Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Der verborgene Erbe - Billy Remie Legenden aus Nohva 5

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Drache in ihm. »Ich kann sie spüren.«

      »Ich weiß, dass du noch hier bist!« Seine Stimme klang kratzig, aber trotz der Erschöpfung noch erstaunlich laut. »Stell dich deinem letzten Kampf, Herrin der Gewässer!«

      »Was lässt Euch annehmen, es könnte mein letzter Kampf sein?« Das Wasser blubberte leise, als die samtweiche Stimme der Gottheit erklang. Zunächst war nichts zu sehen, außer Luftblasen, die über die klare, unbewegte Oberfläche des Wassers immer weiter zum Ufer gelangten. Dann erschien ganz langsam ein Scheitel mit dunklem Haar aus dem Wasser. Die junge Frau, die langsam dem See entstieg, war das genaue Ebenbild der weiblichen Seite der Statue. Groß, graziös, schlank. Anmutig und weich. Wunderschön. Zu schön um sterblicher Natur zu sein. Dunkles, langes Haar, das trocken aus dem Wasser hervorkam, ganz anders als ihre vor Nässe triefende, blasse Haut, und die feuchte Tunika, die sich durchsichtig um ihren eleganten Körperbau schmiegte.

      Ein verwegenes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie aus dem Wasser trat und voller Triumph ihren vollständig geheilten Körper präsentierte.

      Er blinzelte ärgerlich. »Das ist kein gerechter Kampf.«

      »Ihr seid sterblich. Ich bin es nicht.« Sie lachte kehlig und ließ die Arme fallen. »Habt Ihr denn wirklich geglaubt, es wäre so einfach, König Lugrain?«

      Noch immer auf den Knien sitzend, streckte er den verletzten Schwertarm aus und zeigte mit der Spitze der Drachenflügelklinge auf ihre Gestalt. »Ich hätte dich schon beinahe besiegt!«

      »Beinahe«, stimmte die Gottheit zu, sie schlenderte um den Hain herum, raffte dabei ihre nasse Tunika, und hinterließ feuchte Fußabdrücke auf dem Gestein. »Aber jetzt stehen die Verhältnisse anders, richtig? Jede Wunde, die Ihr mir zufügtet, König, ist geheilt, aber Eure Wunden …«, sie hielt die Nase in die Luft und atmete genüsslich ein, » … reichen tief.«

      »Weil du feige geflohen bist, Monster! Ich hätte dich längst besiegt, wärest du nicht aus einem gerechten Kampf davongerannt.« Schwerfällig kam Lugrain auf die Beine. »Sei es drum. Ich verletzte dich schon einmal, Kreatur, es wird mir ein Leichtes sein, es zu wiederholen!«

      Die Gottheit betrachtete Lugrain mit gesunder Vorsicht, als er sich mühsam wieder aufrichtete und den stolzen Rücken durchdrückte.

      »Ihr wollt nicht aufgeben?«, fragte sie verwundert über ihn. Neugierig verengte sie ihre schönen Augen. »Trotz Wunden? Trotz, dass ich Euch überlegen bin, sterblicher König?«

      Lugrain begann zu grinsen. »Ich habe bisher gerecht gekämpft, aber wenn du mit faulen Tricks und mit Magie kämpfen willst, habe auch ich noch eine Überraschung für dich …«

      Sie machte einen ängstlichen Schritt zurück, als sich Lugrains sterbliche Augen in die geschlitzten Pupillen des Wesens verwandelten, das Zazar mit seiner Seele verflochten hatte. Er bleckte die Fänge und knurrte tief in der Brust.

      Die Gottheit wurde sichtlich blasser.

       »Sie hat Angst, weil du der erste bist, der sie verletzte.«

      Ermutigt machte Lugrain einige Schritte auf sie zu. Sie wandte den Kopf etwas zur Seite, als wollte sie zurückschrecken, blieb aber trotzig vor dem Altar stehen, der zu ihren Ehren erbaut worden war.

      »So schwer verletzt könnt Ihr unmöglich eine Verwandlung riskieren!«, glaubte sie, doch ihr war ihre Unsicherheit anzuhören.

      »Die Gefahr ist es wert«, grollte der Drache.

      Lugrain log mit höhnischen Grinsen: »Oh doch, das kann ich. Ich kann mich zu jeder Zeit verwandeln.«

      Sie forschte nervös in seinen Augen, dabei machte sie fast unscheinbar einige Schritte zurück.

      Lugrain nutzte ihre Unsicherheit aus und sprang mit allerletzter Kraft auf sie zu. Er packte ihre Kehle, sie zog erschrocken die Luft ein, und er drückte sie mit dem Rücken grob über den Altar. Er spürte bereits unter seinen Fingern ihre Haut weich und kühl werden, als wollte sie sich ein weiteres Mal in Wasser auflösen.

      Dieses Mal entkam sie ihm nicht, er hob das Schwert an, das sein Schmied mit Hingabe für ihn gegossen, und das Zazar mit Liebe für ihn verzaubert hatte, um genau das zu tun, was er hier gerade tat: Monster zu töten.

      »Wartet!«, rief sie erstick, als die Spitze der Klinge in ihren Hals drückte, und verhinderte, dass sie ihm entwichen konnte. »Ist gut, König, Ihr habt mich überzeugt.«

      Lugrain runzelte seine markante Stirn. »Was meinst du damit?«

      »Ihr müsst mich nicht vernichten!«

      »Doch, das muss ich!«, zischte er wütend. »Wir sind im Krieg! Wegen Wesen wie dir! Mein Volk hungert, mein Volk stirb hier. Ich muss die See bändigen, damit meine Fischer wieder Nahrung finden, da die Dämonen den Wildbestand der Wälder fast vollständig ausgelöscht haben. Und anstatt den Sterblichen beizustehen, wie es die Pflicht einer angeblichen Gottheit gewesen wäre, zwingst du meine Völker in die Knie. Lässt sie Hunger leiden. Verschlingst mit deinen Wellen meine kostbaren Schiffe. Verhinderst, dass die Unschuldigen auf Inseln fliehen können, bis ich den Krieg für sie beendet habe!«

      Die Wut über die Nachlässigkeit der Kreatur ließ Lugrains Schwertarm zittern.

      »Du hast die Wahl«, zischte er drohend, »entweder du ergibst dich meiner Klinge, oder ich verwandle mich in das Wesen, das dazu geschaffen wurde, Kreaturen wie dich zu fressen.« Er drückte ihr das Schwert noch etwas tiefer in die Haut, bis goldenes Blut glitzernd hervorquoll.

      »Ich bin noch nie einem Sterblichen wie Euch begegnet«, sagte die Gottheit geradezu fasziniert. »Ihr seid der erste Mann, dem es gelang, so viele unterschiedliche Völker zu einen, und der erste, der König eines wilden, freien Landes wurde. Ein Mann, dem es gelang, einen Halbgott-Halbdämon an sich zu binden. Ein Mann, dem zu folgen es sich lohnt. So stolz, so hartnäckig, selbst im Angesicht des Todes. Ihr wollt Euch selbst opfern, um die Völker zu retten, die Ihr zu schützen geschworen habt … Ein Märtyrer, gewiss. Doch Euren tiefsten Wunsch kennt nur Ihr selbst, und der Drache in Euch. Denn Ihr wollt sterben, selbst wenn Ihr Euer geliebtes Halbwesen dafür im Stich lassen müsst. Ihr wollt sterben, um die wiederzusehen, die Ihr einst geliebt habt. Aber Euer Tod wird Unheil anrichten, König. Euer Sohn wird viel Blut vergießen. Eure Freunde, denen Ihr den Thron überlasst, werden ihn nicht mehr hergeben, Euch werden sie aus der Geschichte verbannen. Und Euer Bellzazar … wird zerbrechen an den Spielen, die die neuen, ach so barmherzigen Götter für ihn bereithalten.«

      Lugrain wollte nicht länger zuhören, zu nahe lag die Gottheit an der Wahrheit und an seinen tiefsten Ängsten. »Spar dir deinen letzten Atemzug für dein Todesröcheln auf!« Lugrain wollte zustechen …

      »Ich lasse mich von Euch bändigen, König, der über die freien Länder wacht!«

      Lugrain hielt überrascht inne.

      »Ich werde Euch gestatten, mich zu bannen«, wiederholte die Gottheit, als Lugrain ihr fragend in die dunklen Augen blickte.

      Lugrain konnte ihr nicht glauben.

       »Sie sagt die Wahrheit.«

       Sie könnte uns täuschen.

      »Ich werde Euch helfen, den Dämonenfürsten aufzuspüren. Ich werde sogar ohne Aufstand in die Unterwelt gehen und dort verharren,

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