Ein Teppich aus Andacht. Gabriele Prattki

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Ein Teppich aus Andacht - Gabriele Prattki

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Dynastien, die im Laufe der Zeit in Marokko geherrscht haben.“ Durch ein großes Tor in der Lehmmauer, die den Friedhof umschließt, gehen wir zu einem kleinen, viereckigen Bau mit runder Kuppel. Es ist die Grabstätte eines Sultans. Man nennt solche Gedenkstätten wie die heiligen Männer „Marabout“. Einst weiß gekalkt, ist das Grab heute stark verwittert. In bunter Vielfalt blühen Pflanzen. Störche leben hier, fliegen umher, klappern auf ihren Horsten. Mindestens dreißig sehen wir auf verschiedenen Türmchen, auf Ruinen und im Flug. Auch Kuhreiher bauen auf Mauervorsprüngen und Bäumen ihre Nester. Traurige Katzen schleppen sich herum; furchtbar mager sind sie. Mohamed sagt, es seien wilde Katzen, um die sich niemand kümmere. „In Marokko hält sich kaum jemand Katzen.“

      MÜNSTER Nachgedanken:

      Wie viele Menschen fielen über die Jahrtausende in andere Länder ein, eroberten sie, töteten dort, herrschten. Und doch verbündeten sich Eroberer und Besiegte, heirateten, vermehrten sich. In jedem Menschen verborgen ruht die Geschichte seiner Vorfahren aus Tausenden von Jahren. So ist jeder von uns eine bunte Mischung Mensch aus „Zutaten“ wie:

      Deutscher Kaiser und indische Bettlerin,

      Empire-Soldat und spanische Bäckerin,

      Gladiator aus Rom und Flüchtlingsfrau aus Chile,

      Zulu-Mörder und französischer Kriegsgefangener,

      japanischer Kaufmann und Überfallsopfer aus Thailand,

      polnische Christin und amerikanische Jüdin,

      iranischer Moslem und Hindu aus Nepal,

      kongolesischer Sektenführer und türkische Weltreisende …

      RABAT

      14.00 Uhr: Zum Mittagessen sind wir in einem Touristen-Restaurant angemeldet, wo viele aus der Gruppe marokkanische Fleischspezialitäten bestellen. Mohamed wünscht uns „Guten Appetit“ und auf Arabisch „Bismillah.“ Danach fahren wir am größten Korkeichenwald Nordafrikas entlang, der sich über 133 km² erstreckt. Die Korkeichen sind am unteren Stamm teilweise schwarz. Dort wurde der Kork abgezogen. Es dauert einige Jahre, bis er nachwächst. Viele Familien haben sich für ihr Sonntagspicknick eingefunden. Autos stehen daneben. Überall liegt Müll. Mohamed erwähnt, dass die Moslems in Marokko nach der französischen Kolonialzeit den Sonntag als Ruhetag beibehalten haben, während der Freitag in anderen islamischen Staaten Feiertag ist.

      Auf der Fahrt: weite Ebene, hier und dort ein kleiner Hof in der Nähe der Straße, kastenförmige, ebenerdige Gebäude. Mal sind Kühe, mal Schafe oder ein paar kleine Pferde dabei. Dann folgt hügelige Landschaft mit Klatschmohnfeldern und Frühlingsblumen in Lila und Gelb, dazwischen frisches Grün.

      MEKNÈS

      Ankunft im Hotel. Zimmerschlüssel annehmen, Koffer abstellen, erfrischen.

      17.00 Uhr: In leichtem Nieselregen schlendern wir zur Medina* von Meknès und dort durch überdachte Gassen, in denen dichtes Gedränge herrscht. Oliven, Zitrusfrüchte und Süßwaren, um nur einiges aus dem unübersehbaren Warenangebot zu nennen, sind sehr dekorativ und üppig aufgehäuft, duftende Gewürze wie spitze Hüte aufgetürmt. Unglaublich die Mengen langer Schals und Taschen in Pink, Türkis, Lila und allen denkbaren Farben. Keine Angst vor Bunt! Schuhputzer fallen mir in den Souks* auf und ein rot-bunt gekleideter Wasserträger mit einem großen, roten Hut. Wegen ihrer farbenfrohen, traditionellen Erscheinung lassen sich Wasserträger gern von Fremden gegen Geld fotografieren. Aber Wasser tragen und verkaufen sie heute nicht mehr.

      Als wir in den Nieselregen heraus kommen, hören wir viele Stimmen in einem Sprechchor und sehen eine Menschenansammlung mit wenigen Plakaten. „Eine Demonstration“, erklärt Mohamed und horcht auf die Slogans. „Über Unruhen wurde in Deutschland in Zeitungen und im Fernsehen berichtet“, sagt ein weißhaariger Herr. „Haben die Marokkaner mit der Regierung oder dem König Probleme? Wie in anderen Ländern Nordafrikas?“ - „Nein. In Rabat und anderen großen Städten wird oft demonstriert. Es gibt viele arbeitslose junge Akademiker, die nach dem Studium keine Stelle finden, ja? Das macht sie unzufrieden. Deshalb gehen sie auf die Straße. Wir dürfen demonstrieren. Aber das hat nichts mit unserem König zu tun. Wir lieben ihn. Er hat viel Gutes getan.“

      Am Mausoleum des Moulay Ismail, einem der wichtigsten Gebäude der Stadt Meknès, ziehen wir im Vorraum der Grabmoschee die Schuhe aus. Neben unzähligen weiteren Schuhpaaren stellen wir sie ab. Fremd, ungewohnt. Ich befürchte, meine Sandalen in dem Chaos nicht wieder zu finden, vermute Gespenster mit Vorliebe für ausgelatschte Schuhe, die meine verschwinden lassen könnten...

      Reich geschmückt und atemberaubend schön ist das Innere des Mausoleums, das wir mit vielen Besuchern aus aller Welt bestaunen. Moulay Ismails Nachfolger bauten und restaurierten die Stätte zum Gedenken an den mächtigsten Alaouitenherrscher*. Außerhalb des Gedränges erfahren wir von Mohamed weiteres zu Moulay Ismail: „Meknès war seine Stadt, die er im 17. Jahrhundert zur Hauptstadt ernannte. Er war der grausamste Herrscher der marokkanischen Geschichte und baute Meknès mit Tausenden von Sklaven zu seinem Traum von Macht aus: Paläste, Gärten, Moscheen, eine noch heute bestehende 40 Kilometer lange Stadtmauer, Verliese, in denen gefoltert wurde. Sein großes Heer bestand aus schwarzen Sklaven, die zwangsweise rekrutiert wurden. Wegen seiner Prunksucht wird er oft mit dem französischen Sonnenkönig verglichen. Über sein Privatleben gibt es viele Geschichten. Ausschweifend soll er gelebt haben, angeblich hatte er 800 Söhne - Mädchen wurden nicht mitgezählt - und einen Harem von 500 Frauen.“

      Und diesem furchterregenden Tyrannen bauten seine Nachfolger eine solche Grabstätte! Damit man die Gräueltaten nie vergisst? Oder weil sie sich in der Pracht all dessen sonnten, das in seiner Zeit erbaut wurde?

      19.30 Uhr: Ich stoße das leicht klemmende Holzfenster meines Zimmers auf und habe einen schönen Blick auf einen winzigen Teil von Meknès und in den Palmengarten des Hotels, der im Regendunst liegt. Leise tröpfelt es auf Blüten und Blätter. Dabei geht mir durch den Kopf :

       Ruhm

       Zu allen Zeiten

       erschufen Menschen

       himmlische Wunderwerke

       zum Ruhme Gottes

       mit dem Herzblut der Meister

       und dem Leben

       unzähliger Arbeiter und Sklaven.

       Meist gab es

       einen Herrscher oder Papst

      der sich mit Macht

       vom Ruhme Gottes

      etwas abzweigte

       vor der Ewigkeit.

      Im Dumont finde ich Informationen zur islamischen Kunst: Es gilt ein Bilderverbot. Der Mensch soll nicht so tun, als ob er der Schöpfer wäre, indem er Bildnisse von Menschen herstellt. Aufgrund dieses Glaubens hat sich eine besondere Formensprache entfaltet, deren wichtigste Elemente das Ornament, die Arabeske und die Kalligraphie sind. Fliesenmuster, stilisierte

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