Von Bagdad nach Stambul. Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von Bagdad nach Stambul - Karl May страница 12
Ich hatte übrigens nicht die mindeste Zeit zum Nachdenken, denn der Bebbeh, in welchem ich jetzt einen Khan oder Scheik vermuthete, kam auf mich zu. Er trug weder Lanze noch Büchse bei sich, ganz so wie seine Gefährten; aber in seiner Hand funkelte der gewundene afghanische Dolch.
Ich empfing den kühnen Gegner mit freien Händen, ohne nach einer Waffe zu greifen. Mit der Linken umfaßte ich mit raschem Griff seine Rechte, welche den Dolch hielt, und meine Rechte legte ich ihm um den Hals.
»Stirb, Räuber!« rief er, unter einem gewaltigen Ruck, seine bewaffnete Faust freizumachen.
»Du irrst,« antwortete ich. »Ich bin kein Bejat; ich wußte nicht, daß Ihr überfallen werden solltet!«
»Du bist ein Dieb, ein Hund! Du hast mich gefangen genommen; jetzt aber sollst Du mein Gefangener werden. Ich bin Scheik Gasahl Gaboya, dem noch Keiner entgangen ist!«
Wie ein Blitz zuckte mir die Erinnerung durch das Hirn, daß ich diesen Namen schon als denjenigen eines der tapfersten Kurden gehört hatte. Da galt es kein Bedenken mehr.
»So nimm Du mich gefangen, wenn Du kannst!« antwortete ich.
Bei diesen Worten ließ ich beide Hände von ihm ab und trat zurück. Er mochte dies als eine Schwäche von mir erkennen, stieß einen triumphirenden Schrei aus und erhob den Arm hoch zum Stoße. Das wollte ich haben: ich rannte ihm meine Faust mit solcher Gewalt in die entblößte Achselhöhle, daß seine Füße augenblicklich den Halt verloren. Sein Körper beschrieb einen weiten Bogen und stürzte sechs Schritte von mir entfernt zu Boden, und ehe er sich wieder aufraffen konnte, schlug ich ihm die geballte Hand auf die Schläfe, so daß er liegen blieb.
»Auf die Pferde, und mir nach!« rief ich.
Ein Blick zeigte mir die ganze Scene. Es waren ungefähr zwanzig Bebbeh eingedrungen. Die Bejat standen mit ihnen im Kampfe. Master Lindsay hatte Zwei gegen sich und entledigte sich soeben des Einen mit einem Schlage seines Büchsenkolbens; die beiden Haddedihn hatten sich neben einander an den Felsen gelehnt und ließen keinen an sich kommen, und der kleine Halef kniete auf einem niedergeworfenen Feinde, dessen Kopf er mit dem Kolben seiner Pistole bearbeitete.
»Sihdi, nicht fliehen! Wir werden mit ihnen fertig!« beantwortete der muthige Hadschi meinen Ruf.
»Draußen sind Mehrere; die Bejat sind überfallen. Vorwärts! Schnell!«
Ich entriß dem an der Erde liegenden Gasahl Gaboya seinen Dolch, um ein Andenken an diesen unglücklich beginnenden Tag mitzunehmen, und sprang auf mein Pferd. Um den gehörigen Anlauf zu bekommen und zugleich auch den Freunden Luft zu verschaffen, zog ich den Rappen empor, gab ihm die Sporen und trieb ihn mitten in die Bebbeh hinein. Hier ließ ich ihn nach allen Seiten ausschlagen, bis ich die vier Gefährten beritten sah, und trieb ihn dann mit einem weiten Satze in den Busch hinein, den er mit seinen Hufen niederriß. Draußen mußte ich sofort halten, da man nur im Schritte vorwärts kommen konnte; doch erhielten die vier Kameraden immerhin Raum genug, um mir augenblicklich folgen zu können.
Sobald ich die Felsen hinter mir hatte und mich mit einem Blick überzeugte, daß alle Vier entkommen waren, gab ich dem Hengste die Schenkel und galoppirte in die offene Ebene hinaus. Die Andern folgten.
Eine kurze Umschau erklärte mir den ganzen Sachverhalt. Dieser Scheik Gasahl Gaboya war wirklich ein kluger Mann; denn anstatt seine Abtheilung zu warnen, die doch zum Widerstande zu schwach gewesen wäre, war er bemüht gewesen, die ganze Umgegend in Aufruhr zu versetzen, und während die mit Beute beladenen Bejat ahnungslos ihrem Lager zuzogen, war dasselbe bereits von drei Seiten, wenn auch in sehr weiter Entfernung, so eingeschlossen, daß die Räuber froh sein mußten, mit dem nackten Leben zu entkommen. Hinter uns tobte der Kampf. Wie es den Bebbeh dort gelungen war, unbemerkt und plötzlich an die Bejat zu kommen, das zu untersuchen hatte ich keine Zeit. Links von uns sah ich eine breite Linie von Reitern im Galopp sich dem Kampfplatze nahen. Und rechts von uns war die ganze Gegend bis hinaus zum äußersten Horizont mit beweglichen Punkten bestreut; auch das waren Reiter.
»Vorwärts, Effendi!« rief Mohammed Emin. »Sonst schließen sie uns ein! Bist Du mit heiler Haut davongekommen?«
»Ja. Und Du?«
»Eine kleine Schramme.«
Wirklich blutete er an der Wange, aber der Riß konnte nicht gefährlich sein.
»Kommt heran!« bat ich. »Wir bilden eine gerade Linie. Wer uns von der Seite sieht, wird uns von Weitem für einen einzigen Reiter halten.«
Diese List wurde befolgt, aber die Bebbeh, welche sich hinter uns befanden, konnten nicht getäuscht werden, und wir bemerkten gar bald, daß wir von einer ansehnlichen Schaar verfolgt wurden.
»Sihdi, werden sie uns einholen?« fragte Halef.
»Wer weiß es! Es kommt darauf an, welche Art von Pferden sie reiten. Aber, Hadschi Halef Omar, was ist's mit Deinem Auge? Ist es schlimm?«
Sein Auge war geschwollen, trotzdem nur wenige Minuten seit dem Überfalle vergangen waren.
»Es ist nichts, Sihdi,« antwortete er. »Dieser Bebbeh war fünfmal länger als ich und hat mir einen kleinen Hieb gegeben. Hamdulillah, er wird es nicht wieder thun!«
»Du hast ihn doch nicht getödtet?«
»Nein. Ich weiß, daß Du dies nicht willst, Effendi.«
Es gewährte mir allerdings eine nicht geringe Freude, daß keiner der Feinde von uns an seinem Leben geschädigt worden war. Dies mußte uns, selbst vom Standpunkte der reinen Berechnung aus betrachtet, lieb und beruhigend sein; denn wenn wir den Bebbeh ja in die Hände fielen, so hatten sie doch wenigstens keine Blutrache an uns zu nehmen.
Wir setzten unsern Galopp wohl über eine Viertelstunde lang fort. Der Kampfplatz war uns dabei aus den Augen geschwunden, aber die Verfolger waren hinter uns geblieben. Sie hatten sich getheilt. Diejenigen, welche gute Pferde hatten, waren uns näher gekommen, während die Anderen weit zurückblieben.
»Emir, sie werden uns einholen, wenn wir nicht schneller reiten,« meinte Amad el Ghandur.
»Wir dürfen unsere Thiere nicht jetzt gleich zu sehr anstrengen. Übrigens haben sich die Verfolger getrennt, und es ist besser, einmal mit ihnen zu reden, als sich von ihnen abhetzen zu lassen.«
»Maschallah! Du willst mit ihnen sprechen?« rief Mohammed Emin.
»Allerdings. Ich hoffe, sie so weit zu bringen, daß sie von der Verfolgung abstehen. Reitet weiter! Ich werde hier halten bleiben.«
Sie ritten im gleichen Tempo weiter. Ich aber stieg vom Pferde, nahm meine Waffen zu mir, setzte mich zur Erde und richtete das Gesicht gegen die Verfolger.
Als sie noch ungefähr tausend Schritte entfernt waren, nahm ich mein Turbantuch herab und wehte damit durch die Luft. Sie fielen sofort aus dem Galopp in Schritt und hielten auf der Hälfte der soeben angegebenen Entfernung an. Nach einer kurzen Besprechung kam Einer von ihnen näher herbeigeritten und frug:
»Warum sitzest Du an der Erde? Ist es List oder Wahrheit?«
»Ich will mit Euch reden.«
»Mit uns Allen oder nur mit Einem?«
»Mit Einem, den