Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56. Klaus Perschke

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Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56 - Klaus Perschke

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Weitere Posten mit Kalaschnikows bewaffnet, standen am Kai vorn am Steven und hinten am Heck. Vielleicht hatten sie ja auch den Auftrag, die Stücke Klopapier zu kontrollieren, die achtern beim Spülen der Toiletten in das Hafenbecken flossen. Wenn der 2. Steuermann an Land wollte, um den Tiefgang abzulesen, dann musste er seinen Hafenpass, den die Grenzpolizei uns ausgestellt hatte, am Fallrepp beim Posten abgeben. Weiterhin wurde er von einem zweiten Posten begleitet, der genau hinsah, was er aufschrieb, obwohl er nichts davon verstand. Also, die Herren der Hafengrenztruppe waren sehr, sehr zugeknüpft. Nicht mal grüßen konnten sie einen kleinen Moses. Das war echt bewegende Weltgeschichte. Die Realität im Jahre 1951.

      Der größte Witz: Sogar oben im Brückenhaus und vorn, vor unserem Niedergang in die Logis stand ein Uniformierter in Knobelbechern zum Beobachten. Wer wollte wen vor was beschützen? Okay, es wurde gelöscht, sogar nachts wurde durchgearbeitet, mit anderen Worten, wir wurden ruckzuck entladen. Eine Spezialgang fegte jedes Fitzelchen Schrott im Laderaum zusammen, denn es durfte ja nichts verloren gehen. Aber unser Schutzengel hatte uns nicht im Stich gelassen. Keiner von den Apparatschicks kam auf die Idee, einen Bilgendeckel hochzunehmen und nachzuschauen. Was für ein Glück, das wäre voll in die Hosen gegangen!

      Unsere Finkenwerder Haudi-Gang wurde während der Hafenliegezeit immer blasser und grüner im Gesicht, so, als wären sie alle magenkrank. Ihnen schmeckte kein Frühstück mehr, kein noch so gut gekochter Kaffee, den ich ihnen gemacht hatte, sie zitterten sogar am ganzen Körper, kotzten vor Angst, sie waren fast seekrank. Erst als der Laderaum leer und von den Hafenarbeitern verlassen war und unsere Leute die Luken seeklar machen durften, ging es ihnen langsam besser. Die Steuerleute konnten sich auf das Unwohlsein unserer Spezies auch keinen Reim machen. Vielleicht hatte der Moses was Falsches gekocht? War aber nicht der Fall. Und dann, als wir wieder ausklariert wurden, erneute Gesichtskontrolle - usw. Als die Grenzer das Schiff verlassen mussten, weil der Hafenlotse an Bord gekommen war, wir anschließend ablegten und in Richtung Hafenausfahrt dampften, und zum Schluss, als auch der Hafenlotse von Bord ging, erst in diesem Moment muss ein riesiger Stein bei unseren Jan Maaten von der Brust gefallen sein. Das war eine Reise!!! Unsere Leute waren fast wieder religiös geworden, glaubten an irgendwelche Heiligen oder sonst etwas Höheres auf dieser Welt. Echtes Ganovenglück hatten die Jungs gehabt!

      Unsere zweite Ballastreise führte nach Stettin. Dort hatte der Makler Johannes Thode für die ACHILLES eine Ladung Briketts nach Gävle gebucht. Das Wetter war für die Jahreszeit gut, und für die Reise um die Ecke hatten wir nur wenige Stunden benötigt. Bei Ankunft in Stettin spielten sich wieder die gleichen Einklarierungsrituale ab wie vorher in Rostock.

      Am Kai wurden bereits bei unserer Ankunft nach dem Festmachen die ersten Brikettwagons heranrangiert. Ein riesiger Kran wurde in die richtige Position manövriert. Der zweite Steuermann, Herr Richters, hatte den Tiefgang vorn und achtern abgelesen und die Daten dem Kapitän mitgeteilt. Unsere Crew einschließlich Moses musste die Persennings von den Luken aufrollen und achtern auf der Vermessungsluke verstauen, die Holzlukendeckel an Deck an den Lukensülls aufstapeln, die Scherstöcke herausnehmen und anschließend die beiden Ladebäume toppen und nach außenbords klappen. Es konnte losgehen.

      Briketts und Kohlen laden ist ein böser Schweinkram, es staubt wie Hund! Alle Fenster und Bullaugen, sowie Kombüsentüren und Maschinenskylights müssen verschlossen, die Windhuzen vorn und achtern und vor dem Schornstein mit Persenningbezügen abgedichtet werden, denn dieser Staub dringt unbarmherzig durch alle Tür- und Fensterritzen und -spalten.

      Der Kapitän hatte mit dem Verlademeister im Beisein des Maklers das Gewicht der Ladung ausgerechnet, woraufhin die Lademenge an Briketts geordert wurde.

      Die Arbeitsschicht lief an. Der Krach ging los. Anfangs musste ich in der Kombüse das Frühstück für den Kapitän, die Steuerleute und die Mannschaft anrichten, jeder machte es sich so bequem wie möglich bei diesem Chaos. Anschließend kurz Backschaft machen und das Mittagessen vorbereiten. Unsere Steuerleute und der Kapitän beobachteten die Ladearbeiten von der Brücke aus, denn an Deck konnte sich keiner für längere Zeit aufhalten, so sehr staubte es an Deck über den Luken durch die Greiferschüttungen. Das Beladen vollzog sich dabei sehr schnell. Nach einem vorgezogenen Mittagessen warteten wir, bis die polnischen Hafenarbeiter zu ihrer Mittagspause an Land gingen. In diesen Moment hieß es für uns: Rein in die Laderäume und die Briketts in die Seiten trimmen. Da der Kran während des Schüttens zwischen der vorderen und der achteren Ladeluke verholte, damit die Ladung gleichmäßig verteilt wurde, entstanden im Laufe der Zeit Schütthügel, die sich langsam der Lukenöffnung näherten. Wir, die Jan Maaten einschließlich des Moses, mussten durch die Einstiegsluken jetzt in die Laderäume einsteigen und jeweils mit Sonnenbrennern und Schaufeln ausgerüstet an der Backbord- und der Steuerbordseite der Schiffsaußenhaut entlang die verbliebenen Freiräume mit der nachrutschenden Schüttladung auffüllen. Der Trick dabei bestand darin, sich rückwärts zu den Einstiegsluken zurück zu arbeiten. Gut gedacht, es verlief ja auch alles anfangs gut. Doch als die Mittagszeit der Polen zu Ende war, ging die Schütterei wieder los. Ein Greifer nach dem anderen ließ seinen Inhalt in die Laderäume rauschen. Und die Briketts rutschten gemäß dem Gravitationsgesetz schnell wieder nach, so dass, jedenfalls ich im Bereich meines Trimmplatz zum Schluss kaum noch Bewegungsfreiheit hatte. Und so kam es, dass ich plötzlich von der nachrutschenden Schüttladung von der achteren Einstiegsluke abgeschnitten war. Ich geriet in echte Panik, schrie aus Leibeskräften und schlug mit der Schaufel gegen das Schott. Der 2. Steuermann hatte meine Signale wahrgenommen und den Kran gestoppt. In der Tat war ich der letzte Briketttrimmer, der aus der achteren Einstiegsluke heraus gekrochen kam. Alle wollten sich über den schwarzen Moses totlachen. Nur ich fand das überhaupt nicht zum Lachen, denn am Ende hatte ich schon gar nicht mehr damit gerechnet, noch lebendig aus dem Laderaum heraus zu kommen.

      Die beiden Laderäume waren bis oben hin voll geschüttet und glatt getrimmt. Mit Ach und Krach wurden die Scherstöcke mittels Greifer in ihre Positionen eingesetzt, anschließend wurden die Holzlukendeckel zwischen die Scherstöcke eingelegt und auf jeder Luke jeweils drei Perseninnge ausgerollt und an den Seiten durch hölzerne Lukenkeile verschalkt. Zum Schluss wurden lange Holzplanken auf die Perseninnge in Längsrichtung gelegt, damit beim Löschen der Decklast in Gävle dieselben nicht zerrissen würden. Wir arbeiteten im Akkord, denn jetzt sollte die Decklast geschüttet werden. Auf beiden Seiten wurden an Deck an der Verschanzung Stützpfosten gesetzt, die miteinander mit runnerstarken Drähten verbunden und vorn und achtern mit Spannschrauben und Drahtfröschen tight gespannt wurden. Zum Schluss wurde eine Art Maschendraht an diesem Gerüst vom vorderen bis zum achtern Stützpfosten befestigt. Eine Art Drahtnetz, damit die Deckladung nicht bei schlechtem Wetter über Bord gehen konnte.

      Als wir mit diesen Arbeiten fertig waren, wurden die Schüttarbeiten auf den Luken und in den Seitengängen an Deck fortgesetzt. Herr Richters kontrollierte jetzt in kürzeren Abständen den Tiefgang und als wir bis auf die Sommer-Freibord-Marke abgeladen waren, wurde der Ladebetrieb eingestellt. Wir hatten trotzdem noch eine ansehnliche Decklast Briketts mitbekommen.

      „Moses, seh tou, dat du dii duuscht, un dann ab in de Kombüs tum Eeten kookn, wii hevt Hunga! Un mog de Dörn von de Kombüs dicht, wii wüllt Deck woschn! Is dat kloar?!“ ordnete der 1. Steuermann Wilhelm Bohning an. Also ab nach vorn unter die Back ins Logis und unter die Dusche, frische Klamotten angezogen und zurück in die Kombüse, wo der 1. Steuermann schon wartete. Dort bekam ich meine Kochanweisung, doch auch dieses Mal bestand das „Eeten kookn“ nur aus Kaffeekochen, Brotscheiben absäbeln, mit Wurst- und Käseaufschnitt belegen und auf diverse Teller verteilen. Dazu gab es je Person zwei Spiegeleier. Es musste jetzt alles schnell über die Bühne gehen.

      Unsere Leute hatten in der Zwischenzeit vorn auf der Back die Kettenklüsen zum Kettenkasten mit Putzlappen und Gips verkleistert, den Deckwaschschlauch angeschlossen und in der Maschine die Feuerlöschpumpe in Betrieb genommen. Der ganze Dreck und Brikettstaub wurde vorn auf der Back aufs Hauptdeck runter gewaschen.

      Zwischenzeitlich wurde das Deckwaschen unterbrochen, da die Ausklarierungsbehörden und der Schiffsmakler an Bord gekommen waren. Wieder die gleiche Prozedur

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