Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie страница 4
Ich vollführte eine possierliche Verbeugung, ehe ich mich abwandte und davoneilte.
Hinter mir brüllte der Kommandant der Stadtwache zu seinen Männern: »Was steht ihr hier so rum? Na los, schnappt ihn! Schnappt ihn! Hinter her!«
Mein schwarzer Umhang flatterte hinter mir wie eine Fahne im Wind, während ich durch die Räume des Tempels wieder nach draußen eilte. Ich rollte die Schriftrolle mit der Kopie der Grabmalinschrift zusammen und steckte sie mir unter meinen Brustharnisch aus dunklem Bärenleder.
Doch wieder nach draußen zu gelangen war weniger einfach als erhofft.
Mir wurde von weiteren Wachen der Weg abgeschnitten, die mit Fackeln und gezogenen Schwertern eine enge Treppe empor rannten. Ich sah ihre Schatten und hörte ihre Schritte, einschließlich des Klapperns ihrer schweren Rüstungen, noch bevor sie mich wahrnahmen.
Ich hatte keine Wahl, ich musste zurückweichen, ehe sie mich entdeckten.
In einem Raum, der als Schlafkammer für Mönche diente, fiel mir ein Fenster ins Auge. Ich zögerte nicht, mir einen Fluchtweg zu schaffen.
Ich nahm einen Stuhl und warf ihn durch das Buntglas, das sofort zersprang. Der eisige Wind Carapuhrs wehte mir ins Gesicht. Ich liebte diese Kälte.
Der von mir verursachte Lärm lockte die Wachen zu mir.
Von der Straße darunter hörte ich erschrockene Ausrufe, und als ich aus dem Fenster kletterte, konnte ich sehen, dass ich eine junge Frau mit dem Stuhl getroffen hatte. Sie lag umringt von Menschen auf dem gepflasterten Weg der steinernen Stadt, unter ihrem Kopf breitete sich langsam eine dunkelrote Blutlache aus und ein kleines Mädchen mit blonden Locken – offenbar ihre Tochter – stand schockiert daneben.
Ich könnte jetzt behaupten, es täte mir leid. Aber ich will nicht lügen, es war mir einfach egal. Wenn es mir einen Vorteil verschafft hätte, dann hätte ich die ganze Stadt niedergebrannt. Lächelnd. Denn in meinem Leben stand ich mir selbst am nächsten, größtenteils weil mir beigebracht wurde, dass ich nur mir selbst vertrauen kann. Na ja, abgesehen davon wollten mich ohnehin alle anderen tot sehen. Kaltherzig zu sein bedeutete für mich: Überleben.
Ich schwang beide Beine über den Fenstersims, und schnitt mich am zerbrochenen Glas, mein Lederhandschuh füllte sich mit meinem eigenen Blut. Ich begrüßte den Schmerz, er sandte ein wohliges Kribbeln durch meinen Körper. Ich spürte Schmerz – ich lebte noch; was nicht selbstverständlich war.
Hinter mir eilten die Wachen in den Raum.
»Da ist der Eindringling!«, riefen sie.
Ach ne, dachte ich mir genervt, und fragte mich insgeheim, warum manche Männer das Bedürfnis hatten, immer alles, was sie taten oder sahen, zu kommentieren. Vor allem wenn es ohnehin offensichtlich war.
Unter mir positionierten sich weitere Stadtwachen. Mit Bögen. Geschosse flogen mir entgegen. Ich wich einem Pfeil aus, der in den Raum flog und eine Wache zwischen den Augen traf, die mich gerade von hinten hatte packen wollen.
Ich richtete mich auf, gab einer weiteren Wache einen Fußtritt und stieß sie damit gegen zwei ihrer Kameraden. Alle drei gingen in den Raum zu Boden. Eine andere Wache stieß mit dem Schwert nach mir, ich warf mich halb zur Seite, baumelte kurzzeitig in der Luft, konnte mich aber am Fensterrahmen festhalten.
Der Schwertstich ging es Leere, ich packte das Handgelenk der Wache und zerrte sie durch das Fenster.
Brüllend fiel der junge Mann. Sein Schädel zerplatzte auf dem Gestein zu meinen Füßen.
In Ordnung, sagte ich gedanklich zu mir selbst, nach unten war eine schlechte – wenn nicht sogar eine ganz bescheuerte – Idee. Es sei denn ...
Ich fixierte mit meinen durchdringenden Augen einen Bogenschützen, der mit einem Pfeil auf mich zielte. Seine Augen wurden groß, als ich mich auf ihn fallen ließ.
Mein Gewicht riss ihn zu Boden, sein Körper federte meinen Aufprall ab, doch er war noch bei Bewusstsein.
Ich packte seinen Kopf, der in einem Helm ohne Visier steckte. Er blinzelte mir ängstlich in die Augen, als ich ihn ansah und charmant lächelte. »Danke«, sagte ich höflich, weil er mich – mehr oder weniger unfreiwillig – aufgefangen hatte. Meine Mutter hatte mir Manieren beigebracht, ich wollte sie nicht beleidigen, indem ich einfach alles vergaß, was sie mich gelehrt hatte.
Dann schlug ich seinen Kopf auf den gepflasterten Weg und er wurde ohnmächtig.
Ich richtete mich auf und wollte den steilen Weg zum Südtor der Stadt hinunter hechten, als ein weiterer Schütze vor mir auftauchte.
Ergebend hob ich ein Stück meine Hände und wich zurück.
»Ergib dich, Dieb!« Die Spitze seines Pfeils zeigte auf meine Brust, ich hätte gern verhindert, dass sie mich durchbohrte.
»Dieb?« Ich sah mich um, als könne er unmöglich mich damit meinen. »Ich sehe hier keinen Dieb.« Eigentlich hatte ich ja auch nichts gestohlen. Zumindest nichts, was der Stadt und dem Jarl gehörte, ich hatte nur den Tempel und einen Toten bestohlen. Und eigentlich war ich auch kein einfacher Dieb.
»Ergebt Euch, Jungchen«, forderte der Bogenschütze. »Ihr habt keine Chance zu entkommen.«
Ich brach in Gelächter aus. Das irritierte die Wache.
Plötzlich wurde ich tot ernst: »Abwarten!« Ich zog mein Schwert.
Der Bogenschütze ließ den Pfeil sausen. Er traf mich in der Schulter, mein Arm wurde leicht zurückgeworfen, und ich brüllte auf.
Triumphierend grinsend, glaubte der Schütze, dass er mich getroffen hatte.
– Hatte er auch.
Er dachte, das hielte mich auf.
– Tat es aber nicht.
Der arme Narr hatte ja keine Ahnung, dass der Schmerz eine Art Lebenselixier war, das mich wachrüttelte und mich stärker machte. Ich liebte den Schmerz, solange er mich nicht umbrachte.
Mit dem Pfeil in meinem Körper, der glücklicherweise nicht in jener Schulter steckte an der mein Schwertarm hing, stürmte ich auf die Wache zu. Ich zerschlug mit dem Schwert seinen Bogen, packte den blauen Wappenrock – der über seiner Rüstung gespannt war – und stach ihm meine Klinge direkt durch den Kehlkopf schräg nach oben in sein Hirn. Mein Schwert durchbrach seinen Schädel, tote Augen starrten mir entgegen. Immerhin hatte ich ihm einen schnellen Tod gewährt. Eine Gnade, die ich wirklich nicht vielen meiner Opfer zuteilwerden ließ.
Ich zog mein Schwert heraus und ließ den toten Körper zu Boden fallen. Schreiende Frauen, die zuvor mit sicherem Abstand zugesehen hatten, rannten in alle Himmelsrichtungen davon, ihnen folgten mit noch schrillerem Geschrei viele Männer.
Ich grinste zufrieden.
Sie hatten Glück, das ich kein Sadist war, ansonsten wäre ich ihnen hinterhergerannt,