Eine übereilte Heirat. Historischer Roman. Catherine St.John
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Schon am Nachmittag jedoch drängte Simon zum Aufbruch. Dieses Zeichen ehelicher Ungeduld schmeichelte ihr, und sie fragte lächelnd zurück: „Warum hast du es denn so eilig?“
Er wandte sich ab und richtete vor einem Spiegel seine Krawatte. „Nun, ich möchte gerne vor Anbruch der Dunkelheit zu Hause sein – du nicht?“
„Vor Anbruch der Dunkelheit? Das schaffen wir nie und nimmer! Sieh mal, in zwei oder drei Stunden wird es schon dunkel, und in dieser Zeit werden wir höchstens den halben Weg zurückgelegt haben. Außerdem müssen wir uns noch umziehen. Warum willst du nicht im Dunklen reisen? Hast du Angst vor heidnischen Bräuchen?“
Er warf ihr einen seiner unergründlichen Blicke zu. „Vielleicht.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Gut, ich gehe mich umkleiden. Wenn du in der Zwischenzeit das Gepäck verstauen lässt, können wir bald fahren. Einverstanden?“
Ein flüchtiges Lächeln belohnte ihre Fügsamkeit. „Einverstanden. Beeil dich, bitte!“
Sie eilte die Treppe hinauf und ließ sich ein letztes Mal von ihrer Zofe – die in den nächsten Tagen ebenfalls heiraten wollte und deshalb den Dienst aufgekündigt hatte – in ein Kleid helfen, ein graues Reisekleid aus schwerem Wollstoff, mit schwarzer Posamentverzierung und einer dazu passenden grauen Kappe. So geschmückt begab sie sich wieder nach unten; während sie die Treppe hinabschritt, streifte sie ihre grauen Ziegenlederhandschuhe über und bemerkte, als ihr Blick durch die offene Haustüre auf die Straße fiel, dass Simon tatsächlich bereits all ihr Gepäck – das nicht allzu umfangreich war, da der Trousseau nachgeschickt werden sollte – hatte aufladen lassen. Die Kutsche stand wartend da, bespannt mit vier unruhigen Grauschimmeln, die eine rasche Reise verhießen. Nach einem rührenden Abschied von ihren Eltern und den wenigen Gästen und dem Versprechen, den Eltern so bald wie möglich zu schreiben und von ihrem neuen Heim zu berichten, schob Simon seine junge Frau schließlich energisch in den Wagen und kletterte selbst hinterher. Der Schlag klappte zu, der Kutscher ließ die Zügel schießen und der Wagen ratterte um die Ecke zur New Bond Street, um die Richtung zur Westminster Bridge einzuschlagen.
Eine Zeitlang herrschte zwischen den beiden Wageninsassen verlegenes Schweigen. Erst als sie schon beträchtliche Zeit über offenes Land gefahren waren, brach Simon das Schweigen mit der Frage: „Freust du dich auf Lynham?“
Victoria schloss daraus, dass er mindestens so unsicher sein musste wie sie selbst, wenn ihm nichts Besseres als Gambit einfiel. Sie lächelte ihn ermutigend an und antwortete freundlich: „Oh ja, sehr. Ich freue mich vor allem auf deine Familie. Erzähl mir doch ein bisschen von ihnen!“
„Ach, da gibt´s nicht viel zu erzählen. Du wirst sie ja bald alle sehen. Ich hoffe, du wirst dich auf Lynham wohlfühlen.“
„Gewiss“, antwortete sie kurz, etwas verärgert darüber, dass er sie so gar nicht auf ihre neuen Verwandten vorbereiten wollte. Natürlich war es nie ganz einfach, die eigenen Brüder und die Mutter treffend zu beschreiben, wenn man nicht für solcherlei Dinge eine ausgesprochene Begabung besaß – aber etwas mehr Mühe, fand Victoria, hätte Simon sich ruhig geben dürfen.
Der Rest der Reise verlief in Schweigen, das nur gelegentlich durch einen Ausruf Victorias unterbrochen wurde, wenn sie zu wissen begehrte, durch welchen Ort man gerade fahre oder wie dieses oder jenes in der Ferne erkennbare Schloss oder Herrenhaus heiße. Simon erteilte jedes Mal mit der ihm eigenen Knappheit die gewünschte Auskunft, doch bald brach die Dunkelheit herein und selbst diese Gesprächsfetzen blieben aus.
Victoria war insgeheim erleichtert, als die Fahrt ihr Ende nahm und der Wagen eine lange, kiesbestreute, aber dem Holpern der Kutsche nach zu urteilen arg vernachlässigte Auffahrt entlangrollte und schließlich vor dem Portal von Schloss Lynham zum Stehen kam. Das Schloss erwies sich als mächtiger heller Steinbau, doch in der Dunkelheit konnte Victoria keine Einzelheiten wahrnehmen; außerdem trat, kaum dass das Räderrasseln verstummt war, eine hochgewachsene blonde Frau in mittleren Jahren aus der Tür und kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
„Willkommen, meine Liebe – Victoria, nicht wahr? Simon hat uns alles geschrieben. Ich freue mich ja so für euch! Hoffentlich gefällt es dir hier!“
Victoria, die sich an den Busen ihrer Schwiegermutter gedrückt und herzlich auf beide Wangen geküsst fand, konnte nicht umhin, festzustellen, dass Simon seine Zurückhaltung gewiss nicht von seiner Mutter geerbt haben konnte. Die Herzoginwitwe hakte ihre neue Schwiegertochter unter.
„Komm ins Haus, meine Liebe, nicht dass du dich hier noch erkältest! Im Haus ist es zwar, wie du nur zu bald merken wirst, nicht viel wärmer, aber es zieht drinnen doch etwas weniger.“
„Ja, Euer Gnaden“, pflichtete Victoria ihr etwas verwirrt bei. War das Haus wirklich so kalt oder machte Simons Mutter sich über sie lustig?
„Oh bitte, sag nicht Euer Gnaden zu mir – das finde ich furchtbar. Du bist doch keine knicksende Zofe! Redest du Simon etwa mit Euer Lordschaft an?“
„Nein“, musste Victoria zugeben, „aber wie soll ich Sie denn dann nennen?“
„Sag du zu mir und - wie wär´s denn einfach mit Schwiegermama?“
„Gut, Schwiegermama“, stimmte Victoria zu und küsste sie liebevoll auf die Wange. Mittlerweile hatte Simon, der etwas zwecklos herumstand, seitdem das Gepäck ausgeladen war, die Aufmerksamkeit seiner Mutter erregt.
„Ach, Simon! Dich hatte ich vor lauter Freude über deine reizende junge Frau ja ganz vergessen! Willkommen daheim, mein Junge! Du könntest Horley das Gepäck gleich auf eure Zimmer schaffen lassen, und dann habt ihr doch sicher Hunger, nicht wahr? Wir haben zwar schon vor Stunden gegessen, kein Wunder, es ist ja schon dunkel, nicht wahr? Aber für euch wird sich sicher noch etwas finden. Ich werde mit Victoria noch etwas plaudern, ich weiß ja noch so wenig über sie. Komm in den Salon, wenn du alles erledigt hast. Nun los, worauf wartest du noch?“
„Ja, Mama“, murmelte Simon und verschwand gehorsam im Haus. Die Herzoginwitwe folgte mit Victoria etwas langsamer und führte sie die Treppe hinauf in den Salon. Hier musste Victoria feststellen, dass ihre Schwiegermutter tatsächlich nicht gescherzt hatte – der Salon war eisig kalt, obwohl ein gewaltiges Feuer im Kamin brannte; aber selbst dieses Feuer, unterstützt von den vielen Kerzen, die den Raum erhellten, war gegen das riesige Zimmer mit den vielen höchstwahrscheinlich undichten Fenstern machtlos. Ihre Schwiegermutter, der Victorias Erschauern nicht entgangen war, lachte und sagte nur:
„Komm, setz dich hier vor das Feuer, dort wird dir schon warm werden, ganz bestimmt. An die Kälte in diesem Haus wirst du dich rasch gewöhnen, mir ging es dereinst genauso. Ich sage Vincent dauernd, er soll endlich etwas unternehmen, aber er rafft sich nie auf – kein Wunder, die Bibliothek ist leichter zu heizen, und so fällt ihm wohl gar nicht auf, wie kalt und zugig der Rest des Hauses ist. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Kälte und die Feuchtigkeit gut für die Mauern ist, nicht wahr? Aber er lässt einfach nicht mit sich reden –