Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie страница 6
Die anderen Brüder warfen sich stumme Blicke zu. Sie teilten Lazlos Ansicht, das konnte ich ihnen ansehen, doch sie wagten es nicht, mir das mitzuteilen.
Kluge Entscheidung.
»Also, mein Bruder ... « Ich lenkte mein Pferd, das ich Kostja abgenommen hatte, neben Lazlos und zog einen Dolch.
Lazlo schluckte, als ich die Spitze der Klinge über sein mit dunklen Stoppeln überzogenes Kinn kratzen ließ.
»Vielleicht ... gewinnt das ja deine Zustimmung.« Mit einer geschickten Handbewegung warf ich den Dolch kurz in die Luft und fing ihn an der Klinge wieder auf. Ich reichte Lazlo den goldenen und mit Edelstein verzierten Dolchgriff.
Ich grinste.
Lazlos erwiderte zögerlich mein Grinsen und nahm den Dolch an sich, den ich aus dem Tempel mitgenommen hatte.
»Und für meine anderen Brüder ... « Ich wendete mein Pferd und leerte meine Taschen. Schmuck und das Priestergewand fielen auf den schneebedeckten Boden.
Sofort sprangen die habgierigen Brüder aus den Sätteln und prügelten sich um die Beute, die ich ihnen mitgebracht hatte.
Ich ergötzte mich an dem Anblick, wie sie auf den Knien vor den Hufen meines Pferds miteinander rangelten.
Derrick trieb sein Pferd neben meines, die beiden Hengste keiften sich kurz an, ehe wir sie unter Kontrolle bringen konnten.
»Sagte Menard nicht, du sollst dich rein schleichen und mit einer Abschrift des Grabmals des Drachenflüsterers zurückkommen?«, fragte Derrick amüsiert.
Ich zeigte ihm kurz die Papierrolle, die ich beschützend an meinem Körper transportierte, und zwinkerte meinem alten Freund dann zu. »Habe ich doch. – Eine originale Kopie der Inschrift des Grabmals des Priesters Odilo, besser bekannt als der Drachenflüsterer.«
»Menard sagte auch, du sollst weder töten noch stehlen«, erinnerte sich Derrick.
»Ich kann doch nicht ohne Geschenke zu meinen Brüdern zurückkehren«, schmunzelte ich.
Derrick nickte zustimmend.
Meine erheiterte Miene wurde plötzlich hart, als ich anfügte: »Außerdem gibt mir niemand Befehle. Nicht einmal dieser uralte Schamane Menard.«
Vom Berge ertönte das Röhren eines Horns und ich blickte zur steinernen Stadt hinauf.
Sie war so groß, dass sie selbst vom Fuße des Berges gigantisch wirkte. Sie war der Berg.
»Sie rufen Verstärkung«, wusste Derrick. »Und warnen die umstehenden Truppen der Elkanasai.«
Die Elkanasai waren das spitzohrige Volk, das Carapuhr vor zehn Jahren besetzt hatte. Und sie waren meine größten Feinde.
Ich nickte, während ich mir gleichzeitig vorstellte, wie die Wachen von Bons meine Nachricht fanden, die ich in die entkleidete Mumie eingeritzt hatte. Auf deren Bauch stand nun: »Die Pest auf euer aller Häuser, Verräter!«
Ein helleres Horn antwortete. Die Elkanasai.
Ein Trupp war ganz in der Nähe. Nun blickten auch meine Waffenbrüder auf.
»Wir sollten gehen«, sagte Derrick nervös. Sein Pferd tänzelte, als sich die Anspannung von Reiter auf Tier übertrug.
Ich hasste es, dass er sich anmaßte, mir ständig seine Vorschläge zu unterbreiten. Aber er hatte Recht.
Mich dürstete es nach dem Blut meiner Feinde, aber ich hatte nur die wenigstens meiner Brüder bei mir und es wäre nicht klug, sich dem Feind zu stellen, wenn man unterlegen war.
Ich warf noch einen hasserfüllten Blick über den Berg, von dessen Gipfel das Horn der Elkanasai erklungen war. Dann zerrte ich an den Zügeln meines Pferdes und knurrte meine Söldnertruppe herrisch an: »Verschwinden wir hier!«
Ohne zu zögern warfen sie sich auf ihre Pferde. Derrick nahm sich ein Herz und zog Kostja auf sein Ross.
Wut flackerte in mir auf. Jene Wut, die ich selten kontrollieren konnte.
Was fiel Derrick ein, einfach Kostja zu helfen, wenn ich bereits entschieden hatte, dass er ebenso gut zu Fuß gehen konnte?
Ich konnte es nicht ausstehen, wenn Derrick dort Güte zeigte, wo ich kaltherzig war.
Eine Frechheit!
Aber ich konnte mich selbst bezwingen und den Dämonen in mir Einhalt gebieten.
Zumindest vorerst.
»Vorwärts!«, trieb ich meine Männer an und ritt ihnen wütend voraus.
Wütend über Derrick, wütend über mich, weil es mich wütend machte, und wütend, weil ich ein weiteres Mal vor meinen Feinden fliehen musste, statt mich ihnen entgegen zu stellen.
Wut war ein in mir allgegenwärtiges Gefühl, aber so war es nicht schon immer gewesen.
2
Zwölf Jahre zuvor ...
Derrick war ein schmutziger Bauernjunge ohne jegliche Manieren, der jedoch große Träume hatte. Eines Tages wollte er sich einen Platz in der königlichen Armee Carapuhrs sichern. Er wollte ganz weit nach oben, er wollte Kommandant oder sogar Hauptmann werden. Doch seine hochgesteckten Ziele waren für ihn nicht zu erreichen.
Glaubte er.
Derrick war bereits siebzehn Jahre alt. In Carapuhr wurden Jungen aber schon mit zwölf in die Armee eingezogen. Ihm fehlten ganze fünf Jahre Erfahrung und wichtiges Training. Dabei wäre er ein guter Soldat geworden. Doch sein Vater, ein armer Bauer, hatte andere Pläne mit ihm gehabt und versteckte seinen talentierten Sohn vor den Soldaten des Königs. Weil er ihn für die Feldarbeit benötigte. Damit er seine Familie über den Winter bringen konnte, hatte Derricks Vater behauptet, sein Sohn sei gestorben.
Derrick war der einzige Sohn unter fünf Schwestern. Er unterschied sich sehr von anderen Jungen und hatte keine Freunde. Ihn interessierten die Nöte seiner Familie nicht, so war es auch nicht ungewöhnlich, dass er mit siebzehn genug von seinem einfachen Leben hatte und seine Familie ohne schlechtes Gewissen verließ.
Sein Weg führte ihn ohne Umwege direkt zur königlichen Burg.
In der unteren Stadt lebte er einige Monate im Schatten der Burg als einfache Gassenratte. Was er dort erlebt hatte, würde er nicht einmal unter Folter erzählen. Nur soviel sei verraten: In der Unteren Stadt, Heimat aller Schurken, war ein junger Bursche nichts weiter als eine freilaufende Hure. Aber Derrick hatte es überstanden, hatte die Monate überlebt, wurde zäher durch seine Erfahrungen.
Der Hunger trieb ihn schließlich in die wohlhabende Hohe Stadt, doch er war kein geschickter Dieb. Er hätte sich lieber von Beginn an als Söldner verdingen sollen.
Er wurde erwischt, als er einem Adeligen den Silberbeutel vom Gürtel schneiden wollte.
Derrick floh