Seemannserinnerungen – Seefahrt damals. Jürgen Ruszkowski
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In diesem Zusammenhang wurde ich bei der Lektüre mancher Texte an den bekannten Theologieprofessor und langjährigen Prediger auf der Kanzel des Hamburger Michels, Helmut Thielicke, erinnert, der 1958 eine Seereise nach Japan auch auf einem Frachtschiff der Hapag unternahm und seine Erlebnisse an Bord in dem Buch „Vom Schiff aus gesehen“ zusammenfasste. Seine hautnahen Begegnungen auf dieser wochenlangen Reise mit Seeleuten brachten ihn zu dem Bekenntnis, dass ihm eine ganz neue, bisher unbekannte Welt erschlossen worden sei und er nun eigentlich sein kurz zuvor veröffentlichtes Ethikwerk umschreiben müsse: „Ich bemühte mich nach Kräften, offen zum Hören zu bleiben und – so schwer es mir fällt – selbst meine stabilsten Meinungen in diesem thematischen Umkreis als mögliche Vorurteile zu unterstellen, die vielleicht einer Korrektur bedürfen. Ich frage mich ernstlich, was an diesen meinen stabilen Meinungen christlich und was bürgerlich ist… Ich merke, wie schwer es ist, sich im Hinblick auf alles Doktrinäre zu entschlacken und einfach hinzuhören – immer nur hören zu können und alles zu einer Anfrage werden zu lassen... Bei meiner Bibellektüre achte ich darauf, wie nachsichtig Jesus Christus mit den Sünden der Sinne ist und wie hart und unerbittlich er den Geiz, den Hochmut und die Lieblosigkeit richtet. Bei seinen Christen ist das meist umgekehrt.“
Hamburg, im November 2012 / 2014 Jürgen Ruszkowski
Clemens Külberg
Clemens Külberg veröffentlicht seine Seefahrterlebnisse unter
http://www.ms-altmark-dsr.com
Schon in frühester Kindheit zog es mich irgendwie magisch in die weite Ferne, und Wasser spielte dabei immer die prägende Rolle. Aufgewachsen am Rande Berlins im Hause eines Havelfischers, war man mit Wasser früh vertraut. Auf der anderen Seite einer weitestgehend unbelebten Straße in ländlicher Umgebung zog sich die Havel hier sehr breit entlang. Dort spielten wir Kinder täglich am Ufer des Flusses zwischen Netze flickenden Fischern, bestaunten volle Reusen und lauschten fasziniert dem Tuten der vorbeifahrenden Schleppkähne.
Früh erlernten wir das Schwimmen, durften dann ab und an mal mit einem kleinen Fischerboot mit oder wurden manchmal sogar von der Schule damit abgeholt. Die Havel machte hier einen scharfen Knick, den wir nie umfuhren. Hier begann für uns das Unbekannte, erweckte unsere Phantasien und die Frage: „Geht es von dort aus in die weite Welt?“ Nicht alle Eltern hatten damals bereits Fernsehgeräte, und wir saßen meistens mit fünf bis acht befreundeten Kindern vor der Flimmerkiste. Überwiegend sahen wir Filme über Entdecker, Piraten und mutige Taucher. Denen wollten wir nacheifern, und wir spielten in Schilfinseln James Cook, Cousteau u. ä. immer erfolgreich nach. Auch das Unglück der „PAMIR“ konnte uns vom Lebenstraum nicht abbringen. Als wir später das Lesen erlernten, machte die einschlägige Literatur bei uns selbsternannten Seeleuten die Runde. So manches Mal lag man mit der Taschenlampe unter der Bettdecke und las bis in die Nacht hinein, bis die Batterie den Geist aufgab. Jede fremde Briefmarke in unserer Sammlung wurde sofort im Atlas oder auf dem Globus lokalisiert. Da wollte ich auch mal hin... Ich will Seemann werden!
Mit ca.10 Jahren kam ich der Verwirklichung meiner beruflichen Träume immer näher. Das neue Domizil meiner Eltern wurde die Hafenstadt Rostock. Hier erlebte ich gleich zum Anfang einen Schulausflug auf das erste Handelsschiff der DSR –die „VORWÄRTS“. Das war bereits außer Dienst gestellt und an der Oberwarnow vertäut. Dieses Schiff diente nun als Jugendschiff zur Ausbildung maritimen Nachwuchses. Seit diesem Ausflug war es um mich geschehen. Sobald die Schule vorbei war, zog es mich dort hin.
Die nachfolgenden Besuche realisierte man, indem man sich Freikarten im Pionierhaus besorgte und dann, im zum Kinosaal umfunktionierten Laderaum der VORWÄRTS sich mit vier, fünf Gleichgesinnten, mitunter mutterseelenallein Filme anschaute. Man war erstmal an Bord und konnte alles erkunden. Später meldete man sich zum 14-tägigen Lehrgang an und erwarb das erste seemännische Rüstzeug. Kutter pullen, Knoten und viele andere Möglichkeiten im Zusammenhang mit Seefahrt wurden hier beitragsfrei geboten. Wir konnten nicht genug bekommen. Das Umfeld stimmte auch, konnte man doch nach der Ausbildung gleich zum gegenüberliegenden Bootsverleih und den Fluss weiter „hochrucksen“. Im Sommer konnte man die Badeanstalt unsicher machen oder zu anderen Jahreszeiten an der Schleuse dort, die VORWÄRTS immer vor Augen, dem Angelsport nachgehen. Diese Zeit hat mir auf dem Weg zum Beruf Seemann sehr geholfen.
Richtige „dicke Pötte“ kannte ich bisher nur aus den Erzählungen meines Großvaters, der im I. Weltkrieg auf einem Schlachtkreuzer seinen Militärdienst verrichtet hatte. In der Hansestadt Rostock änderte sich das. Hier war die Möglichkeit gegeben, richtige Schiffe näher kennenzulernen. Viele Familien hatten hier Bezug zu Schiffbau, Fischfang und Handelsschifffahrt. Gebannt lauschte ich immer den Erzählungen der Seeleute und war dann auch ab und zu Gast an Bord von Fischereischiffen, Frachtern und auch mal dem Passagierschiff der DSR „VÖLKERFREUNDSCHAFT“.
Für mich wurde dadurch früh klar, nur die Frachtschifffahrt wird meinen Wunsch ermöglichen, fremde Länder und Völker kennenzulernen.
Vom damals knapp bemessenen Taschengeld wurden immer mal 50 Pfennig abgezweigt, um nach Warnemünde zu fahren. Das war für mich immer der absolute Höhepunkt. Unvergessen die Ankunft am Bahnsteig dort, salzhaltige Luft und Möwengekreisch. Es roch für mich angenehm nach Teer, Labsal und Räucherfisch. Auf dem Weg am Alten Strom schnackte man mit den Fischern und später, an der Mole sitzend, schaute man sehnsuchtsvoll den auslaufenden Schiffen hinterher. Abends nahm man sich dann die aktuellen Schiffspositionen aus der Tagespresse vor und war in Gedanken schon mit an Bord. Joo, so war’s...
Viele Jahre war ein Schiff meine Heimat, und das Meer war mein zu Hause. Fünfzehn lange Jahre, die einen jungen Menschen prägten und seine Sichtweise auf die Welt beeinflussten. Diese Jahre, mit allen Höhen, Härten und Tiefen empfinde ich heute noch als die schönsten Jahre meines Lebens.
Jeder, der sich einmal mit dem Herzen der Seefahrt verschrieben hat, wird nachvollziehen können, wenn im Rückblick auf diese vergangenen Jahre eine gewisse Verklärung und Wehmut bei der Beschreibung der Fahrenszeit zum Ausdruck kommt. Über hundert Länder mit der einzigartigen Vielfältigkeit ihrer Häfen...
Schon als junger Mensch hat man viel gesehen und erlebt. Noch immer bekomme ich leuchtende Augen bei der Erinnerung an die vielen Erlebnisse und verschiedensten Storys, die man wahrscheinlich niemals vergessen wird. Das Anliegen dieser Texte soll es sein, diese Emotionen und Eindrücke für die Traditionspflege der DSR für die Nachwelt zu erhalten.
Viele Schiffe, ferne Länder, andere Kulturkreise... – wo fängt man an, wo hört man auf, ohne sich zu verzetteln?
Vom alten Frachter zum „Schiff der Zukunft“
Über die Containerschifffahrt kann ich immer noch schreiben...
Meine große Liebe gilt heute noch meinem ersten Schiff, auf dem ich fast fünf Jahre über die Meere fuhr – das Motorschiff „ALTMARK“.
Dieses Schiff habe ich daher in den Mittelpunkt meiner Aufzeichnungen gestellt. Ich werde über die Besatzung, das Bordleben, die Routen, das Schiff