Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 2. Manfred Stuhrmann-Spangenberg

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Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 2 - Manfred Stuhrmann-Spangenberg Klein, aber (nicht immer) fein

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Minuten, habe ich schon lange aufgegeben, als ich oben am Ende eines erneuten Anstieges eine Erscheinung habe. Ich sehe ein Pferd, das reglos mitten auf meinem Weg steht. Einige Meter weiter oben erlange ich Gewissheit. Doch keine Erscheinung, da steht tatsächlich ein Pferd. Und weiter hinten noch viel mehr Pferde, eine Handvoll Wanderer, und – der See! Na gut, so viel mehr als zwei Stunden habe ich dann ja doch nicht gebraucht, denke ich.

      Am ersten Pferd vorbei, gehe ich auf ein junges Paar zu, das gerade Selfies von sich und einem Pferd macht. Mein Angebot, dass ich sie doch mit ihrem Handy fotografieren könne, nehmen sie gern an. Gesagt, getan. „Möchten Sie auch ein Foto?“ Klar, auch ich möchte doch ein paar Pferdefotos haben. Ich hole mein Smartphone aus dem Rucksack und reiche es der jungen Frau. Äh, was habe ich da gerade auf dem Display gesehen? Ist es wirklich erst 13.52 Uhr? Nach dem sehr unterhaltsamen Fotoshooting (das Pferd findet großen Gefallen an meinem T-Shirt) erhalte ich mein Handy zurück und schaue noch einmal auf mein Display. Habe ich mich wirklich verguckt? Nun, ich schweige lieber, sonst halten Sie mich noch für einen Aufschneider. Mein selbstgestecktes Ziel habe ich jedenfalls erreicht, ich bitte um Applaus! Zur Belohnung gönne ich mir jetzt die Aprikosen. Ich setze mich auf einen Stein, öffne den Rucksack – und habe umgehend neugierigen (und wohl auch hungrigen) Besuch. Ich kann ja verstehen, dass das Pferd, das sich für das Fotoshooting neben mich gestellt hat, jetzt auch eine Belohnung möchte. Aber das sind mir hier jetzt doch zu viele Pferde. Ich packe also meine Siebensachen und wandere noch ein Stückchen weiter, fast bis an das andere Ende des Sees.

      Hier oben weht mitunter ein kühles Lüftchen, aber in der Sonne, die sich jetzt wieder für eine längere Zeit sehen lässt, ist es traumhaft schön. Ich löse noch ein Versprechen ein und mache es mir dann auf der Wiese bequem. Wem ich was versprochen habe, das bleibt vorerst noch mein Geheimnis. In Island werde ich das Geheimnis lüften, vorher nicht. Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie jemals nach Andorra kommen und die Berge und die Natur lieben: Wandern Sie hier unbedingt hoch zum Estany de l´Estanyó, Sie werden es nicht bereuen. Und wenn Sie dann wieder hinunter gelaufen sind, dann können Sie sich noch eine weitere Belohnung abholen: Im Refugio auf der anderen Seite des Flüsschens kann man im Liegestuhl in der Sonne ein kühles Getränk zu sich nehmen, wenn einem das Glück hold ist! Und danach können Sie sich in Ordino noch das Miniaturmuseum anschauen. Es ist klein und fein!

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      am Estany de l´Estanyó

      Rückspiegel Andorra

      Hatte ich von zwei früheren Kurzbesuchen Andorra vor allem als eine große Anhäufung von Tax-free-Supermärkten, hässlichen Skihotels und erodierten Skipisten in Erinnerung, so bin ich jetzt eines Besseren belehrt. Das Fürstentum Andorra, dieses Unikat in den Pyrenäen, ist ein sehr schönes Land. Unikat deshalb, weil es außer Andorra kein weiteres Land auf diesem Globus gibt, welches zwei gleichberechtigte Staatsoberhäupter hat, die ihren Haupt-Amtssitz im Ausland haben. Andorra wird – zumindest symbolisch, gemeinsam vom französischen Präsidenten und vom spanisch-katalanischen Bischof von Urgell regiert. Bis zu einer Verfassungsänderung 1993 sah das noch etwas anders aus, denn erst mit der neuen Verfassung wurde die exekutive Gewalt einem Ministerpräsidenten übertragen, der dem Parlament verantwortlich ist. So gesehen, ist das bereits seit 1278 als Ko-Fürstentum bestehende Andorra erst seit 1993 ein souveräner Staat. Andorra ist zwar Mitglied der Europäischen Währungsunion, nicht aber der EU, so dass es sich empfiehlt, den mobilen Datenempfang des Smartphones auszuschalten, wenn man auf kostspielige Roaming-Gebühren verzichten möchte.

      Es versteht sich fast von selbst, dass auch Andorra wegen einer äußerst laschen Kontrolle des Finanzmarktes als Steueroase galt. Hier wird gemeinhin Besserung gelobt und stattdessen versucht, den Devisenbringer Tourismus weiter zu entwickeln. Es bleibt abzuwarten, wie behutsam das gelingen wird. Und wie ist es um den Tax-free-Sektor bestellt? Um den Einzelhandel? Hierzu bekomme ich bei Tapas und Cerveza (Schinken- und Käsehäppchen mit Bier) höchst kompetente Auskunft vom Nachbartisch. „Unser Feind heißt Amazon. Ich hatte früher mehrere Geschäfte in der Stadt. Elektrowaren, Handys, auch alle Arten von Tax-free-Produkten. Die Läden musste ich nach und nach alle schließen. Die Leute kommen nur noch in die Geschäfte, um sich die Sachen anzuschauen. Dann gehen sie wieder und bestellen bei Amazon.“ Diese Informationen bekomme ich auf Englisch, denn der siebzigjährige Mann vom Nachbartisch stammt ursprünglich aus Indien. Er spricht allerdings ein nahezu perfektes britisches Englisch, also viel eher Oxford- als Kalkutta-Englisch. Einige Brocken Deutsch lässt er auch vernehmen. Mit seinem Tischnachbarn spricht er Spanisch, aber mit mir bevorzugt er Englisch. Ich glaube, er will vor seinem Freund auch ein wenig mit seinen Sprachkenntnissen prahlen.

      „Jordi der Inder“ (aus naheliegenden Gründen verwende ich hier ein Pseudonym) „so nennen wir ihn hier“, erklärt mir sein Freund. „Er ist hier bekannt wie ein bunter Hund.“ „Und Du bist hier bekannt dafür, dass Du erfolgreich Toto spielst, obwohl Du vom Fußball keine Ahnung hast“, neckt Jordi seinen Freund. Jordi hat ein sehr bewegtes Leben hinter sich. Als er zwei Jahre alt war, starb sein Vater und er musste in ein Heim. Dann kam er in ein Internat und als junger Mann, in den frühen siebziger Jahren, nach Spanien. „Dort habe ich Filme ins Land geschmuggelt, Blue-Movies. Ich flog auf, da einer meiner Kunden ein verdeckter Ermittler war und wurde angeklagt. Ich zog es dann vor, nach Andorra zu ziehen. Inzwischen habe ich schon lange die Staatsbürgerschaft Andorras. Ich habe mit meinen Läden sehr gut verdient. Aber sehen Sie mal, wie hoch jetzt meine Rente ist.“

      Jordi kramt in seinem Beutel und zeigt mir dann einen Zettel. Einen Auszahlungsbeleg über 572 Euro. „Das ist meine monatliche Rente. Davon kann ich nicht einmal meine Miete bezahlen. Also habe ich mir einen Weg ausgedacht, etwas dazu zu verdienen. Ich schmuggele Zigaretten. Genauer gesagt, organisiere ich den Schmuggel. Das bringt mir vier-, fünftausend Euro pro Monat.“ Will Jordi mich veräppeln? Nein, der Mann meint es ganz ernst. „Schon mein Vater war ein Schmuggler. Dann habe ich als junger Mann vom Schmuggel gelebt und jetzt als älterer Mann wieder. Das liegt mir in den Genen.“ Seine Kinder allerdings haben alle studiert und gehen wohl legalen Tätigkeiten nach. „Haben Sie denn keine Angst, dass Sie ertappt werden?“ Über meine Frage kann Jordi nur lachen. Wenn man mir was anhaben will, dann hole ich meinen Rentenbescheid raus und frage die Polizei, wie ich denn von so wenig Geld leben soll. Was soll mir dann passieren?“

      Jordi ist mit sich und der Welt im Reinen. Besonders stolz ist er darauf, dass er mit einem Teil des Schmuggelgeldes die Ausbildung von drei Kindern finanziert. „Es ist schön, wenn man im Alter sagen kann, dass man etwas Gutes tut.“ Die drei Kinder sind übrigens die Kinder von seiner russischen Freundin, die er alle zwei Wochen in Spanien besucht. „Meine Frau weiß nichts von meiner Freundin. Sie denkt, dass ich auf Schmuggeltour bin und wundert sich nur, warum mir der Schmuggel so wenig einbringt.“ Mir als Mediziner vertraut er dann noch ein Geheimnis an. „Ich habe ja etwas erhöhten Blutdruck. Aber wenn ich nach Spanien fahre, dann setze ich meine Hochdrucktabletten ab. Der Blutdruck wird dann ja schon vom Viagra gesenkt.“ Jordi, der Inder, tippt dann noch meine Telefonnummer in sein altes Nokia-Handy. „Hiermit bin ich sicher. Das alte Teil kann nicht so gut nachverfolgt werden wie mein Smartphone.“ Sein Anruf landet dann aber auf meiner Mailbox, da ich in Andorra ja keine Anrufe empfange. (Nachtrag: von Spanien aus rufe ich zurück, aber da hat Jordi keine Zeit für ein Gespräch. Er verspricht, sich wieder zu melden. Darauf warte ich immer noch).

      Amazon, wenn Du wüsstest, dass Du ältere Herren zwingst, einer illegalen Tätigkeit nachzugehen, würdest Du dann Dein Geschäftsmodell ändern? Hallo, Amazon, hörst Du mich nicht? Haaaalllooo! Keine Antwort. Na warte, ich komme auf meinem Weg nach Island ja auch kurz nach Irland. Ich werde nicht lockerlassen, Amazon, so schnell wirst Du mich nicht los. Äh, sag mal, Amazon, Du vertickst doch auch Bücher. Können wir da nicht irgendeinen Deal eingehen? Oh, Mist, jetzt hat Alexa mitgehört und alle meine Leser wissen jetzt, was ich gerade gesagt habe. Amazon, so geht das nicht. Das sehen Datenschützer übrigens genauso, wie ich gerade erfahren habe.

      Noch

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