Andran und Sanara. Sven Gradert

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Andran und Sanara - Sven Gradert Band 1&2

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dass der gesamte Bereich rund um den Hügel von Soldaten abgesperrt war. Die Kriegszauberin hatte den Kommandostand gefunden. Suchend blickte sie sich um und entdeckte einen Karren, der hinter einem der einfachen Zelte abgestellt war. Zudem war es dort, wo das Gefährt stand, relativ dunkel. Flink begab sie sich dorthin und krabbelte unter den Karren. Dann wartete sie noch einen Moment ab, aber ganz offensichtlich hatte sie niemand bemerkt. Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. Die Kriegszauberin musste noch einmal an Sanara und ihre täglichen gemeinsamen Übungen denken. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie an ihre erste Begegnung mit Filou zurückdachte. Dann begann sie sich zu konzentrieren.

      Wie üblich fing die Luft, die sie umgab, an zu flirren und zu schwirren. Mai ließ jedoch nicht ihren Willen wirken. Sie fuhr so stark fort, sich zu konzentrieren, dass ihre Adern an Hals und Armen hervortraten. Der Karren, unter dem sie sich befand, begann sachte zu schaukeln und kleine Holzsplitter lösten sich aus seinen Brettern. Völlig in sich versunken, konnte Mai die göttliche Quelle in ihrem Körper spüren. Die Kraftquelle, der alle Magier ihre Macht verdankten. Vorsichtig begann sie ihren Willen zu lenken, ließ ihn jedoch nicht frei, um ihn stärker und stärker werden zu lassen. Ihre Adern begannen zu pochen und zu schmerzen, der Schweiß rann in Strömen aus allen Poren ihres Körpers. Doch das bemerkte sie gar nicht mehr. Sie spürte nur noch ihren Willen der so stark wurde, bis sie ihn nicht mehr halten konnte. In diesem Augenblick lenkte sie ihn urplötzlich in ihr innerstes. Sie ließ ihren Willen auf ihre göttliche Quelle los. Ihre Körperorgane erlitten sofort einen totalen Zusammenbruch, das Blut in ihren Adern begann zu kochen. Die Atome ihres Körpers schossen, von ihrem Willen gelenkt, auf ihre Quelle. Durch die hieraus entstandenen Kollisionen in ihrem Körper kam es zu einem Umkehreffekt. Ihre Quelle explodierte. Es entstand ein ohrenbetäubender Knall, dessen Druckwelle noch auf den Wehranlagen Dirans zu spüren war. Gleichzeitig durchschlug ein Lichtblitz den Karren und schoss senkrecht in den Himmel, während die Kraft der gewaltigen Explosion nahezu das gesamte Heerlager verwüstete. Druckwelle jagte um Druckwelle aus dem Kern der Explosion, der vor wenigen Augenblicken noch Mais Körper darstellte. Ringförmig rasten die Detonationswellen vom Kern fort und brachten Tod und Zerstörung über alles was die Explosion überlebte.

      Die Verteidiger auf den Wehranlagen Dirans mussten sich die Hände vor die Augen halten, als der grelle Lichtblitz in den Himmel emporschoss. Die Explosion war verheerend, die nachfolgenden Druckwellen katastrophal. Das feindliche Heerlager war sekundenlang taghell erleuchtet. Ungläubig beobachteten die Soldaten auf den Wehranlagen, die sich rasch ausbreitende Zerstörung.

      „Ich denke, das dürfte euer Zeichen sein!“ brüllte Vitras lautstark, damit General Gisdern ihn bei dem ohrenbetäubenden Lärm hören konnte. Gisdern zitterte am ganzen Körper. Schnell sammelte sich der Offizier jedoch wieder und rannte zu den wartenden Einheiten. So schnell die Katastrophe über Harun Ar Sabahs Armee hereinbrach, so schnell war alles wieder vorüber. Vitras gab dem Tor Kommandanten ein Handzeichen, woraufhin dieser das Haupttor öffnen ließ. Vitras blieb auf dem Wehrgang oberhalb des Tores und beobachtete, wie die viertausend Keldianer aus dem Tor preschten und auf das feindliche Heerlager zuhielten. Dort angekommen, bot sich ihnen ein Bild der kompletten Zerstörung. Die Keldianer ritten durch ein Meer aus Schutt und leblosen Körperteilen. Wann immer sie Überlebende fanden, töteten sie diese aus einem Akt des Erbarmens und Mitleids – und nicht länger, weil es sich um den Feind handelte. Der Sieg über Harun Ar Sabahs Armee war komplett und total.

      Vitras blieb lange auf der Wehranlage stehen und schaute abwechselnd, mal zum Sternenfirmament dann wieder zum zerstörten Heerlager. Dabei dachte er an Mai. Als die ersten Keldianer zurückkehrten und von der Niederlage des Feindes berichteten, brach ein ohrenbetäubender Jubel auf den Mauern aus. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Nachricht in der gesamten Stadt aus. Trotz des Sieges mochte in Vitras keine Freude aufkommen. Erleichterung gewiss, aber keine Freude. In Gedanken versunken verließ er die Wehranlagen, stieg auf ein Pferd das ihm ein junger Diranischer Soldat brachte und ritt zurück zum Palast. Von überall strömten die Bewohner Dirans auf die Straßen und feierten überschwänglich.

      Im Palast angekommen suchte Vitras erneut Mais Gemächer auf und setzte sich wieder auf den kleinen Schemel. Bis zum frühen Morgen blieb er dort sitzen und dachte an all die schönen Momente mit der stolzen Kriegszauberin zurück. Ihre Trainingseinheiten mit Sanara, ihre gespielte Furcht vor Filou oder auch die Art wie sie ihre Augen verdrehte, wenn sie kurz davor stand einen Wutanfall zu bekommen. Noch immer stand das Paket dort, wo er es am Vortag abgestellt hatte. Er hob es auf, verließ den Raum und ging zu seinen und Sanaras Gemächern. Er hatte Angst vor dem was nun vielleicht kommen mochte. Als er die Tür öffnete stand Sanara schon fertig angezogen im Zimmer und begrüßte ihn.

      „Guten Morgen Großvater! Ist es wahr, wir haben wirklich gewonnen?“

      Vitras nickte ihr lediglich zu: „Ja es ist wahr. Der Feind ist geschlagen!“

      „Das sind ja großartige Neuigkeiten,“ erwiderte sie, während sie sich ihr Kurzschwert anlegte.

      „Ich werde gleich zu Mai gehen und sie fragen ob wir das Training wieder aufnehmen können.“

      Vitras schritt auf seine Enkeltochter zu und beschloss sich genau an Mais Worte zu halten.

      „Ihr werdet ihr gar nichts sagen müssen. Wenn es vollbracht ist gebt ihr das hier. Sie wird dann verstehen.“

      „Ich habe hier etwas für dich,“ brachte er in einem stockenden Tonfall hervor: „Etwas, dass ich dir von Mai geben soll!“

      Überrascht nahm Sanara das Paket aus den Händen ihres Großvaters und bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Als sie ihm ins Gesicht schaute, wurde ihr schlagartig klar, dass etwas schreckliches passiert sein musste. Vitras fuhr einmal zärtlich mit seiner Hand über Sanaras pechschwarzes Haar. Dann drehte er sich um und verließ die Räumlichkeiten wieder. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte ging Sanara mit dem ziemlich großen Paket in ihr Zimmer, stellte es auf ihr Bett und setzte sich daneben. Filou schnupperte interessiert an den Leinentüchern, die das Paket umschlossen während Sanara die Lederschnüre auseinander band, um es zu öffnen. Ihr Herz krampfte sich zusammen als sie den Inhalt sah. Fein säuberlich zusammen gelegt befand sich Mais schwarzer Kampfanzug darin, mitsamt all den Wurfsternen, Messern und einem nagelneuen Paar Stiefeln. Obenauf lag ein zusammengefalteter Brief. Sanara nahm das Papier in ihre Hände und konnte urplötzlich ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie Mai niemals wiedersehen würde. Dann faltete sie den Brief auseinander und begann zu lesen.

       Liebe Sanara,

       wenn Du diese Zeilen liest, werde ich im großen Sanktrum wandeln. Es tut mir unendlich leid, dass mir nur so wenig Zeit mit Dir vergönnt war.

       Verliere Dich nicht in Traurigkeit oder finsteren Gedanken. Führe Dein Training fort so wie ich es Dich gelehrt habe. Der Tag wird kommen, an dem Dein Großvater nicht mehr auf Dich Acht geben kann. Dann ist es an Dir auf ihn acht zu geben. Deine Göttliche Quelle ist dermaßen stark, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Gepaart mit Deinem Kampfgeschick, wirst Du eines Tages die mächtigste Kriegszauberin werden, die es je gab.

       Mache es Dir zur Aufgabe Deinen Bruder zu finden, damit ihr gemeinsam die Prophezeiung erfüllen könnt.

       Ich liebe Dich, wie ich eine Schwester geliebt hätte. Dich, Deinen Großvater und natürlich Deinen kleinen Drachen.

       Mai

      Sanara faltete den Brief zusammen, legte ihn sorgsam in das Paket zurück und verschnürte es wieder.

      „Eines Tages bin ich soweit dein Geschenk tragen zu können!“ flüsterte Sanara: „Dann werde ich nicht nur meinen Bruder finden,

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