Bevor er tötet. Maik Bohn

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Bevor er tötet - Maik Bohn KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

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rel="nofollow" href="#u2038ad95-7c95-5472-b037-017cbf6b92a8">KAPITEL DREIUNDDREISSIG

       KAPITEL VIERUNDDREISSIG

       KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

       KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

      PROLOG

      Zu jeder anderen Zeit hätten ihr die ersten Lichtstrahlen am frühen Morgen gefallen, die auf die Spitzen der Maisstängel fielen. Sie beobachtete, wie das erste Tageslicht über die Halme strich und somit ein gedecktes Gold erschuf, in dem sie sich anstrengte, etwas Schönes zu sehen.

      Sie musste sich selbst ablenken – sonst würde der Schmerz unerträglich werden.

      Sie war an eine große Holzstange gefesselt, die an ihrem Rücken verlief und noch etwas mehr als einen halben Meter über ihren Kopf hinausragte. Ihre Hände waren hinter ihr an die Stange gefesselt. Sie trug nur schwarze Spitzenunterwäsche und einen BH, der ihre bereits üppige Brust noch weiter zusammendrückte und nach oben schob. Dieser BH brachte ihr im Strip Club am meisten Trinkgeld ein und sorgte dafür, dass ihre Brüste immer noch wie die einer Einundzwanzigjährigen anstatt einer vierunddreißigjährigen, zweifachen Mutter aussahen.

      Die Stange rieb an ihrem nackten Rücken, der schon ganz wund war. Doch der Schmerz war noch lange nicht so groß wie der, den ihr der Mann mit der dunklen, unheimlichen Stimme zugefügt hatte.

      Ihr ganzer Körper spannte sich an, als sie ihn hinter sich laufen hörte, seine Schritte waren ganz sanft auf der Lichtung des Maisfeldes. Sie vernahm jedoch noch ein anderes, ein leiseres Geräusch. Er zog etwas hinter sich her. Die Peitsche, erkannte sie, mit der er sie geschlagen hatte. Sie hatte sie nur einmal zu Gesicht bekommen – doch was hatte ihr schon gereicht.

      Ihr Rücken brannte aufgrund der vielen Schläge und allein zu hören, wie das Teil über den Boden gezogen wurde, löste Panik in ihr aus. Sie schrie – zum gefühlt hundertsten Mal in dieser Nacht – doch er schien im Maisfeld verschluckt zu werden. Zuerst hatte sie um Hilfe gerufen, in der Hoffnung, dass jemand sie hören würde. Doch im Laufe der Zeit waren sie zu Schmerzensschreien übergegangen, wie nur von Menschen ausstoßen, die wissen, dass ihnen niemand zur Hilfe kam.

      „Ich werde es in Betracht ziehen, dich gehen zu lassen“, sagte der Mann.

      Seine Stimme klang wie die eines Menschen, der gerne rauchte oder viel schrie. Außerdem gab er beim Sprechen einen seltsamen, lispelnden Laut von sich.

      „Aber zuerst musst du deine Verbrechen gestehen.“

      Das hatte er schon viermal gesagt. Sie zerbrach sich erneut den Kopf darüber. Sie hatte keine Verbrechen zu gestehen. Sie hatte jeden, den sie kannte, nett und zuvorkommend behandelt, sie war eine gute Mutter – zwar nicht so gut, wie sie es gerne wäre – doch sie gab sich wenigstens Mühe.

      Was wollte er von ihr?

      Erneut schrie sie und versuchte, ihren Rücken gegen die Stange zu wölben. Dabei spürte sie, wie die Seile um ihre Handgelenke ein winziges Stück nachgaben. Sie fühlte aber auch, wie sich ihr klebriges Blut an dem Seil sammelte.

      „Gestehe deine Verbrechen“, wiederholte er.

      „Ich weiß nicht, wovon Sie reden!“, stöhnte sie.

      „Du wirst dich daran erinnern“, gab er zurück.

      Das hatte ebenfalls schon gesagt. Und zwar vor jedem –

      Ein leises Flüstern zog durch die Luft, als die Peitsche durch die Luft geschwungen wurde.

      Sie schrie und wand sich an der Stange, als sie von dem Ding getroffen wurde.

      Neues Blut floss aus neuen Wunden, doch sie bekam es kaum mit. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre Handgelenke. Das Blut, das sich dort im Laufe der letzten Stunde oder sogar noch länger gesammelt hatte, vermischte sich nun mit ihrem Schweiß. Sie konnte einen kleinen Spalt zwischen dem Seil und ihren Handgelenken ertasten und dachte, dass sie vielleicht entkommen könnte. Sie spürte, wie ihr Geist versuchte, abzuschweifen und sich von der Wirklichkeit zu lösen.

      Zisch!

      Dieser Schlag traf sie direkt auf der Schulter, was sie zum Schreien brachte.

      „Bitte“, sagte sie. „Ich tue alles, was Sie von mir wollen! Lassen Sie mich einfach nur gehen!“

      „Gesteh deine –“

      Sie zog ihre Arme so fest sie konnte nach vorne. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihre Schultern, doch sie war sofort frei. Das Seil rieb über ihre Handoberfläche, was ein Brennen verursachte, doch es war nichts im Vergleich zu dem Schmerz an ihrem Rücken.

      Sie zog so stark nach vorne, dass sie fast auf ihre Knie fiel und ihre Flucht vereitelte. Doch ihr primitiver Selbsterhaltungstrieb übernahm die Kontrolle über ihre Muskeln und bevor sie es überhaupt realisierte, rannte sie schon davon.

      Sie rannte so schnell sie konnte, erstaunt, dass sie wirklich frei war, dass ihre Beine noch funktionierten, nachdem sie so lange gefesselt gewesen waren. Doch das würde sie jetzt nicht in Frage stellen.

      Sie stürmte durch den Mais, die großen Stängel schlugen gegen ihre Gliedmaßen. Die Blätter und Äste schienen nach ihr greifen zu wollen und strichen über ihren verwundeten Rücken wie runzelige Finger. Sie schnappte nach Atem und konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie wusste, dass die Straße ganz in der Nähe war. Sie musste nur weiter rennen und den Schmerz ignorieren.

      Hinter sich hörte sie den Mann lachen. Es hörte sich so an wie das Lachen eines Monsters, das sich schon seit Jahrhunderten in dem Maisfeld versteckte.

      Sie wimmerte, doch blieb nicht stehen, ihre nackten Füße stapften in den Dreck und ihr größtenteils nackter Körper schob die Maisstängel zur Seite. In diesem Moment versprach sie sich, dass sie nie wieder strippen würde, wenn sie aus der ganzen Sache hier lebend herauskäme. Sie würde sich einen besseren Job suchen, eine bessere Art, um für ihre Kinder zu sorgen.

      Dieser Gedanke entzündete einen Funken in ihr, der sie schneller rennen ließ, sodass sie nun geradezu durch den Mais flog. Sie rannte so schnell sie konnte. Wenn sie einfach nur weiter rannte, dann würde sie ihm entkommen. Die Straße musste direkt um die Ecke sein. Oder etwa nicht?

      Vielleicht. Aber auch wenn es so wäre, dann gäbe es keine Garantie, dass auch jemand unterwegs ist. Es war noch nicht einmal sechs Uhr morgens, zu dieser Tageszeit waren die Straßen Nebraskas oft noch recht einsam.

      Vor ihr öffneten sich die Stängel. Das trübe Licht des Morgengrauens drang zu ihr hindurch und ihr Herz machte einen Sprung, als sie die Straße sah.

      Sie sprang durch die letzten Stängel und konnte ihr Glück kaum fassen, als sie das Geräusch eines sich nähernden Motors hörte. Neue Hoffnung erfüllte sie.

      Sie sah das Licht sich nähernder Scheinwerfer, weshalb sie sogar noch schneller rannte. Sie war so nahe, dass sie den dampfenden Asphalt riechen konnte.

      Sie

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