Wie konnte Gott Mensch werden?. Lukas Ohly

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wie konnte Gott Mensch werden? - Lukas Ohly страница 11

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Wie konnte Gott Mensch werden? - Lukas Ohly

Скачать книгу

wesensgleich. Sie unterscheiden sich darin, dass sie in diesem Prozess unterschiedlich bestimmt werden. Sie unterscheiden sich nicht darin, dass sie zugleich bestimmend sind. Man könnte somit auch zwischen Gottes Wesen und seinen Hypostasen so unterscheiden, dass das Wesen den Bestimmungsprozess meint, der also im Gang ist, während die Hypostasen in ihrer Unterschiedlichkeit das Ergebnis beziehungsweise den Gehalt des Bestimmungsprozesses darstellen. Spricht man dagegen vom gleichen Wesen der Hypostasen, so betont man ihren prozessualen Charakter im Bestimmungsprozess.

      Für uns Menschen gilt nun, dass das Bestimmtwerden durch Gottes Wesen unser Wesen ausmacht. Dass wir darüber hinaus auch selbst Bestimmungsprozesse anregen, ist für unser Menschsein nicht wesentlich, sondern individualisiert uns und unterscheidet uns gerade voneinander. Für den Menschen gilt also genau das Umgekehrte wie für Gott, dass nämlich die passive Seite, das Bestimmtwerden, sein Wesen ausmacht, während seine aktive Seite für seine menschliche Natur unwesentlich ist, sondern nur das individuelle Wesen des „Dies-da“ betrifft.

      Mein hier vorgeschlagener Entwurf einer relationsontologischen Lösung der Zweinaturenlehre lässt sich natürlich nicht streng aus dem Chalcedonense deduzieren. Dafür ist dieses Bekenntnis terminologisch und in den begrifflichen Verhältnissetzungen nicht scharf genug verfasst. Allerdings eröffnet das Bekenntnis von 451 ein solches relationsontologisches Denken. Die Lehre von der sogenannten „Perichorese“, wonach sich die trinitarischen Personen wechselseitig durchdringen, stammt zwar erst aus dem Mittelalter und wurde etwa von Johannes Damascenus entwickelt. Allerdings hatte schon die alte Kirche im nestorianischen Streit ein solches Denken angebahnt.[34] Perichorese (deutsch: gegenseitige Durchdringung) besagt, dass sich Personen gegenseitig durchdringen und sich somit vereinigen. Während im fünften Jahrhundert perichoretisches Denken die Problematik lösen sollte, wie Christus eine Person ist, obwohl beide Naturen ihre eigene Personalität besitzen, hat Johannes Damascenus im 8. Jahrhundert die Idee der Perichorese erreichen wollen, dass sich die drei Personen Gottes zu einem Wesen vereinigen. Damit betont Johannes den prozessualen Charakter des göttlichen Wesens. Mein Vorschlag greift diesen Impuls auf, das Wesen Gottes dynamisch zu verstehen. Dabei habe ich versucht, das Chalcedonense von Aporien zu befreien. Eine solche Interpretation lag den Verfassern des Chalcedonense noch fern, was sich daran zeigte, dass es den christologischen Streit nicht nachhaltig besänftigte, sondern den monophysitischen Streit zur Folge hatte. Aber ein solches relationsontologisches Denken bahnten sie mit dem Bekenntnis an.

      Die lutherische Interpretation der Communicatio Idiomatum

      Texte Luthers: E. Hirsch: Hilfsbuch zum Studium der Dogmatik; Berlin/Leipzig 1937 (im Folgenden H abgekürzt)

      Konkordienformel: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK); Göttingen 198610 (739–1100), 805–812, 1017–1049

      Die Communicatio Idiomatum, also die Gemeinschaft der Eigenschaften zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus, ist seit dem Mittelalter ein Modell gewesen, um die differenzierte Einheit Christi zu bestimmen. Dennoch bedurfte sie in der Reformationszeit einer Revision. Anlass war der sogenannte Abendmahlsstreit zwischen Martin Luther und Huldrych Zwingli. Beide debattierten darüber, ob Christus in seiner menschlichen Natur beim Abendmahl anwesend sei, wenn es in den Einsetzungsworten heißt: „Das ist mein Leib.“ Seine persönliche Gegenwart beim Abendmahl stand dabei außer Frage. Zwingli betonte die geistliche Präsenz Christi beim Abendmahl und meinte deshalb, dass Christi Leib nicht real in Brot und Wein sei.[35] „Das ist mein Leib“ sei „non naturaliter sed significative“[36] zu verstehen. Dagegen hat Luther auf die sogenannte Ubiquitätslehre zurückgegriffen, um die leibliche Präsenz Christi beim Abendmahl zu erklären. Bei der Ubiquitätslehre handelt es sich um die Vorstellung, dass der erhöhte Christus nach seiner göttlichen Natur allgegenwärtig ist und deshalb auch überall sein kann, wo er will (H 38). Dies gelte auch für Christus nach seiner menschlichen Natur, weil beide Naturen in einer Person vereint seien (ebd.). „Aus dieser Wahrheit des zwiefachen Wesens … und der Einheit der Person folgt jene sogenannte Communicatio Idiomatum … also daß das, was des Menschen ist, mit Recht von Gott, und wiederum, was Gottes ist, vom Menschen gesagt werde … Man sagt in Wahrheit: Dieser Mensch hat die Welt geschaffen, und dieser Gott hat gelitten, ist gestorben, begraben usw.“ (H 39f.).

      Aus diesem Unterschied zwischen Zwingli und Luther entwickelten sich bei beiden konfessionellen Richtungen unterschiedliche Varianten der Communicatio Idiomatum.

      1. Einig waren sich beide Richtungen, dass alles, was von Christi Person gesagt werden könne, auch von ihren Naturen gelte, auch wenn eine Natur für sich selbst genommen diese Eigenschaft nicht habe. Auch wenn also die Gottheit oder göttliche Natur nicht leiden kann, hat sie in Christus gelitten. Dies nennt man das genus idiomaticum, die Gemeinschaft der Eigenschaften in Form ihrer Übereignung auf die Person Christi.

      2. Einig waren sie sich auch, dass beide Naturen in ihren jeweiligen Eigenschaften am Heilswerk Christi teilnehmen, und zwar in Gemeinschaft mit der anderen Natur. Dies nennt man das genus apotelesmaticum, die Gemeinschaft der Eigenschaften in Form der Hervorbringung des Heils. Wenn Christus durch seine göttliche Natur Menschen heilte, so hatte seine menschliche Natur daran Anteil, auch wenn die menschliche Natur dazu selbst nicht fähig war. Die Konkordienformel, eine Schrift des Luthertums aus dem Jahr 1577, also 31 Jahre nach Luthers Tod, interpretiert das genus apotelesmaticum aber nicht im Sinne einer Synergie beider Naturen. Es ist also nicht so gedacht, dass Christus mit Hilfe der menschlichen Natur von Krankheiten heilen konnte, zu denen seine göttliche Natur allein nicht fähig gewesen wäre. Vielmehr gilt: „eine Natur wirket mit Gemeinschaft der andern, was einer jeden Eigenschaft ist“ (1031). Und doch hat nicht die göttliche Natur allein geheilt, sondern nur in Personeneinheit mit der anderen Natur.

      3. Strittig war nur der eine Punkt, ob die menschliche Natur Eigenschaften der göttlichen Natur empfängt. Wenn Luther behauptet, der Leib Christi könne aufgrund seiner Ubiquität beim Abendmahl real präsent sein, so schreibt er dem menschlichen Leib Christi eine Fähigkeit zu, die nur für die göttliche gilt: allgegenwärtig sein zu können. Diese Eigenschaftsübereignung der göttlichen an die menschliche Natur in Christus nennt man das genus maiestaticum – weil die Eigenschaften der göttlichen Majestät an die menschliche Natur übertragen werden. Luthers Erklärung, warum Christus beim Abendmahl leibhaftig anwesend sein könne, entwickelte sich zum entscheidenden Streitpunkt, ob es das genus maiestaticum gebe oder nicht. Obwohl für Luther die Ubiquität Christi nur ein Behelfsmodell war und obwohl für Zwingli die Ablehnung der Realpräsenz Christi nicht in der Ablehnung der Ubiquität begründet war, entwickelten die lutherische und reformierte Theologie daraus den entscheidenden Differenzpunkt: „ob denn die Naturen in der persönlichen Vereinigung in Christo nichts anders oder nicht mehr denn nur allein ihre natürliche, wesentliche Eigenschaften haben“ (1032). Die Reformierten lehnten das genus maiestaticum ab. Die Lutheraner lehnten zwar auch ab, dass die Eigenschaften der menschlichen Natur an die göttliche Natur übertragen werden. Aber das Umgekehrte war für sie eine Bedingung, um die Realpräsenz Christi beim Abendmahl zu begründen: Christus ist beim Abendmahl leiblich anwesend, weil er allgegenwärtig sein kann. Und er kann allgegenwärtig sein, weil diese göttliche Eigenschaft auf die menschliche Natur übertragen wird, zu der auch die Leiblichkeit gehört.

      Mit dem genus maiestaticum handelten sich die Lutheraner allerdings ein Folgeproblem ein: Wenn die menschliche Natur göttliche Eigenschaften empfängt, dann steht sie in Widerspruch zu sich selbst: Sie ist dann sterblich und unsterblich, leidensunfähig und hat trotzdem gelitten. In der Konsequenz droht ein Doketismus, weil dann Christus nur scheinbar gelitten haben kann. Denn weil es kein Gegenstück für das genus maiestaticum gibt, bei dem die menschliche Natur ihre Eigenschaften der göttlichen überträgt, besteht also eine klare Unterordnung in der Geltung der Naturen in Christus. Die göttlichen Eigenschaften, die der menschlichen Natur übertragen worden sind, dominieren dann die menschlichen Eigenschaften innerhalb der menschlichen Natur.

      Um dieses Problem zu lösen,

Скачать книгу