So weit weg uns doch ganz nah. Eomée Wächter
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Viele Menschen kamen, Freunde, Lehrer, Bekannte, Nachbarn … ich habe nicht viel in Erinnerung, das ist wohl so, wenn man ein Kind beerdigt. Es war schön dekoriert, Timos Lieblingsmusik spielte, viele saßen einfach nur da und betrachteten den Sarg, das große Bild, welches auch auf seiner Gedenkseite zu sehen ist, daneben. Jeder hat für sich Abschied genommen, hatte Zeit dafür, kein Bedrängnis, den ganzen Nachmittag. Die Baumüllers haben das so wunderschön arrangiert, mit Geduld und Liebe zu ihrer Arbeit, die ich niemals machen könnte.
Kurze Zeit später fuhr Timo seine letzte Strecke nach Coburg zur Einäscherung und kam in einer weißen Urne verpackt wieder nach Erlangen. Dort bei den Baumüllers wurde sie in einem wunderschön geschmückten kleinen Raum abgestellt und wir konnten uns leise und so lang wir wollten, uns nochmal von ihm verabschieden. Die Urne hatte ungefähr das Geburtsgewicht von Timo: 3210 g.
Am 22.11.13 kam der Tag, wo ich Timo abgeben musste, endgültig. Ich konnte ja kaum schlafen und ich wollte doch mit Timo noch soviel reden, ihm sagen, wie ich ihn liebe, was er für ein wunderbarer Sohn war. So entstand die Idee, dass ich ihm meine letzten Worte und Gedanken an seiner Beerdigung vorlese und schrieb zugleich nachts am PC meine Zeilen an ihn.
Hier an dieser Stelle muss ich vermerken, dass ich immer wieder, Monate vor Timos Tod sogenannte Tagträume hatte und es auch einmal richtig träumte, immer den selben Traum: Ich stand in einer großen Kirche, viele Menschen versammelt, bis zum letzten Platz ausgefüllt, vorne am Rednerpult und las etwas. Ich sah eine Urne, es war eine Beerdigung, doch ich wusste nicht, von wem. Hätte ich doch nur einmal die vordersten Reihen näher betrachtet, dann hätte ich gesehen,dass du Timo nicht auf der Bank gesessen bist. Ich habe als Mutter dich verabschiedet in der Kirche in meinen Träumen. Das ist schrecklich, im Nachhinein zu erfahren, dass ich Signale von der geistigen Welt bekam und diese einfach nicht umsetzen konnte, wie das Nachtgedicht, Stunden vor deinem Tod. Hätte ich dich doch noch angerufen, hätte ich … hätte ich …
Auch der 6. August 2013 war für mich ein schlimmer Tag. Ich erhielt einen Anruf von einem Freund von Timo, dass er im Krankenhaus sei. Sie campten am Brombachsee, viele Freunde, und Timo wurde von einer Wespe gestochen. Eine Schulfreundin, Clarissa, bemerkte, dass Timo sein Gesicht verzehrte und sogar weinte vor Schmerz und fragte nach. Sie reagierte sofort und rief den Krankenwagen an, Timo hatte einen anaphylaktischen Schock, der tödlich enden konnte. Doch er wurde gerettet und freute sich noch im Krankenhaus darüber, dass er im Trockenen lag, weil gerade an diesem Tag ein großer Sturm aufkam und die Zelte zerstörte. Auch habe ich gehört, dass sich fesche Schwestern dort um ihn gekümmert haben. Ja, das war mein Timo, ein Genießer und lebensbejahender junger Mensch.
Doch seit diesem Tag hatte ich Angst um Timo, nervte ihn, dass er sich melden soll, wenn er wegfährt und sicher dort ankam. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, denn das war die Jahre zuvor nicht. Ich spürte, dass was „im Busch“ ist, dass ich Timo verlieren werde und schob es dem bevorstehenden langen Urlaub auf Neuseeland zu. 1,5 Jahre ohne Timo, weit weg … welche Mutter ist schon damit freiwillig einverstanden, sein Kind so weit weg zu wissen. Vielleicht ist es dieser anstehende Verlustschmerz, wenn ein Kind auf Reisen geht, eine lange Zeit … doch es wurde eine Reise ohne Wiederkehr … eine Reise in die geistige Welt.
Am 22.11.13 um 13.30 Uhr fuhren wir zum Friedhof, stiegen aus und gingen langsam in Richtung Halle. Meine Beine wurden immer schwerer, das Atmen fiel schwer, mir war schwindelig. Immer wieder sagte ich mir, dass es doch nur ein Traum ist, aus dem ich bald erwachen werde …
Viele Menschen waren da, sie passten alle nicht in die Halle, deswegen wurde die Tür weit geöffnet und auch dort ein Bild von Timo aufgestellt. Robin links und Fabian rechts von mir, mich und uns stützend, gingen wir hinein. Die helle Urne, umrahmt mit einer liegenden Acht aus Blumen gestaltet, rechts brannte eine Kerze. Daneben nochmal ein Bild von Timo.
Die Rede des Pfarrers, mit dem ich einige Tage zuvor stundenlanges Gespräch hatte, der ihn konfirmierte, ihn auch kannte als Schüler im Religionsunterricht, war sehr lang. Timo hat in vielen Menschen einen tiefen Eindruck hinterlassen, so wohl auch beim Pfarrer. Ich bat ihn, mich an das Pult zu holen, damit ich meine letzten Worte als Mutter an meinen erstgeborenen Sohn Timo richten darf. Es war so weit, ich zitterte, hatte kaum noch Kraft aufzustehen und dennoch schaffte ich es, mich nach vorne zu bewegen, meinen Zettel aus der Jackentasche zu holen und meine letzten Worte an ihn zu sprechen:
„Ich versuche nicht mehr zu fragen „Warum“? Ich versuche zu verstehen, Antworten zu bekommen von meinem Herzen, denn mein Verstand findet sie nicht. Nun bin ich an einer großen Mauer angekommen, stehe still, bewegungslos vor Schmerz. Ich bräuchte mich nur umzudrehen, um die vielen Wege, die sich mir zeigen, zu erkennen, wahrzunehmen,zu gehen, mit deinem wunderbaren Bruder Robin und unserem lieben Hund Sammy. Doch ich bin blockiert vor Schmerz und Ratlosigkeit. Mein Mutterherz brennt lichterloh und ich hoffe, dass das schmerzende undefinierbare Feuer mit der Zeit kleiner wird.
Dieser Weg, der für uns, für dich, Robin, Sammy und mir zusammen bestimmt war, ist nun versperrt. Eine große Mauer – kein Durchkommen mehr. An dieser Wand stehe ich nun, bräuchte mich nur umzudrehen, doch die vielen Erinnerungen, dein wundervolles erfülltes Leben, dein Lachen, deine Stärke, dein Optimismus, lassen es nicht zu. Der Schmerz nagt in meinem Mutterherzen, Schmerzen, die nicht zu beschreiben sind. Du bist gegangen, viel zu schnell, zu jung. Unbegreiflich, unfassbar. Ich versuche nicht mehr zu fragen „Warum“?
Du hattest deinen Lebensplan gesteckt, geplant und dich darauf gefreut. Deine große Lebensfreude spiegelte sich stets in deinen Augen. Dein Ziel: Neuseeland.
Von dort habe ich dich im Januar 1994 mitgebracht, als wir, dein Vater und ich, aus einem langwöchigen Urlaub zurückkamen. Und dorthin wolltest du wieder – zu deinem Ursprungsland Neuseeland. Ich stehe an der großen Mauer und ich verspreche dir, dass ich mich baldigst umdrehe, mit Robin an der Hand und Sammy an der Leine unseren neuen Weg zu gehen. Dich stets in unserem Herzen begleitend, Du – unser Schutzengel auf unserem neuen Weg. Es werden uns deine Freunde, unsere kleine Familie und viele liebe Freunde begleiten, dessen bin ich mir sicher und dankbar dafür.
Mein Verstand will es nicht begreifen, was geschah, deswegen spreche ich aus meinem Mutterherzen. Ich liebe dich bis in alle Ewigkeit, verspreche dir, dass wir nicht mehr viel weinen werden, denn du warst ein lebensfroher und mutiger junger Mann, von Kindheit an hast du gestrahlt. Deine Augen – deine Seele – deine Liebe. Ich, wir alle werden das niemals vergessen immer daran denkend.
Du hast wundervolle zwei Brüder, Robin und Fabian, wunderbare Freunde, eine kleine Familie und schier endlose Bekannte und Wegbegleiter um dich herum, sie lieben dich, sie schätzen dich, deine Worte, Ideen und Wirken. Ich spreche in der Gegenwart, denn es gibt keine Vergangenheit oder Zukunft. Es gibt nur das HIER und JETZT!
Ich weiß, du fehlst ihnen allen sehr, auch sie werden dich im Herzen tragen, auch Kraft daraus schöpfen, wenn sie eine Mauer vor sich stehen haben.Dann wirst du da sein, ihnen helfen, sich umzudrehen, ihnen den Weg zeigen, ihnen Mut zusprechen über ihr Herz. Dein Lebenswille, deine allumfassende Liebe, das wird uns Kraft geben, den neuen Weg zu gehen. Bald! Nicht jetzt! Nicht heute!! Wir lieben dich und ich danke dir für die wundervollen doch sehr kurzen Jahre, so ereignisreich, voller Erlebnisse … daran werden wir alle Kraft schöpfen können.
Ich danke all den Freunden, Bekannten, die nun hier sind, auch den Wegbegleitern, die nun in Gedanken bei uns sind, weil sie aus verschiedenen Gründen heute nicht hier sein können.
Timo, du wirst auf einer anderen Ebene