Eine Idee macht noch keinen Roman - Wie entwickle ich eine Geschichte?. Dennis Blesinger
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Da ich persönlich in dieser Phase gerne mit Zetteln arbeite, weil ich auf dem PC irgendwann die Übersicht verliere, bin ich immer ganz gut mit der Karteikartenmethode gefahren.
Für jede Szene nimmt man eine Karteikarte und schreibt drauf, was passiert. Allein aufgrund des Platzes muss man sich jetzt schon mal konzentrieren. Haupt- und Nebenhandlungen kriegen vorzugsweise verschiedene Farben.
Diese Karten bzw. Szenen klebt man dann neben- und untereinander an eine Wand und kriegt so einen guten Überblick darüber, wie denn z.B. so die Mischung zwischen Haupt- und Nebenhandlung ist und und kann bei Bedarf die Reihenfolge relativ einfach ändern, überflüssiges raus nehmen oder neue Szenen dazu schreiben.
Wie auch immer man arbeitet: Während dieser Phase überlegt man sich, ob eine einzelne Szene, diese spezielle Nebenhandlung oder auch nur dieser eine Aspekt der Haupthandlung überhaupt wichtig für die Geschichte ist. Das ist bei Drehbüchern noch viel wichtiger als bei Büchern, aber allgemein gilt: Wenn man eine Szene raus nimmt und die Geschichte funktioniert immer noch genauso gut, dann sollte man sich fragen, warum die Szene / der Handlungsstrang überhaupt drin ist.
Das klappt bei der Karteikartenmethode besonders gut, wenn man irgendwann eine dieser Karten in der Hand hat, nicht genau weiß, wo man sie hin kleben soll und feststellt, dass das ganze Gebilde auch so funktioniert.
Ganz brutal gesagt: Was die Handlung nicht weiter bringt, fliegt raus. Ganz häufig sind Szenen in Büchern oder Filmen zu finden, von denen zumindest ich denke, dass sie völlig überflüssig sind. Wahrscheinlich hat der Autor es jedoch nicht übers Herz gebracht, diese tolle Idee einfach auf den Müll zu werfen.
Ein, wie ich finde finde, hervorragendes Beispiel hierfür – und ich liebe die Bücher – ist der fünfte Band von Harry Potter. Mal abgesehen davon, dass ich finde, dass das ganze Buch viel zu lang ist: Allein die Szenen zum Schluss, in denen Harry und Co. durch die verschiedenen Abteilungen für experimentelle Magie laufen sind zu viele, sie sind zu lang und wären überhaupt nicht notwendig gewesen, um zu zeigen, dass Harry und seine Freunde gerade mächtig in Gefahr schweben. Sie bringen die Geschichte in keiner Form weiter. Ich vermute einfach mal, dass in diesem Falle der Lektor / der Verlag bei Ms Rowling ein bis fünf Augen zugedrückt hat.
4) Idealerweise macht man das Ganze jetzt noch einmal und heraus kommt dann ungefähr der halbe Roman bzw. 30-50 DinA4 Seiten.
Jede Szene ist jetzt detailliert beschrieben worden, das Dokument strotzt nur so von Anmerkungen, die Dialoge, Szenenbeschreibungen oder auch schon mal ganze Textpassagen beinhalten.
Ob man Schritt 4) unbedingt machen muss, sei dahin gestellt. Es hilft aber ungemein, die eigenen Gedanken zu ordnen. Je öfter man diese Übung macht, desto seltener wird dieser vierte Schritt notwendig sein.
Sinn dieser ganzen Übung ist nicht, die Fertigstellung des Buches hinauszuzögern, sondern man macht das, um sicherzustellen, dass die Geschichte wirklich Hand und Fuß hat. Und zwar von vorne bis hinten. Das ist zugegebenerweise sehr zeitaufwendig, keine Frage. Es lohnt sich aber.
Nichts ist schlimmer, als beim Schreiben von Kapitel 14 von 27 zu merken, dass man zwischen Kapitel 9 und 10 eigentlich noch was einbauen müsste, weil einem da gerade eine super Idee gekommen ist.
Da sich diese unglaublich tolle Idee leider oftmals auf die komplette vorherige und zukünftige Handlung auswirkt, oder auch nur schlicht und ergreifend an der richtigen Stelle entsprechend erwähnt werden muss, damit die Geschichte keinen unnötigen Bruch erfährt, muss jetzt im schlimmsten Falle das halbe Buch noch einmal neu geschrieben werden.
Genauso blöd ist es, wenn einem, nachdem das Buch fast schon fertig ist, auffällt, dass eine andere Handlungsentwicklung doch viel besser gewesen wäre. Je nachdem, wo diese Änderung denn dann eintritt, muss man auch einiges davor und alles danach anpassen. Da verzettelt man sich im Endeffekt fast immer und es macht echt keinen Spaß. Schließlich will man ja weiter schreiben und nicht das gerade Geschriebene noch einmal komplett verändern müssen.
Der Grund dafür, dass diese super Idee bisher noch nicht aufgetaucht ist, liegt meistens daran, dass Schritt 3) nicht oder nur sehr halbherzig durchgeführt wurde. Deshalb noch einmal: Was in dem Exposé nicht drin ist, sollte auch in der endgültigen Geschichte nicht auftauchen, und sei es aus rein praktikablen Gründen. Erstens wird das Buch sonst irgendwann 3000 Seiten lang und zweitens wird es immer irgendwas geben, das einem gerade durch den Kopf geht. Man muss da irgendwann mal eine Grenze setzen.
Bei solchen Rückwärtsarbeiten verliert das Ganze darüber hinaus zwangsläufig an Konsistenz, Stringenz und der rote Faden zeigt erste bis mittelschwere Auflösungserscheinungen.
Wenn man sich schon die Arbeit gemacht hat, die Punkte 1-3 und vielleicht auch 4 durchzuführen, sollte man auch bei dem Ergebnis bleiben. Wenn man andere Ideen hat, kann man die gerne getrennt vom jetzigen Buch festhalten und in etwas Neues einfließen lassen.
Sollte man sich jetzt dazu entscheiden, dass diese neue Idee aber unbedingt noch in die gerade im Werden begriffene Geschichte einfließen soll, dann muss man im Prinzip die komplette Geschichte noch einmal neu entwickeln, je nachdem, was für Auswirkungen diese neue Idee hat. Das kann man machen, keine Frage. Ob es sonderlich intelligent und effektiv ist, ist eine andere. Auf diese Weise dauert beispielsweise die Fertigstellung des Romans nämlich nicht ein, sondern zwei bis drei Jahre.
Alternativ zu dieser Vorgehensweise kann man das Pferd auch von hinten aufzäumen. Diese Methode wird auch gerne als 'Wie ist es dazu gekommen?' - Methode bezeichnet. Diese Methode bedingt allerdings, dass man das Ende kennt, und zwar im Detail. Die Geschichte muss also noch viel klarer im eigenen Kopf herumspuken als bei der Synopsis - Exposé - Methode.
Wenn man das Ende kennt, fragt man sich, wie es dazu gekommen ist.
Ich nehme mal das allererste Buch der Narnia-Chroniken als Beispiel.
Am Ende zimmert der Professor aus dem Holz eines Apfelbaumes, der vom Blitz gefällt wurde, einen Schrank.
Frage: Warum hat der Professor die Überreste des Baumes mitgenommen und wie ist der Baum da überhaupt hingekommen?
Antwort: Der Baum ist aus dem Knust des magischen Apfels gewachsen, den der Professor als Kind aus Narnia mitgebracht und seiner kranken Mutter gegeben hat, um sie zu heilen. Nachdem die Mutter ihn gegessen hatte, wurde sie gesund und der Junge hat den Knust eingepflanzt und einen Apfelbaum daraus gezogen.
F: Was hat dazu geführt, dass der Junge den Apfel aus Narnia mitgebracht hat?
A: Aslan hat dem Jungen den Apfel geschenkt, damit er diesen seiner Mutter geben kann.
F: Wie kam es dazu, dass Aslan dem Jungen den Apfel geschenkt hat?
A: Aslan hat eine magische Frucht eingepflanzt, aus der ein Apfelbaum gewachsen ist. Einer der Äpfel fiel herab und Aslan hat diesen Apfel dem Jungen geschenkt.
F: Woher hatte Aslan die magische Frucht?
A: Der Junge hat mit seiner Freundin und dem Pegasus die Frucht aus dem verbotenen Garten für Aslan geholt.
F: Wie kam es dazu,