Gefängnistagebuch 1944. Ханс Фаллада
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Dies waren unsere Wirtsleute und dies ihre näheren Lebensumstände, wie sie unschwer von ihnen selbst zu erfahren waren. Im Ganzen kamen wir sehr gut mit ihnen aus, wir waren ja schließlich auch keine kleinlichen Mieter, und wenn irgendetwas zu reparieren war, ließ ich’s auf meine Kosten machen, wenn es auch Sache des Wirtes gewesen wäre. Sponars hatten nun einmal nichts. Dem alten Mann gab ich auch ein kleines Monatsgeld, für das er in meinem Anteil des Gartens ein wenig nach seinen alten Kräften herumpusselte. Um die enthronte Fürstin aber gingen wir mit größerer Vorsicht herum, so herablassend und freundlich sie sich auch gab, wir trauten ihr nie ganz. In ihren großen Augen war oft ein Leuchten wie von Qual; manchmal dachte ich, sie haßte uns, weil wir besaßen, was sie verloren hatte: Besitz, Sorglosigkeit, Glück. Die Tage gingen dahin und wurden zu Wochen und Monaten, und wir fühlten uns immer wohler in der Villa an der Spree. Unser Junge jubelte jedem Schleppdampfer zu, der fast unter unseren Fenstern lange Reihen von Zillen, dicken, schwarzen Dampf ausstoßend, Berlin zuschleppte. Wir machten weite Spaziergänge in den Wäldern und manchmal vergaßen wir für Stunden ganz dieses Berlin, in dem unterdes die Nationalsozialisten ihre Herrschaft immer mehr befestigten, Parteien auflösten und ihr Eigentum beschlagnahmten. Ich erinnere mich noch, wie ich meiner Frau voller Empörung sagte, als das Liebknechthaus beschlagnahmt und mit Trara und Pomp in ein Horst Wessel Haus verwandelt wurde (als hätten die einen ungeheuren Sieg errungen): »Die Schamlosigkeit, mit der sie sowas tun! Es ist doch nichts wie Diebstahl! Aber gerade durch diese selbstverständliche Schamlosigkeit machen sie es den Leuten eher genießbar!«
Kamen wir aber einmal nach Berlin und sahen die Gliederungen der Braunhemden oder Sturmführung mit ihren Standarten durch die Straßen marschieren, wobei sie wilde Lieder sangen, von denen mir noch die Zeile erinnerlich ist: »… muß das Judenblut vom Messer fließen!« so fingen meine Frau und ich zu laufen an, um an der nächsten Ecke abzubiegen. Denn es war die Verordnung herausgekommen, daß bei solchen Umzügen alle Straßenpassanten mit erhobener Hand die Standarten zu grüßen hatten. Wir waren bei weitem nicht die Einzigen, die einem solchen erzwungenen Gruß entliefen. Damals ahnten wir noch nicht, daß unser jetzt vierjähriger Sohn eines Tages auch ein Braunhemd tragen würde, und das in meinem eigenen Hause, daß ich eines Tages auch eine Nazi-Fahne würde anschaffen und an »Festtagen« würde hissen müssen – hätten wir eine Ahnung von dem Leidensweg gehabt, der vor uns lag, wir hätten uns vielleicht doch noch anders besonnen und hätten unsere Koffer gepackt. Wenn wir dann wieder nach Bergfeld zurückkamen, beglückwünschten wir uns zu unserem dörflichen Frieden. Wir sahen uns an und sagten: »Gottlob! Die Bauern hier auf dem Lande kümmern sich nicht um die Nationalsozialisten! Die bestellen ihren Acker und sind froh, wenn sie zufrieden gelassen werden!« Wir ahnungslose Toren, wir! Bald sollten uns die Augen über den Nationalsozialismus auf dem Lande aufgehen!
Mittlerweile gefiel uns aber unsere Villa so gut, daß wir beschlossen, alles weitere Suchen aufzugeben und dort zu bleiben, wo wir waren, aber aus Mietern Eigentümer zu werden. Das war ohne die Einwilligung der Sponars nicht möglich. Wir gingen zu ihnen und machten ihnen folgenden Vorschlag: Ich wollte von den einzelnen Hypotheken-Gläubigern die Hypotheken aufkaufen, und er sollte seine Zustimmung zur Zwangsversteigerung geben. Bei diesem Termin würde ich dann das Haus zum Hypothekenwert erwerben, ein Überbieten war bei der Höhe der Belastung ausgeschlossen. Er aber sollte als meine Gegenleistung für seine Einwilligung in die Versteigerung ein lebenslängliches Wohnrecht in der freilich um die Hälfte verkleinerten Wohnung des Erdgeschosses erhalten, für sich und seine Frau und ebenso für sie alle beide eine monatliche Rente von mir, die doppelt so hoch war wie die Wohlfahrtsrente. Dafür sollte er, so weit es seine Kräfte zuließen, im Garten mithelfen.
Es war ein Vorschlag, wie er den Sponars günstiger nicht gemacht werden konnte. Denn eines Tages würde der Vollstreckungsschutz ja doch wieder fallen, dann kam das Haus unter den Hammer und er verlor Wohnrecht und Garten ohne jede Entschädigung. Umso erstaunter war ich, als die Leute zögerten, auf meinen Vorschlag einzugehen. Ich drängte in sie, und schließlich kam er mit der Sprache heraus. Er meinte, durch die Einwilligung in die Zwangsversteigerung gebe er sich doch ganz in meine Hand. Sei das Haus einmal versteigert, seien Sponars wirklich rechtlos, und ich könne mit ihnen machen, was ich wollte. Versprochen sei leicht etwas, er wolle mich nicht kränken, aber Halten sei bei diesen unsicheren Zeiten noch unsicherer … Ich sagte ihm lachend, diese Bedenken seien auf die leichteste Weise zu beheben: wir brauchten nur gemeinsam zu einem Notar zu gehen und die gegenseitigen Verpflichtungen dort festzulegen. Er versprach, es sich zu bedenken, einen Tag oder zwei. Ich verstand ihn nicht, ich fand, er hätte mir dankbar sein müssen. Was ich ihm bot, war ein reines Geschenk. Aber die Menschen sind nun einmal wunderlich, und alte Leute zumal. Er kam aber auch – guter Rat kommt über Nacht – schon am nächsten Morgen zu mir und gab seine Einwilligung. Ich schlug ihm vor, gleich mit mir zum Notar zu fahren und alles, wie er gewünscht, festzumachen. Aber plötzlich hatte er es nicht mehr so eilig. Er habe es etwas auf der Brust, meinte er. Es sei ja auch nicht so eilig, er wisse, ich sei ein Ehrenmann: Ende dieser oder zu Beginn nächster Woche würde alles gemacht werden. Ich war es zufrieden. Die Aussicht, Hausbesitzer zu werden, nachdem ich vor noch so kurzer Zeit gar nichts besessen, berauschte mich. Ich glaubte, alles bestens abgemacht und fuhr nach Berlin, um bei einer Großbank die Haupt-Hypothek einzuhandeln. Man gab sie mir willig genug, man war froh, dieses