"Dann müssen die halt mal schwitzen!". Heiko Fritschen
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Dem Juristen stellt sich nun die Frage, ab wann ein Mitarbeiter sein Verhalten derartig ändert, dass daraus eine rechtlich zu beanstandende Tätigkeit wird. Dazu sind ausreichende Erfahrungen über betriebliche Strukturen und Verhaltensweisen erforderlich. Einige Strategien, die Mobber heutzutage anwenden, waren vor Jahren Unterrichtsmaterial für die Führungsebene, galten praktisch als herausragende Fähigkeiten einer Führungskraft. Erst später zeigte sich, dass die dadurch erzeugten Umsatzverluste ein Umdenken sinnvoll erscheinen ließ. Aber auch heute existieren noch diese konservativen Führungskräfte und Management-Ideologien, die von sogenannten Manager-Strategien, Taktiken und Mobbing nicht zu unterscheiden sind. Was auch verständlich ist – sie sind häufig identisch.
In diesem Buch werden verschiedene Lastfälle von Mitarbeiterverhaltensweisen und auch von Führungskräften aufgezeigt. Ziel ist es, eine klare Grenze zwischen dem Verhalten eines AK und eines Mobbenden zu ziehen, aber auch aufzuzeigen, welchen wirtschaftlichen Schaden eine einzelne Aktion beziehungsweise Person in einer Firma anrichten kann. Es wird ebenfalls dargelegt, dass Führungskräfte schnell in die Position eines potenziellen Mobbers rutschen, da sie fachlich von ihren Untergebenen in diese Situation hereinmanövriert werden, also auch schnell nach § 27 StGB der Beihilfe bezichtigt oder durch den § 278 BGB belangt werden können.
Auch den Opfern soll aufgezeigt werden, wie und vor allem mit welchen Dokumenten sie sich für einen möglichen Rechtstreit absichern sollten. Die Rechtsprechung in diesem Bereich ist nicht einheitlich, deshalb sind Prognosen zum Ausgang rechtlicher Auseinandersetzungen derzeit kaum sicher abzugeben. – Allerdings trifft dies auf beide Seiten zu.
Aber selbst bei einer Kündigung sollten die Opfer sich mit Unterlassungserklärungen gegen die Mobber persönlich absichern, was häufig vergessen wird.
1.1 Die rechtliche Sichtweise in der Übersicht
Dieses Kapitel mag etwas spröde sein, ist aber nötig, um die folgenden Festlegungen zu verstehen.
Es existieren verschiedene Urteile. Dabei ist zu beobachten, dass nur wenige Mobbing-Prozesse Erfolg haben.
Der eine Grund dafür ist relativ einfach: Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage. Es existieren somit wesentlich mehr Opfer-Erfolge vor Gericht, aber eben nicht zwingend mit einer Mobbing-Klage. Auch sollte man nicht vergessen, dass die meisten Lösungen über Vergleiche ablaufen. Und auch um einen Vergleich abschließen zu können, brauchen Sie eine vernünftige Datengrundlage.
Der andere Grund ist, dass einige Juristen die Meinung vertreten, dass Mobbing zur Basis der – bitte nicht lachen – „Doktrin der sozialen Konfliktaustragung als allgemeines Lebensrisiko“ gehört und sich deshalb nicht vor ein Gericht gehöre. Andere vertreten die Meinung, dass zur Mobbing-Bekämpfung ein auf das Prinzip der Nulltoleranz gegründeter und als verhaltenskulturelles Steuerungsmittel wirksamer Mobbing-Rechtschutz erforderlich ist.
Da derzeit keiner sagen kann, wie viele Vertreter die jeweilige Seite hat, können Sie genauso gut eine Münze werfen. Sind Sie aber gut vorbereitet, setzt sich der Arbeitgeber diesem Risiko nur selten aus, und wird Ihnen ein Angebot oder einen Vergleich finanzieller Art unterbreiten. Jeder fundierte Vorwurf ist für Sie somit bares Geld wert.
Der Antrag der Bündnis 90/ Die Grünen 18/ 12097 zielt in die Richtung, dieses Problem in der gesetzlichen Regelung zu lösen, was am Ende aber nicht zwingend den Einzug in die Rechtsprechung zur Folge hat.
Natürlich kann in einem Gesetz stehen, dass der Arbeitnehmer sich sanktionsfrei über ein Fehlverhalten seiner Kollegen oder direkten Vorgesetzten beschweren kann. In der beruflichen Realität – wenn Ihre Existenz davon abhängt – sollten Sie mit der Einforderung von gesetzlichen Auflagen durchaus vorsichtig sein.
Der Hauptunterschied zwischen Mobbing und anderen Klagepunkten liegt darin, dass eine einzelne Mobbing-Aktion rechtlich betrachtet neutral sein kann. Im Strafrecht jedoch reicht eine Einzelaktion. Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers und der logischen Systematik der Einzelaktionen trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer. Unabhängig von einem Rechtstreit besteht für den Arbeitgeber auch die Gefahr, selbst als Täter belangt zu werden, woraus das Arbeitsgericht auch schließt, dass der Arbeitgeber bei einem Mobbing-Fall das Recht auf eine außerordentliche Kündigung hat (LAG Thüringen 15.02.2000, 5 Sa 102/2000). Auch muss der Arbeitgeber sich schützen dürfen, um zu verhindern, dass ein Mitarbeiter sich auf ein Zurückhaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB beruft und der vertraglichen Arbeitsleistung nicht mehr nachkommt. Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber jedoch auch zusätzlich Schadenersatzansprüche gegen den Mobbing-Täter geltend machen.
§ 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung
(2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
Somit kann bei einem Verstoß, der in einem Urteil eine Schadenersatzklage gegen den Arbeitgeber zu Folge hat, dieser Arbeitgeber auch den Auslöser – den Mobbenden – zur Rechenschaft ziehen. Auch deshalb kann das sogenannte Mobbing auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Für die Einhaltung der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bestehenden zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB:
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) 1 Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
2 Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
3 Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Es muss also nicht zwingend eine Kette von Mobbing-Aktionen sein – der Arbeitgeber kann somit zum Schutz der Firma auch bei einer Einzelaktion bereits handeln. Das tatsächliche Problem liegt an der unterschiedlichen Wahrnehmung der Verursacher des Schadens. Ein Vorgesetzter kann seinen Untergebenen als Telefon-Hure bezeichnen, gibt aber einem anderen Mitarbeiter eine Abmahnung, weil dieser in einer Mail seinem gleichgestellten Kollegen direkt schreibt, dass „in der Planung keine Struktur ist“. Begründet wird diese Abmahnung seitens GF dann mit der gestörten Umgangsform, so gehe man in dieser Firma