Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders. Birgit Ebbert
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Читать онлайн книгу Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders - Birgit Ebbert страница 15
Ein Löwe mit einer hellbraunen Mähne zerrte an der Jeans eines Mannes, der reglos auf dem Käfigboden lag.
»Du wirst nicht mehr drohen, mich anzuzeigen, Jonathan!«, rief Vindicta dem Mann zu. Er konnte sie nicht mehr hören. Seine Halsschlagader war bereits durchtrennt und eine Löwin knabberte an seiner Schulter, als hätte sie eine lange Zeit nichts zu fressen bekommen. Hatte sie auch nicht, diese Aufgabe hatte Vindicta viel Zeit gekostet. Sie hatte sich als Pflegerin in den Zoo eingeschlichen und monatelang mit Widerwillen den Löwen ihr Fleisch hingeworfen. Nur in den letzten Tagen nicht.
»Dafür bekommt ihr heute ein Festmahl, meine Schätzchen.« Vindicta sprach leise auf die Tiere ein. »Weißt du, Jonathan, du hast mich echt genug genervt, dabei gehörst du selbst hinter Gitter«, sagte sie zu dem Mann und nahm den letzten Schluck aus ihrem Champagnerglas.
»Sie sind ein Naturtalent«, lobt mich die Trainerin, als ich beim dritten Versuch den Pfeil genau ins Schwarze treffe.
Mir ist oft aufgefallen, dass ich Auge und Hand gut koordinieren kann. Während andere krumme Linien zeichnen und Dinge schief ausschneiden, sind meine Ergebnisse immer exakt ohne Ecken und Schlenker. Wenigstens eine Begabung, selbst wenn sie mir außer beim Bogenschießen nichts nützt.
Die Trainerin versucht augenblicklich, mich als Mitglied für ihren Club zu gewinnen.
Ich erbitte mir Bedenkzeit. Was soll ich in einem solchen Verein. Ich muss damit rechnen, dass er von der Polizei als erstes überprüft wird, wenn man den Eisberg mit einem Pfeil in der Kehle findet.
Die Frage ist nur: Wie komme ich an Pfeil und Bogen? Es muss Läden geben, die so etwas vertreiben. Am besten wäre ein Kaufhaus, in dem ich anonym bleiben könnte. Sobald ich zu Hause ankomme, schreibe ich diese Frage auf die Todo-Liste.
Erst einmal muss ich mein Zuhause erreichen. Mein Hochgefühl verschwindet wie die Luft aus einem Luftballon, als mein schnuckeliges, kleines Auto beim Anlassen nur ein »Brrr« von sich gibt. Als hätten sich die 54 PS in echte Pferde verwandelt, die verärgert unter der engen Motorhaube stehen.
Ich warte eine Minute, dann versuche ich es erneut. Das »Brrr« hört sich etwas munterer an, führt aber zu keinem Ergebnis.
Ich wusste es. Die Pechsträhne hört nicht auf. Ich kenne niemanden hier in Herne. Wenn wenigstens die Trainerin vorbeikäme. Ich würde Mitglied in ihrem Club werden, damit sie mein Auto überbrückt. Das Überbrückungskabel liegt allerdings in meiner Wohnung, weit weg von seinem eigentlichen Bestimmungsort. Ich habe es verliehen und danach nicht wieder in den Wagen gelegt.
Inzwischen ist von meinem Elan nichts mehr übrig. Ich könnte heulen und tue es auch. Wie ein zehnjähriges Mädchen sitze ich im Auto und schluchze über das Unglück, das ausgerechnet mich als Ziel seiner Aktivitäten auserkoren hat.
Vielleicht gibt es nicht nur Amor, der mit seinen Pfeilen Paare verkuppelt, sondern auch Mephistor, der mit Pfeilen Unglück anzettelt.
»Brrr!« Das Auto gibt weiterhin nur Wieherversuche von sich. Schluchzend ziehe ich an dem Griff, der die Motorhaube öffnet, und klettere aus meinem warmen Auto.
Es wird nichts nützen, wenn ich in den Motorraum schaue, ich habe keine Ahnung, wie ein Auto funktioniert.
»Kann ich Ihnen helfen?« Fast hätte ich den Mann nicht verstanden, weil er einen merkwürdigen Akzent hat.
Meine Antwort kommt beinahe zu spät. Er will schon weitergehen. Ich sehe ihn an. Er ist nur etwas größer als ich, etwa gleichaltrig, ein bisschen zu dick für meinen Männergeschmack und trägt eine dieser albernen Kappen, die heute in sind. Das wirkt in seinem Alter albern, finde ich, vielleicht liegt das aber auch an seiner unglaublichen Brille. Sie sieht aus, als wäre sie fünfzig Jahre alt. Damit kann der Typ locker als Halloweenmonster durchgehen: dicke, große Gläser, dicker schwarzer Rand mit orangefarbenen Bügeln.
»Mein Auto springt nicht an«, erkläre ich mein Problem und weise sofort darauf hin, dass mein Überbrückungskabel leider nicht zur Verfügung steht.
»Das schaffen wir schon.« Dieser einfache Satz hört sich bei ihm exotisch an. Die »sch«s überwiegen eindeutig und erklingen auch da, wo eigentlich keine sind. Das »n« mag er wohl nicht, er lässt es einfach weg. »Des schaffe mir scho«, oder so ähnlich.
Der Mann fährt seinen Wagen parallel zu meinem Auto, sodass die beiden Motoren nebeneinander stehen. Als ich das Kennzeichen seines Wagens wird mir klar, warum er so merkwürdig spricht. MTK sagt mir zwar nichts, wird aber wohl für einen Landkreis in den neuen Bundesländern stehen. Diese Autokennzeichen sind mir nicht geläufig. Fast alle anderen kenne ich aus meiner Kindheit, als wir auf Urlaubsfahrten mit unendlicher Geduld »Kennzeichen raten« gespielt haben. Wer die Herkunft der meisten Autokennzeichen wusste, hatte gewonnen.
Als meine Schwester und ich älter waren, haben wir die Spielregeln abgeändert, da galt es, aus den Kennzeichen kleine Sätze zu bilden. Je verrückter, umso mehr Punkte bekam man.
Das Kennzeichen meines Retters, MTK – KD, wäre damals zu »Meine Taube kackt kleinen Dreck« geworden.
»Hallo, sind Sie noch da?« Der Mann steht vor mir und zeigt auf das Überbrückungskabel, das er bereits angeschlossen hat. »Sie sollten jetzt Ihren Motor starten.«
Verwirrt starre ich ihn an. Ich habe wirklich nicht bemerkt, wie er das Kabel angeschlossen hat, weil ich so intensiv über einen blöden Satz mit seinem Autokennzeichen nachgedacht habe.
Ich versuche, mein Grinsen zu verstecken. Ob ich ihm den Satz verraten soll?
Ich steige in mein Auto und starte den Motor. Kein »Brrr« antwortet mir, sondern ein sanftes Brummen aus dem Motorraum. Wie schön das klingt!
»Vielen Dank!«, stammele ich vor Glück. »Was bekommen Sie denn für Ihre Hilfe?« Der Satz ist mir einfach so entwischt. Am liebsten hätte ich ihn zurückgeholt. Er klingt furchtbar spießig.
Warum habe ich nicht einfach gesagt: »Darf ich Sie zum Dank zu einem Kaffee einladen?« oder »Ich würde Ihnen gerne als Dankeschön mein letztes Buch schicken.« Ich habe zwar keins geschrieben, aber das hört sich cool an. Nicht wie »Was bekommen Sie denn?« Kotz!
Der fremd klingende Mann schüttelt den Kopf. Er sagt etwas, das ich interpretiere als »Das habe ich gerne getan«, steigt in sein Auto und fährt davon, während ich mich abwechselnd als »Dumme Kuh« und »blöde Ziege« beschimpfe.
12 - Mit den eigenen Waffen
»Klirr, klirr«, machte es vor dem Fenster, an dem Vindicta saß, um einen Text zu bearbeiten. Es schepperte und klirrte bereits den ganzen Morgen. Als sie aus dem Fenster sah, bemerkte sie den blauen Pavillon, der mitten auf der Straße aufgebaut worden war. Männer in blauen Latzhosen gingen dort ein und aus. Sie trugen lange Metallstangen, die sie auf einen kleinen Stangenberg warfen.
Vindicta beschloss, sich selbst etwas Gutes zu tun und diese lästigen Menschen aus ihrem Hörfeld zu beseitigen. Dem Wettergott schien ihr Vorhaben zu gefallen, er sorgte mit einem heftigen Regenguss dafür, dass die Straßen innerhalb weniger Minuten wie leer gefegt wirkten. Nur die beiden Handwerker trugen unermüdlich Metallstangen aus dem Haus und warfen sie scheppernd auf den