Lizenz zum Schnüffeln. Martin Cordemann
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Nachdem ich mich noch einmal kurz umgesehen hatte, auch Zahnpasta, Zahnbürste und Rasierapparat befanden sich in der Wohnung, ging ich. Unten stieß ich noch einmal mit dem Hausmeister zusammen. Ich hielt ihm das Bild unter die Nase und fragte ihn, ob er die Dame hier schon mal gesehen habe. Er verneinte.
„Wer besitzt alles einen Schlüssel für die Wohnung?“
„Keine Ahnung“, sagte er und verschwand in den Hof. Ich sah ihm nach und betrachtete dann noch einmal das Photo. Ein nettes Gesicht. Interessant. Interessant war auch, was auf der Rückseite des Photos stand.
Noch am gleichen Nachmittag versuchte ich, an der Uni etwas über ihn herauszufinden. Durch das wilde Herumzeigen seines Photos stieß ich auf ein Mädchen, das zusammen mit ihm eine Veranstaltung in Mathematik besuchte. Sie war nicht der Ansicht, dass er besonders großes Interesse an seinem Studium hatte. Für ihn wäre das ja sowieso egal, sein Vater hätte genug Geld, damit er gar nicht arbeiten musste.
Ich fragte sie, wie es denn mit Mädchen so um ihn stehe. Naja, sagte sie, sie habe nie großes Interesse an ihm gehabt. Manchmal hatte sie sogar den Eindruck gehabt, er sei schwul, also nichts gegen Schwule, so meine sie das nicht, nur, dass er sich halt nicht für Mädchen zu interessieren schien. Blieb herauszufinden, wer die Frau auf dem Bild war. Ich zeigte es ihr. Sie kannte sie nicht. Dann verdunkelte plötzlich ein riesiger Schatten die Sonne – ihr Freund, jemand der aussah, als könnte er eine Lokomotive wegschieben, zu einer sinnvolleren Beschäftigung schien er allerdings nicht fähig. Ich unterließ in weiser Voraussicht Bemerkungen in dieser Richtung, was mir wahrscheinlich das Leben rettete.
Ich beschloss, am kommenden Tag zur Uni zurückzukehren und fragte mich, was ich bis dahin machen konnte. Nachdem ich mich in meinen Wagen geschwungen und mich wieder auf den Weg gemacht hatte, fiel mir ein blauer Mercedes auf, der mir zu folgen schien. Er war relativ weit hinter mir, so dass ich den Fahrer nicht erkennen konnte. Ruhig fuhr ich weiter und beobachtete meinen Verfolger. Hatte ich mit meinen Ermittlungen jemandem auf die Füße getreten? Es sah ganz so aus.
Ich bog auf eine breite stadtauswärts führende Straße. Der Wagen folgte mir. Noch immer hielt er einen großen Sicherheitsabstand ein. Also bog ich ab und kam auf eine Straße, die mich wieder in die Innenstadt brachte. Ich wollte sicher sein. Der Wagen blieb dran. Sehr schön. Es war das erste Mal, dass ich verfolgt wurde. Oder es war das erste Mal, dass ich es mitbekam. Vielleicht war es ja einer von Prossers Leuten. Dann musste es jemand von außerhalb sein, oder die Dienststelle hatte einen neuen Wagen. Wäre es Prosser selbst, wäre der Wagen bestimmt grau, nicht blau.
Über eine Nebenstraße gelangte ich auf eine Route, die durch einen ruhigen Vorort führte. Dort würde ich ihn kriegen. Ich gab ein bisschen Gas, um eine geeignete Stelle zu finden. Bald hatte ich sie. Ich fuhr um eine Kurve und als mein Verfolger mich nicht sehen konnte, fuhr ich in eine Einfahrt zu einer Garage. Im Rückspiegel sah ich, wie der Wagen vorbeirauschte. Also drehte ich den Spieß um und hängte mich an ihn dran. Er fuhr nun langsamer, so, als würde er etwas suchen. Mich wahrscheinlich. Ich kam nahe genug heran, um die Nummer lesen zu können. Ich notierte sie mir. Es war ein Wagen von außerhalb. Aber kein Dienstwagen. Ich würde die Nummer durch den Computer laufen lassen. Tja, so einfach konnten sie es sich nicht machen.
Langsam wurde ich nervös. Er musste doch wissen, dass ich an ihm dranhing. Es war merkwürdig. Wollte er seine Tarnung aufrechterhalten? Dachte er, ich hätte ihn nicht durchschaut? Nein, die Erklärung war viel einfacher: Er wollte mich nicht dahin führen, wohin er mich führen sollte. Wo immer das sein mochte. Langsam bog der Wagen in eine Einbahnstraße ein. Ich befürchtete eine Falle, doch ich folgte ihm. Was hatte er vor? Kurz darauf wusste ich es: er war eine sie. Und sie war so um die 70. Sie besuchte ihre Kinder und Enkelkinder. Peinlich!
Der Weg nach Hause führte mich durch einen merkwürdigen Zufall direkt am Polizeipräsidium vorbei. Ich parkte auf meinem üblichen Parkplatz und ging dann ein bisschen in die Stadt. Ich hatte noch ein paar Besorgungen zu machen. Anschließend war es spät genug, kaum noch jemand im Präsidium anzutreffen, immer angenommen Prosser arbeitete streng nach Dienstplan und -zeit.
Vorsichtig betrat ich das Gebäude. Der Pförtner grüßte mich. Langsam ging ich weiter, kam zu den Aufzügen und wartete. Die Doppeltüren öffneten sich, aber niemand trat heraus. Dafür trat ich herein.
Zuerst ging ich in mein altes Büro-das-zwar-niemals-diese-Bezeichnung-verdient-hatte-aber-mir-inzwischen-weitaus-lieber-war-als-Prosser, aber es war niemand da, nicht einmal ich. Bevor ich mich von romantischen Gefühlen übermannen lassen konnte, ging ich hinüber in Prossers Büro-das-nahezu-ebenso-unsympathisch-war-wie-er-selbst. Er war auch nicht da. Ich legte meine Marke auf seinen Schreibtisch, überlegte es mir noch einmal und steckte sie dann wieder in meine Tasche. Das konnte noch ein bisschen warten.
Auch die Computerabteilung war so gut wie unbesetzt. Ich grüßte und setzte mich an einen der Rechner. Niemand nahm Notiz von mir. Der Wagen, der mich verfolgt hatte, war auf eine Rentnerin zugelassen – ich hatte sie selbst gesehen. Eine Spur, die im Sande verlaufen war. Auch über Claus Braun wusste der Computer nicht viel zu sagen. Ich ließ alle Akten von Kranken- und Leichenschauhäusern mit einer Personenbeschreibung kontrollieren. Nichts.
Mir fiel nichts mehr ein, was ich den Computer fragen konnte. Meine Ermittlungen gediehen nicht besonders gut. Hätte ich die richtige Frage gewusst, hätte mir der Computer vielleicht behilflich sein können. Aber ich wusste sie nicht. So schlenderte ich zurück in Prossers Büro-das-ihm-an-Kälte-und-Unsympathie-(-falls-es-das-gab-)-in-nichts-nachstand und wartete noch ein bisschen. Als ich annahm, dass er beim Abendessen sein würde, rief ich bei ihm zuhause an.
„Prosser“, sagte eine dunkle kalte geschäftliche graue Stimme dunkel kalt und geschäftlich grau.
„Hier ist der Polizeipräsident“, sagte ich mit verstellter Stimme. „Kommen Sie sofort ins Präsidium. Es geht um Harry Rhode. Ich bin in Ihrem Büro-(…)!“ Dann legte ich auf und wartete.
Eine Viertelstunde später erschien ein atemloser Chef der Mordkommission in seinem Büro-das-jedem-Vergleich-mit-Prosser-standhalten-konnte. Wahrscheinlich hatte er sich ein paar Verkehrsregeln nicht gebeugt. Von seinem Platz hinterm Schreibtisch lächelte ich ihn an. Nachdem er sein Atemproblem überwunden hatte, fand er Zeit, Gelegenheit, Lust und Laune für Hass.
„Was machen Sie denn hier?“
„Warten.“
„Wo ist...“
„Der Polizeipräsident? Ist schon gegangen. Er meinte, wir könnten das alleine miteinander abmachen.“
„Abmachen? Was denn abmachen?“
„Das hat er mir nicht gesagt. Wissen Sie es denn nicht?“ Ich sah ihn scheinheilig an, um ihn aus der Fassung zu bringen.
„Verschwinden Sie, Rhode!“ zischte er zischend.
„Das ist aber ein gar unfreundlicher Ton.“ Ich erhob mich langsam. „Da fällt mir ein: Sind Sie eigentlich korrupt? Ich meine, das ist nur eine Frage. Sie können sie mit ja oder nein beantworten...“
Der Humor, den er nicht hatte, hatte ein Ende gefunden. „Raus!!!“ schrie er mehr als kursiv. Im Vorbeigehen ließ ich meine Marke vor seinem Gesicht schweben.
„Deswegen