Ein philosophischer Streifzug durch die Jahrtausende. Markus Orians
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Nur die Brahmanen konnten durch das Wissen der Veden (Heilige Schriften) mit den Göttern in Kontakt treten. Auch besaßen sie das Monopol der Erziehung. Im Unterschied aber zu den theistischen Religionen haben sie nie eine weltliche Herrschaft angestrebt. Auch hatten sie nie ein Oberhaupt. Sie waren freie, gleichberechtigte einzelne Priester.
Die Arier waren gegenüber der einheimischen Bevölkerung bei weitem in der Unterzahl. Weil sie sich aber „rein“ erhalten wollten, bildeten sie das Kastenwesen. Die Unreinen oder Tschudras waren die Einheimischen. Später bildeten die Kriegsgefangenen und die Sklaven die unterste Kaste. Man nannte sie die Unberührbaren, denn im wahrsten Sinne des Wortes hatten sie nicht das Recht Menschen der anderen Kasten auch nur zu berühren. Genauso wenig war es vorstellbar, dass ein Brahmane eine „normale“ Tätigkeit, wie putzen oder das Essen zubereiten, ausführt. Obwohl Mahatma Gandhi sich gerade für die unterste Kaste einsetzte, war dies, als ich vor mehr als 30 Jahren mehrmals in Indien war, noch ein strenges Tabu.
Die heiligen Schriften der Hindus, die Veden, sind in Sanskrit, der sakralen Sprache des Hinduismus verfasst. Dies ist vielleicht vergleichbar mit dem Mittelalter im Westen, wo in ganz Europa Schriftliches in Latein verfasst und gelehrt wurde. Niemand außer den Brahmanen konnte die Veden lesen. Dies bestärkte natürlich ihre uneingeschränkte, reli-giöse und gesellschaftliche Machtposition.
Vor den Ariern gab es in Indien keine Geschichtsschreibung. Die erste Hauptperiode, das Vedische Zeitalter ist von 1500-500 etwa anzusetzen. Veda oder Plural die Veden sind religiöse Literatur, die aber noch magisches und mythisches Gedankengut enthält, das noch weit älter ist. Die Veden übertreffen die Bibel an Quantität etwa um das sechsfache. Sie waren Kultbücher für die Priester. Bei jeder Opferhandlung mussten vier Priester anwesend sein.
Die Veden galten als unantastbare Wahrheiten, die bis ins dritte Jahrhundert vor Chr. nur mündlich weitergegeben wurden. Da die vedische Religion keine Tempel und Götterbilder kannten, konzentrierte sich das kultische Geschehen auf die Opfer. Dabei steht die heilige Silbe „OM“ zu Beginn und am Ende jeder Rezitation bei den Hymnen, von denen es etwa 1000 gibt.
An Varuna:
Möge ich nicht Varuna, Oh König, in das irdene Haus (Grab) eingehen- Sei gnädig, du von guter Herrschaft! Zeige Gnade!
Die Texte erinnern an Bitten, Beschwörungen oder Zaubersprüche, denn bestimmte Krank-heiten wurden mit bestimmten Verfehlungen verbunden wie z.B. die Wassersucht. Man verband sie mit jemandem, der die Unwahrheit gesagt hat.
Da die Rituale und Formen der Brahmanen im Laufe der Zeit immer mehr erstarrten, suchten Philosophen und weise Menschen, auch Frauen, deren Namen man nicht kennt, nach Ideen, die sie mehr berührten. So entstanden noch vor der Zeit Buddhas, also zwischen 700-500 die Upanishaden. Schopenhauer sprach ehrfürchtig von der erhebendsten Lektüre, die in der Welt möglich ist.
Bei den Upanishaden werden Fragen zur Welt und dem Selbst gestellt. Upa heißt nahe, nämlich in der Nähe des Meisters, der die heiligen Texte nur einer begrenzten Anzahl von Eingeweihten lehrt. Die Texte sind anderer Natur als die der Veden. Zauberei, Beschwörun-gen und Magie findet man hier nicht mehr.
Der Aufbau des Makrokosmos entspricht dem Mikrokosmos. So ist Atman, der Weltatem, die göttliche Kraft und das Selbst ihrem Wesen nach gleich dem Wind und dem Atem des Körpers.
Die Namen der Verfasser sind kaum bekannt. Im Gegensatz zum Westen treten die Philosophen in Hintergrund zu den Schriften, die sie verfassten. Auch Frauen haben diese Texte mitgeschrieben. Sie nahmen zu dieser Zeit auch an der Wahrheitssuche teil.
Eine Unterweisung aus den Upanishaden:
Hol mir doch eine Feige!
Hier ist sie Ehrwürdiger.
Spalte sie!
Sie ist gespalten.
Was siehst du darin?
Ganz feine Körner, Ehrwürdiger.
Spalte nun eines von ihnen!
Es ist gespalten, Ehrwürdiger.
Was siehst du darin?
Gar nichts, Ehrwürdiger!
Wahrlich mein Lieber, dieses Feinste, das du gar nicht mehr wahrnimmst, aus ihm ist jener große heilige Feigenbaum entstanden. Glaube mir, mein Lieber, was diese feinste Substanz ist, die ganze Welt enthält es als ihr Selbst. Das ist das Wirkliche, das Atman, das du bist !
Brahman könnte man als göttliche Kraft übersetzen. Es ist aber auch ein Paradoxon, weil es für die Hindus keinen theistischen, persönlichen Gott gibt. Das Paradoxon wird in der doppelten Bedeutung von Brahman deutlich. Es heißt so viel wie: es bewegt sich und es bewegt sich nicht, es ist fern und es ist doch so nah. Es geht hier um die Einheitserfahrung durch die Meditation über die Erleuchtung. Sie entspricht dem, was die Mystiker wie Meister Eckhard oder Johannes vom Kreuz mit „Verzückung“ umschrieben haben.
Etwa um 300 v. Chr. wurde die Bhagavad Gita geschrieben:
Krishna sagt im 10. Gesang:
Verkündung:
Weil du mir lieb bist, will ich sie dir zu deinem Besten offenbaren
Weder die Scharen der Götter noch die großen Seher kennen meinen Ursprung...
Jeder Keim aller Geschöpfe bin ich...
Ich bin der Würfel des Falschspielers
Ich bin die Stärke des Starken
Ich bin der Sieg
bin die Bemühung
bin die Reinheit des Reinen...
Die Bhagavad Gita, Gita der Gesang, enthält etwa 100 000 Verse. Das Heldenepos umfasst 700 Strophen. Sie geben Antwort auf die grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins. Sie vereinigt viele Strömungen der Zeit und wurde im Laufe der Zeit immer umfassender.
Ein anderer Text aus der Baghavad Gita:
Mir ist keiner verhasst noch lieb. Für alle Wesen bin ich der Gleiche.
Wer sich aber selbst mir weiht (anvertraut) in voller Hingabe, der ist in mir und ich bin in ihm.
Etwas Ähnliches sagt auch Jesus. Allerdings wird diese mystische Verschmelzung von der Kirche damals wie heute ignoriert.
Alles ist Brahman- das