Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56. Klaus Perschke
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Nachdem der 1. Steuermann mich mehrere Male mit einem Blick auf das achteraus aufwirbelnde Schraubenwasser kontrolliert hatte, konnte er sich kurzfristig der Ortsbestimmung widmen, in diesem Fall der Funkpeilung. Wir fuhren quasi auf einem Funkstrahl, den ein Richtfunkfeuer von Kalmar pausenlos aussendete. Wichen wir von unserem Kurs nach Backbord-Seite ab, dann sendete das Funkfeuer den Morsebuchstaben A, also Punkt Strich, kam ich dagegen nach Steuerbord vom Kurs ab, dann sendete das Funkfeuer den Morsebuchstaben N, also Strich Punkt. Der Steuermann stand praktisch hinter mir im Kartenraum, hatte den Kopfhörer auf korrigierte somit den Ansteuerungskurs zum Funkfeuer von Kalmar. Je näher die ACHILLES sich Kalmar näherte, desto diesiger wurde es. Die Sicht betrug drei bis vier Seemeilen. Man konnte jetzt schwarze Fahrwasserpricken erkennen, die ich alle an der Steuerbordseite lassen musste. Wir hatten aber auch entgegenkommenden Schiffsverkehr, also andere Kümos, die mit Schnittholz an Deck aus Nordschweden Richtung Kiel-Holtenau wollten.
Als der Alte auf der Brücke erschien, war er erstaunt und natürlich ärgerlich Aber der Steuermann beruhigte ihn sofort. „He mokt dat ganz good, he is gor nich so dusselig, as ick dacht. He stüert as son Profi“. Offenbar war auch er von meinen Steuerkünsten überzeugt. „De dusselige Moses kann stüern as’n Profi, kaum to gleubn. Villicht ward he joa doch noch n Seemann.“ Trotzdem war er gar nicht so einverstanden, dass der Steuermann so eigenmächtig gehandelt hatte. Ein Moses gehört in erster Linie in die Kombüse und wenn Not am Mann ist an Deck. Doch in diesen Fall brauchte der Steuermann bei der engen Ansteuerung von Kalmar Unterstützung, denn die anderen Jan Maaten wühlten in der Vermessungsluke und an Deck rum. Also wurde ich kurzfristig von einem der Brikettsverlegergang abgelöst und tauchte wieder in die Kombüse ab. Genug gab es für mich ja zu tun. Da die engste Stelle bei Kolmar ungefähr so breit ist wie der Kielkanal, musste mein Ablöser, der Jungmann, bei diesen Sichtverhältnissen höllisch auf den entgegenkommenden Schiffsverkehr aufpassen.
Nach dem Passieren von Kolmar ging es weiter auf einem durch Pricken eingerichteten Zwangsweg durch den Kolmarsund in Richtung Südansteuerung der Stockholmer Schären. Aber außerhalb des nördlichen Kalmar Sunds passierte plötzlich etwas Unfassbares: Der neue Deutz-Hauptdiesel blieb plötzlich stehen. Er gab seinen Geist auf. Herr Richters wurde von Fritz von Busch in den Keller geschickt und sollte ihn wieder zum Laufen bringen. Herr Richters ging nach einer Checkliste vor, die ihm der Garantieingenieur von Deutz, Herr Allerding, übergeben hatte. Nichts wurde übersehen oder ausgelassen. Der Tagestank war voll Marine-Diesel, die Kompressionsluftflaschen waren auch voll aufgepumpt, trotzdem wollte er nicht anspringen. Fritz von Busch wurde ungeduldig und ließ den Matrosen zusammen mit der restlichen Deckgang ein so genanntes Großsegel, welches er aus der abgesoffenen BERTA VON BUSCH geborgen und reparieren lassen hatte, aus dem Kabelgatt an Deck holen und am Vormast auf der Back anbringen. Eine Knochenarbeit. Doch am Ende stand das Segel im vollen Wind, und man konnte die ACHILLES sogar auf Kurs halten. Nach dem Segelsetzen tauchte Herr Richters noch einmal in den Maschinenraum ab, kam auf den Gedanken, noch einmal die Kompression durchzutörnen, den Motor auf Betrieb zu stellen, blies ihm noch einmal eine Ladung Pressluft vor’n Arsch - und tatsächlich!, der alte Bock startete wieder. Und hielt auch durch. Der Alte ließ das Großsegel wieder bergen, änderte aber den Kurs zurück nach Kalmar, wo wir einliefen und er eine Maschinengang kommen ließ, die die Deutz-Hauptmaschine unter die Lupe nahm und erstaunlicherweise einen Nockenwellenschaden feststellte. Dieser konnte nach einem Tag behoben werden. Danach ging es weiter in Richtung Stockholmer Schären, um die Route nach Gävle abzukürzen.
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