Gefesselte Lust - Teil 2. Kristina Schwartz
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Raumpflegerin oder Putzfrau, ist das nicht scheißegal? Vielleicht könnten wir uns mehr auf das eigentliche Thema unseres Zusammentreffens konzentrieren. Sie ballte ihre Hand zur Faust. »Denken Sie noch mal genau nach. Was haben Sie empfunden, als sie mich, an den Tisch gefesselt, in jener Nacht zurückgelassen haben?«
»Ich weiß nicht. Sie sind immer so ...«, sie suchte nach einem Wort, oder doch nach mehreren, »... perfekt, so selbstsicher, so ausgeglichen. Sie haben immer alles im Griff, zumindest hat es für mich den Anschein. Vielleicht ...«, es folgte eine längere Pause, in der sie ihren Blick von ihrem Rock bis zu den Schuhspitzen und wieder zurück schweifen ließ. Sie betrachtete ihre Fingernägel und schenkte jedem einzelnen eine Aufmerksamkeit, die selbst Lord und Lady Gaga auf der Bühne selten vergönnt war. Sie überlegte, sich die Schuhe auszuziehen, um mit ihren Zehennägeln ähnlich zu verfahren, ließ es aber schließlich bleiben. Ihre Strümpfe hätte sie bei der Gelegenheit auch ausziehen müssen und wer weiß, wo das wieder geendet hätte. Dann atmete sie tief ein, ehe sie ihre Lippen formte, als wolle sie wieder ein Wort von sich geben.
»Vielleicht ...«
Okay, so weit waren wir schon. Jetzt machen Sie doch mal, ich will es jetzt endlich wissen! »Lassen Sie sich ruhig so viel Zeit, wie Sie brauchen«, sagte eine ungeduldige Denise.
»... wollte ich Sie einfach bestrafen.«
»Bestrafen? Mich?« Denise errötete.
»Für Ihre Perfektheit, ihre Selbstsicherheit, ihre Ausgeglichenheit. Vielleicht hab’ ich es getan, um Ihrem Lara-Croft-Image einen Kratzer zuzufügen.«
Lara Croft – sehr interessant. »Bitte, fahren Sie fort.«
»Ich wollte Ihnen zeigen, dass nichts perfekt ist, auch Sie nicht. Dass auch Sie wehrlos, angreifbar und verwundbar sind. Und dass auch Sie Fehler machen«, sagte die Patientin aufgewühlt.
»Wir alle machen Fehler. Ich genauso wie Sie und jeder andere auf dem Planeten. Das zeichnet die Menschen aus, das macht sie menschlich.«
»Vielleicht wollte ich Ihnen zeigen, dass Sie einen Fehler machten, indem Sie mir vertrauten.« Die Patientin setzte sich aufrechter hin und warf ihren Kopf mit einer energischen Bewegung in den Nacken, um den Anschein eines ausgeprägten Selbstwertgefühls zu erwecken.
»Gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen ist Vertrauen unheimlich wichtig; und es wird umso wichtiger, je tiefer und fester diese Beziehungen sind, beziehungsweise je näher sich die Personen stehen.« Denise stützte den Kopf auf ihren schlanken Arm, sodass ihr Haar seitlich über die Schulter fiel. »Ich habe Ihnen natürlich, zum Teil gerechtfertigt durch die erste Session, Vertrauen entgegengebracht, das aber gerade bei Bondage noch viel wichtiger als in jedem anderen Bereich ist. Es enthielt natürlich auch noch einen sehr großen Anteil an Vorschuss.« Sie machte eine Pause.
Die Patientin blickte teilnahmslos in den Raum, dann wanderte ihr Blick zu Denise und suchte ihre Augen. »Sie meinen also, ich habe Ihren Vertrauensvorschuss missbraucht, ich habe Sie enttäuscht.«
»Das ist zum Teil richtig«, versuchte Denise nun wieder etwas abzuschwächen.
Beide schwiegen.
»Muss ich die Zeit eigentlich auch zahlen, wo wir nicht reden?«
Haha, wirklich lustig. Ich muss ja trotzdem da sitzen. »Das regeln wir schon«, meinte Denise entspannt.
»Andererseits ...«
»Ja?«
»... muss ich sagen, hat mich der Gedanke total erregt, als ich mir vorstellte, was in Ihnen vorging, als Sie bemerkten, dass ich schon weg war, ohne Sie losgebunden zu haben.«
»Was meinen Sie mit erregt?«
»Was meine ich mit erregt? Sie sind witzig. Was werde ich schon damit meinen. Mein Slip war so nass bei der Vorstellung, als hätte ich ihn gerade aus der Donau gefischt.«
Na Servus, dachte Denise und spürte ein zartes Prickeln in ihrem Unterleib. Sie drückte die Beine fest aneinander. Nur jetzt keine Schwäche aufkommen lassen, keine Fantasien und keine Gefühle, sonst bin ich wieder dort, wo ich vor einer Woche auch war – geil und triefend am Schreibtisch. »Unsere Zeit ist schon fast um und ich möchte Sie noch etwas bitten.«
Ohne auf eine Reaktion ihrer Patientin zu warten, fuhr sie fort. »Machen Sie bitte folgendes Gedankenexperiment bis zum nächsten Mal. Stellen Sie sich vor – ausgeruht und nüchtern –, Sie wären an meiner Stelle an den Schreibtisch gefesselt gewesen und ich wäre verschwunden. Nächste Woche erzählen Sie mir dann, wie es Ihnen dabei erging.«
30
Ihr schien es, als hätte sich jemand an die Glocke der Straßentür gelehnt und wäre eingeschlafen. Es begann zu läuten und das Gebimmel wollte kein Ende mehr nehmen. Es war nicht jenes Läuten, das Kinder zum Spaß machten, auch nicht jenes, welches die Patienten verursachten, wenn sie statt beim Arzt bei ihr klingelten, und es war schon gar nicht jenes entspannt höfliche Läuten, das einen geladenen Gast ankündigte. Mürrisch ließ sie das Seil zu Boden fallen und ging mit runden Bewegungen zur Gegensprechanlage.
»Ja!?«
»Ich bin’s, Birgit. Machst du mir auf!?« Kam eine leere, verheulte Stimme aus dem Lautsprecher.
Sie stand bereits in der offenen Wohnungstür, als Birgit aus dem Fahrstuhl trat.
»Um Himmels willen, was ist denn passiert?«, rief sie, als sie das gerötete Gesicht ihrer Freundin sah. »Komm rein.«
»Ich wollt’ dich fragen, ob ich für ein paar Tage bei dir wohnen kann?«
Oh-oh, da hat es sicher Ärger mit dem Alten gegeben, dachte Nicola. »Aber sicher doch. Hab’ ja genug Platz. Komm, jetzt trinken wir erst mal einen ordentlichen Cognac und dann erzählst du mir in aller Ruhe, was war.«
Birgit brach erneut in Tränen aus. Als ihre Freundin mit dem Drink kam, hatte sie noch zwei Taschentücher verbraucht.
»Hier, mein Mädchen.« Sie gab ihr den Cognacschwenker, der mehr als zur Hälfte gefüllt war, legte ihren Arm fürsorglich um Birgits Schultern und merkte erst jetzt, dass sie kaum wahrnehmbar zitterte. Birgit nahm einen großen Schluck.
»Ich hatte Streit mit Tobias. Es ist eskaliert.«
Ach nein, auf das wär’ ich ja nie gekommen, dachte Nicola.
»Ich hab’ schon fast so etwas vermutet.«
Birgit erzählte. Sie hatte erst die Hälfte ihres zweiten großzügig eingeschenkten Glases Cognac geleert, als aus dem Studio eine weibliche Stimme rief: »Was ist denn jetzt? Machen wir nun weiter oder nicht?«
Oh, shit! Mein Model. Auf die hab’ ich ja glatt vergessen. »Das tut mir leid, meine Liebe. In der ganzen Aufregung hab’ ich total auf dich vergessen.« Sie stürzte ins Studio, wo ihr Model, mit auf den Rücken gebundenen Händen seit nunmehr fast einer Stunde am Boden verharrte. »Heut’ ist’s leider etwas ungünstig – mittlerweile.« Nicola befreite sie von den Seilen, gab ihr