Andran und Sanara. Sven Gradert
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 56
„Bist du verletzt? Bist du in Ordnung Sanara?“ fragte Mai als sich das Mädchen zu ihr herumdrehte. Ein schwacher Lichtschein fiel vom Flur ins Zimmer so dass Mai Sanaras Gesichtszüge erkennen konnte. Dabei entdeckte die Kriegszauberin einen Ausdruck, den sie nie zuvor bei dem Mädchen sah, und der sie schlucken ließ.
Von all dem Lärm herbeigerufen, erklangen von weitem die Rufe und Schreie besorgter Wachen, die sich rasch näherten. Mai und Sanara starrten sich nur wortlos an, als sie auch schon Vitras kräftige Stimme vernahmen. Filou lag inzwischen wieder auf Sanaras Schultern, als Mai die Fackeln Kraft ihres Willens neu entfachte. Im nächsten Augenblick kam Vitras in Begleitung mehrerer Wachen ins Zimmer gestürmt.
„Was bei allen Göttern ist hier los?“ brüllte Vitras entgeistert. Als er die toten Rosendiener und die zerstörte Balkontür wahrnahm, bekam seine Stimme einen beinahe ängstlichen Unterton:
„Sanara, was ist hier geschehen?“
Sanara stand jetzt mitten im Raum und antwortete ihrem Großvater in einem kalten, fast schon gelangweilten Tonfall:
„Ich habe ihn getötet Großvater! Ich habe Meister Brehm getötet!“
Vitras blickte fragend zu Mai, die jetzt an einer Wand gelehnt auf dem Fußboden saß und ihr Gesicht in den Händen vergrub. Sie weinte. Vitras schritt durchs Zimmer, an seiner Enkeltochter vorbei und betrat den Balkon. Dann schaute er herunter auf den Hof. Er erblickte den zerschmetterten Körper von Meister Brehm und eine mittlerweile stattliche Anzahl von Soldaten, die aufgeregt hin und her liefen. Dabei brüllten sie Befehle in alle möglichen Richtungen. Der Kriegszauberer rief ihnen hinunter, dass im Palast alles in Ordnung sei, und er sich persönlich um die Angelegenheit kümmern wolle. Durch die Wachmannschaften ging ein Ruck der Erleichterung. Dann schickten sie sich an den Leichnam fort zu schaffen. Vitras kehrte um und betrat wieder das Zimmer. Er befahl den Soldaten, ihn und Mai allein zu lassen. Als er auch Sanara bat in ihre Gemächer zu gehen, bedachte das Mädchen ihren Großvater mit einem Gesichtsausdruck, dass dieser regelrecht erschrak.
„Nein Großvater, ich werde nicht gehen! Ich bleibe bei dir und Mai. Ich will wissen warum das alles geschehen ist!“
Vitras bedachte sie mit einem prüfenden Blick, dabei wurde ihm bewusst, dass er seine Enkeltochter nicht länger wie sein kleines Mädchen behandeln konnte. Die Zeit war gekommen, dass er ihr einiges erklären musste.
„Also gut, wie du möchtest!“
Vitras gab dem Leutnant der Wache, der sich als einziger Soldat noch im Zimmer befand, ein Zeichen, worauf er den Raum ebenfalls verließ. Die von Mai eingetretene Tür ließ sich jedoch nicht mehr schließen. Ein Gedanke des Kriegszauberers reichte jedoch aus, um dies Problem zu lösen. Vitras befand sich nun mit seiner Enkeltochter und Mai allein in Brehms Gemächern. Er ging zunächst zum Schreibtisch des Toten und nahm einige Papiere vom Tisch, die er überflog. Mai saß noch immer auf dem Boden und schien komplett in ihrer eigenen Welt versunken. Der Verrat ihres ehemaligen Mentors, des Mannes der einen Vaterersatz für sie darstellte, hatte sie schwer getroffen. In all den Jahren nichts bemerkt zu haben und ihm völlig zu vertrauen, ließ sie jetzt an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln.
„Was ist hier genau vorgefallen Sanara?“
Seine Enkeltochter schaute zu ihm herüber und erzählte ihm warum sie sich hinter dem Vorhang versteckte, und was sie zu hören bekam als Brehm den Raum betrat. Wie Filou plötzlich zu Boden sprang, woraufhin der Rosendiener sie entdeckte, zu Boden warf und trat. Dann ging sie zu Mai und setzte sich neben sie. Behutsam legte Sanara ihre Hand auf Mais Schulter, wodurch diese aus ihren Gedanken gerissen wurde. Mai legte nun ihrerseits eine Hand auf die Sanaras und lächelte sie an. Die stolze Kriegszauberin hatte rot geränderte Augen, die noch immer feucht waren.
„Mai stürmte plötzlich in den Raum!“ fuhr Sanara fort: „Als ich sah das Meister Brehm ihr schaden wollte und noch weitere Männer hereinstürmten da... da habe ich meinen Willen wirken lassen.“
„Mit beachtlichen Erfolg!“ stellte Vitras trocken fest wobei er seinen Blick von den toten Rosendienerin zur zerstörten Balkontür schweifen ließ.
Mai streichelte Sanara jetzt über ihren Kopf:
„Du hast genau richtig gehandelt!“
Vitras setzte sich auf den Stuhl hinter den Schreibtisch und versuchte, Sanaras Schilderungen zunächst zu verarbeiten. Dabei fiel ihm auf, dass die Tischplatte ungewöhnlich dick war. Er ließ seine Hände unter der Platte am Rand entlang gleiten und entdeckte einen Druckknopf. Als er ihn betätigte, ertönte ein kaum wahrnehmbares Klicken und die Oberseite der Tischplatte ließ sich ein Stück nach vorn schieben. In dem Geheimfach befanden sich jede Menge Dokumente über die Rosendiener, Listen ihrer Mitglieder aber auch Nachrichten aus Kushtur. Vitras wurde bleich vor Zorn, als er daran dachte, was Brehm mit seinem Verrat bisher angerichtet hatte – vor allem aber was er noch hätte anrichten können.
„Warum wollten mich Meister Brehm und seine Gefolgsleute entführen, sobald die Kämpfe beginnen?“ Sanaras Frage schnitt wie ein scharfes Messer durch die momentane Stille des Zimmers:
„Und was hat das mit dem Zwilling zu tun?“ fügte sie noch fragend hinterher. Der Wind, der durch die zerstörte Balkontür blies, ließ das Feuer einiger Fackeln hin und her tanzen. Mai erhob sich, stellte sich hinter Sanara und legte ihre Hände auf die Schultern des Mädchens. Dann nickte sie Vitras zu. Der Augenblick, vor dem sich der Kriegszauberer so lange gefürchtet hatte war gekommen. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte, obwohl er diesen Moment der eines Tages kommen musste, tausendfach in seinen Gedanken durchgegangen war. Also platzte er einfach mit dem heraus, von dem er annahm, dass es Sanara am meisten beschäftigte:
„Du hast einen Bruder Sanara. Genauer gesagt... einen Zwillingsbruder!“
Seine Enkeltochter setzte einen ungläubigen Gesichtsausdruck auf und blickte ihren Großvater an, als wäre er eines dieser sagenumwobenen Einhörner. Alles was sie bisher über ihre Familie zu wissen glaubte war, dass ihre Eltern früh verstarben und sie deswegen bei ihrem Großvater lebte.
„Aber... aber wieso hast du mir das nie erzählt? Ist er noch am Leben? Geht es ihm gut?“ fragte sie aufgeregt. Dabei löste sie sich von Mai und trat an den Schreibtisch heran.
„Ich weiß es nicht mein Kind! Bei den Göttern, ich wünschte, ich wüsste wie es ihm geht und wo genau er sich aufhält. Was ich dir sagen kann, ist dass er sich in der Obhut einer herzensguten Frau befindet. Ihr Name ist Elze, und sie war eure Hebamme.“
Dann begann Vitras ihr die ganze Geschichte zu erzählen.