? Von dir oder von mir?«

      »Ich fürchte, von uns beiden«, gab Frau Ursel, ebenso belustigt wie ehrlich, zurück. »Aber hast du wirklich die Absicht, heute noch Musik zu machen, wo wir morgen die Stadt verlassen?«

      »Darum gerade. Einen würdigeren Abschluss unseres Stadtaufenthaltes kann es für uns hier in Sao Paulo nicht geben. Was willst du singen, mein Herz? Oder wollen wir mit Anita ein Bratschentrio spielen?«

      »Ich muß noch mit Marietta Abschiedsbesuche machen, Papi. Hast du auch die Überraschung für uns auf der Fazenda nicht vergessen? Du weißt doch?«

      »Die Überraschung? Gut, daß du mich erinnerst, Kind.« Der Vater machte ein verschmitztes Gesicht und schlug die ersten Töne auf dem Flügel an. »Willst du aus Rigoletto singen, Ursel, oder aus dem Barbier? Wie Donna Tavares befehlen.« So ernst Milton Tavares auch in seiner Berufstätigkeit war, so aufgeräumt und heiter pflegte er im Kreise seiner Familie zu sein. Das Glück seiner Ehe und die Harmonie seiner Häuslichkeit spiegelte sich in seinem frischfröhlichen Wesen wider.

      »Und die Noten, Milton? Wann packen wir die ein?« gab seine Frau noch zu bedenken.

      »Wenn wir genug musiziert haben.« Da schlug er schon die ersten Töne an.

      Sie zogen hinaus bis zu der großen Kokospalme, in deren Schatten Marietta stand und lauschte. Die Sonne tauchte drüben über den Bergen in ein Farbenmeer von unglaublicher Pracht. Lichtgrüner Himmel, rosenrot, violett, orange und zitronengelb überhaucht, lag über der verdämmernden Tropenwelt. Marietta schaute, lauschte und träumte.

      »Also hier steckst du, Jetta.« Anitas helle Stimme weckte sie empor. »Bist du Sonnenanbeterin geworden oder gar mondsüchtig? Komm, das Auto ist schon vorgefahren. Woran dachtest du denn bloß?«

      »Ich dachte daran, ob es in Mammis deutscher Heimat wohl auch so schön sein kann, wie hier bei uns.«

      »Sicher nicht. Bei uns ist alles viel eleganter und vornehmer«, erwiderte Anita, ohne zu überlegen.

      »Mammi sagt, wahre Vornehmheit trägt man in sich, Nita. Die offenbart sich nicht in Eleganz. Auch der Ärmste kann sie besitzen.«

      »Das sind echt deutsche Ansichten«, machte Anita abweisend. »Der Junge, der Juan, wird auch viel zu sehr verweichlicht. Warum soll er nicht reiten lernen? Mammi vergißt oft, daß wir in Amerika leben und daß hier andere Regeln gelten, als in Europa.«

      »Aber, Nita!« erhob die Zwillingsschwester Einspruch. Wie konnte man nur gegen ihre Mutter etwas Derartiges sagen! »Ich wünschte, wir wären, wie unsere Mammi ist.«

      »Das – das wünschte ich eigentlich auch«, gab Anita in jähem Umschwung der Gefühle ganz unerwartet zu. »So, Jetta, und nun mache kein solch niedergeschlagenes Gesichtchen. Du weißt doch, ich rede öfters mal dummes Zeug.«

      Da hielt das Auto vor dem Hause einer befreundeten Familie. Ein schwarzer Diener öffnete den Schlag. Leichtfüßig sprang Anita heraus. Marietta folgte nachdenklich. Merkwürdig, sie konnte ihr niemals ernstlich böse sein, der Anita. Kam das daher, daß sie Zwillinge waren? Aber ging es anderen Leuten mit Anita nicht gerade so?

      2. Kapitel

      Jimmy

      Ribeirao Preto, der Sommersitz der Familie Tavares, lag acht bis neun Bahnstunden von der Stadt entfernt. Das bedeutete für amerikanische Zeit- und Raumverhältnisse nicht viel. Pflegten die Herren aus

Скачать книгу