Ein trauriges Schloss. Catherine St.John
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Читать онлайн книгу Ein trauriges Schloss - Catherine St.John страница 4
„Ich werde schnell auspacken und mich ein wenig frisch machen. Richtest du Jessop bitte aus, ich würde ihn in einer Viertelstunde gerne in der Halle sehen, um einen Rundgang durch das Schloss zu machen – das heißt, ich sollte mich zuvor wohl dem Earl und vor allem der Countess vorstellen, denke ich.“
Lizzie knickste erschrocken. „Oh nein, Ma´am! Eine Countess haben wir hier gar nicht, und der Herr lässt sich schon wieder seit Tagen nicht sehen. Es geht ihm wohl nicht gut.“
Was fehlt ihm denn? Leider konnte sie darüber nicht mit dem Dienstmädchen tratschen, ohne sich unmöglich zu machen.
„Das tut mir Leid“, sagte sie also nur und hoffte, dass der Butler sie unaufgefordert näher informieren würde. „Dann wird mir Jessop sicher alles Weitere mitteilen.“
„Oh, gewiss, Ma´am!“ Lizzie knickste noch einmal und verschwand; Eleanor packte rasch ihre Tasche aus und schichtete ihren gesamten Besitz – inklusive dreier Bücher, die sie sehr liebte – in den Schrank, auch die leere Tasche passte noch hinein. Etwas zweifelnd betrachtete sie dann, wie armselig ihre übrigen schwarzen Kleider auf den Bügeln schwankten, und wie leer die Wäschefächer auf der Seite wirkten.
Nun, es fehlte ihr aber doch an nichts? Und eine Gräfin war sie nun eben nicht mehr – besonders erstrebenswert hatte sie diesen Titel ohnehin nie gefunden.
Sie schritt den Gang entlang zum Haupttreppenhaus – durfte sie das überhaupt benutzen? Jessop sollte ihr nachher die Dienstbotentreppe zeigen.
Immerhin hatte sie sich bis jetzt nicht verlaufen; offenbar führte der Herrschaftsgang rund um die Halle mit dem imposanten geschnitzten Treppenhaus, und von diesem im Quadrat geführten Gang gingen in zwei Richtungen weitere Gänge ab. Am Ende des linken lag ihr Zimmer, den rechten musste sie bei Gelegenheit noch erforschen.
Am Fuß der Treppe wartete Jessop, ohne Missbilligung zu zeigen. Dem entnahm Eleanor, dass sie heute noch nicht auf die Hintertreppe angewiesen war, und sie beschloss, aufrichtig zu sein. Selbstsicher, gewiss, aber eben sich unerfahren.
Jessop nickte, als sie ihm gestand, dass dies ihre erste Stellung war. „Ich habe es mir fast gedacht, Madam, weil unsere Anfrage bei der Personalvermittlung so schnell erfolgreich war. Ich hätte mit einer längeren Wartezeit gerechnet.“
„Tatsächlich? Warum? Ich meine, das Anwesen ist doch sehr eindrucksvoll und offenbar in gutem Zustand, auch nicht direkt an der schottischen Grenze. Warum sollten Dienstboten nicht gerne hier arbeiten wollen?“
Jessop hatte nicht ganz erfolgreich ein Lächeln unterdrückt. „An der schottischen Grenze?“
Eleanor lächelte offener. „Nun, nach London ist es kaum eine Tagesreise… Dienstboten achten doch auf so etwas.“
„Das stimmt, Mrs. Warren. Und Sie haben auch Recht, es ist hier ein durchaus angenehmes Arbeiten, ein Schlossgespenst haben wir auch nicht, nur…“
„Nur?“
„Nun ja…“ Jessop wand sich etwas. „Es ist nur – der Earl, er ist – wie soll ich es sagen – er ist etwas eigentümlich.“
„Eigentümlich“, wiederholte Eleanor ratlos. „Wie äußert sich das? Hat diese Tatsache schon Dienstboten vertrieben?“
„N-nein, nicht direkt.“
Eleanor sah über Jessops Schulter auf die Seitentür zum Küchenbereich und entdeckte Lizzie und noch ein häubchengeschmücktes Mädchen, die beide beobachteten, was Jessop und die neue Haushälterin da taten.
„Ich schlage vor, Sie zeigen mir erst einmal, was ich hier kennen sollte, und immer dann, wenn wir einen ruhigen Moment haben, erzählen Sie mir, warum der Earl die Dienstbotenlage so erschwert.“
„Eine gute Idee, Mrs. Warren.“ Jessop wirkte erleichtert, und Eleanor überlegte, warum das wohl so war, während sie leicht abgelenkt die Küche inspizierte, sich die Köchin und ihre Untergebenen bis hin zur letzten Spülmagd vorstellen ließ und gleich den Speiseplan durchlas, den die Köchin, Mrs. Kingsley, ihr präsentierte. „Drei Gänge? Auf Anhieb würde ich sagen, das ist ein bisschen spärlich, nicht wahr? Oder ist das hier so üblich?“
„Der Earl ist kein starker Esser“, erklärte Mrs. Kingsley. „Er wird nicht einmal diese Speisen wirklich zu würdigen wissen. Wahrscheinlich kommt fast alles zu uns in die Küche zurück.“
Dann freilich schienen Eleanor drei Gänge wirklich genug zu sein. Sie inspizierte mit Mrs. Kingsley die Küche, die Silberkammer (Jessops Ressort), die Vorratskammer und die Spülküche, fand alles ordentlich und sauber vor und äußerte zurückhaltendes Lob, das erfreut entgegen genommen wurde.
Jessop führte sie durch die Räume im Erdgeschoss und im ersten Stock, zuerst drei verschiedene Salons, alle sehr ordentlich, aber kalt und offenbar selten genutzt. Es folgten eine große, etwas ungemütliche Bibliothek und ein Arbeitszimmer, offenbar das Refugium des Sekretärs, der wenigstens vor Ort war und leicht überrascht aufsah, als Jessop und Eleanor eintraten.
„Das ist Mr. Grant, der Sekretär Seiner Lordschaft. Mrs. Warren, die neue Haushälterin.“
Eleanor reichte dem Sekretär, einem recht sympathisch aussehenden jungen Mann mit überraschend rotem Haar, freundlich die Hand und sprach ihre Hoffnung auf eine gute Zusammenarbeit aus. Mr. Grant stimmte sofort zu und bat sie, sich stets vertrauensvoll in Haushaltsangelegenheiten an ihn zu wenden.
Bis jetzt schien das Personal nett und freundlich zu sein, fand Eleanor und nahm als nächstes das Zimmer der Haushälterin in Augenschein. Der Raum erfüllte seinen Zweck – Schreibtisch, Regale, eine Reihe von Mappen mit Unterlagen, Rechnungsbücher, ein unbequem aussehender Stuhl – sonst nichts. Nun gut, ein Arbeitsraum eben.
Generell schienen ihr die Räume hier etwas freudlos auszusehen – genau genommen so ähnlich wie auf Lanford Hall, das ja immer ein Trauerhaus geblieben war.
Vielleicht traf das auf Kesham Court auch zu… vielleicht hatte es einmal eine Countess gegeben? Nun, mit untröstlichen Witwern kannte sie sich schließlich aus! Aber wen konnte sie danach fragen?
Ein Frühstückszimmer, ein kleines Speisezimmer, ein großes Speisezimmer. Das Übliche.
„Der Bankettsaal und der Ballsaal befinden sich im Stock über uns, Mrs. Warren. Und dort sind auch die Schlafräume untergebracht. Im Ostflügel die des Hausherrn und der Dame des Hauses und einige Gästezimmer, im Westflügel finden Sie die übrigen Gästezimmer und ganz am Ende – wie Sie ja bereits erfahren haben – die Räume des gehobenen Personals. Die übrigen Dienstboten sind natürlich im Stockwerk darüber untergebracht. Im Turm befinden sich noch weitere Gastzimmer – schon seit längerem nicht mehr im Gebrauch – und ein Aussichtsraum mit Sternwarte.“
„Oh, interessant. Seine Lordschaft befasst sich mit Astronomie?“
Jessop verbeugte sich. „Der verstorbene Earl, ein Onkel des jetzigen, pflegte dieses Steckenpferd. Er soll ein namhafter Gelehrter auf diesem Gebiet gewesen sein.“
Eleanor nickte. „Sie sagten vorhin – die Räume der Dame des Hauses? Es gibt – oder gab also eine Countess of Kesham?“
„Gewiss. Die Gemahlin des sechsten Earls,