Das Klingeln des Telefons am Abend. Erhard Schümmelfeder

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Das Klingeln des Telefons am Abend - Erhard Schümmelfeder

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bestätigte Leader. „Geld. Du sagst es. Wenn wir Pech haben, wird das Kolpinghaus im nächsten Frühjahr abgerissen, damit Beverungen eine neue Stadthalle bekommt. Wenn wir Glück haben, kann sich der Baubeginn noch zwei Jahre hinauszögern. In dieser Zeit scheffeln wir Bares.“

      „Wie bisher“, sagte Martin. Auch künftig würde Leader in der Band seine Rolle spielen. Er managte die Gruppe, kümmerte sich um die Auftrittstermine, vereinbarte Preise, bestellte Getränke beim Händler und rechnete später mit den Jungs ab; der Rest des Geldes ging zu gleichen Teilen an die Bandmitglieder. Aber Leader mauschelte. In diesem Punkt war Martin sich sicher. Wegen ein paar lumpiger Scheine, die Leader sich in seine Tasche mogelte, wollte er keinen Stunk mehr machen. Es lohnte sich nicht.

      „Geschäftsmäßig heißt das Motto“, fuhr Leader fort. „In zwei Wochen fängt die Schulzeit wieder an. Wir hatten neulich die Klassensprecher von vierzehn Schulen eingeladen. Fast jede Klasse zwischen Detmold, Göttingen und Kassel hat irgendwann Interesse an einer Klassenfete in unserem Kolpinghaus.“

      „Klingt vielversprechend.“

      „Das meine ich auch“, bestätigte Leader. „Wir nehmen das übliche Eintrittsgeld bei jeder Party und machen Gewinn beim Bier, das wir für den doppelten Eintrittspreis an die braven Kids verkaufen. Bei Cola und Limo machen wir es genauso. Andreas´ alten Küchenschrank schleppen wir zum Eingang.“

      „Wozu soll das gut sein.“

      „Wir besorgen Bonbons, Popkorn, Weingummi, Kaustreifen, Chips, Lutscher und son süßsaures Zeug und verhökern es an die Kundschaft. Je größer unser Angebot ist, desto höher der Gewinn.“

      Isabell, dachte Martin nur. Was Leader äußerte, berührte ihn im Grunde nicht. Geld, Gewinn, Geschäftsmäßigkeit. War das ein Thema, wenn man eigene Musik machen wollte? I-sa-bell. Mit wem konnte er hierüber reden? Wohl kaum mit den Jungs. Einer wie Pitt, der seine Abneigung gegen ihn nicht einmal zu verbergen suchte, konnte wahrscheinlich nicht mal bis 3 zählen.

      „An den Tagen ohne Auftritte machen wir Geld aus der Wiese neben dem Haus. Hab schon ein Schild gemalt: Bewachter Parkplatz. Ein Fünfmarkschein für jedes Stündchen müsste drin liegen.“

      „Gute Idee“, sagte Martin und trank von der kalten Cola.

      „Vorrangiges Ziel ist es, den Leuten so viel Geld wie möglich aus der Tasche zu ziehen.“

      „Du entwickelst dich mehr und mehr zu einem harten Geschäftsmann“, meinte Martin.

      „Knallhart“, ergänzte Andreas, der immer Leaders Meinung war.

      „Es gibt noch mehr Möglichkeiten, aus dem Laden hier Geld zu machen“, führte Leader das Gespräch fort.

      „Erzähl.“

      „Hannes soll mit seiner Sofortbildkamera die Partygäste fotografieren. Die Bilder werden im Flurschaukasten ausgestellt. Es gibt immer Leute, die wild darauf sind, auf Fotos verewigt zu werden. Unvergessliche Momente. Die Bilder lassen wir uns mit drei Mark pro Stück bezahlen. Der Preis klingt hoch, aber die Idee wird sich durchsetzen.“

      „Versuchen können wir es“, meinte Martin abwesend. Im Stillen dachte er nur: I-sa-bell.

      G

      „Feigheit vor dem Freund würde ich so etwas nennen“, mit diesen Worten begrüßte ihn seine Mutter am Abend vor dem Fernseher.

      „Das siehst du völlig falsch, Mama“, verteidigte Martin sich und ließ sich in den Sessel fallen. „Es geht nicht um Feigheit, sondern um - um - Taktgefühl oder was weiß ich.“ Er sah, wie seine Mutter mit hochgezogenen Augenbrauen die Fernbedienung von der gläsernen Tischplatte nahm und die Lautstärke bis zum Nullpunkt verringerte. „Nigel ist nicht mein Freund.“

      „Er ist aber der Meinung, du seiest sein bester Freund.“

      „O Gott“, stöhnte Martin auf und legte beide Hände hinter dem Kopf zusammen. Er war nicht in der Stimmung, Vorwürfe seiner Mutter mit Rechtfertigungen zu begegnen. Trotzdem versuchte er, seinen Standpunkt zu erklären. „Er drängt sich mir auf. Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.“

      „Woher kennst du ihn überhaupt?“ Eine Spur von möglichem Verständnis klang in ihrer Frage mit.

      „Vor zwei Jahren war er auch im Büsumer Ferienlager. Ich durfte ihn betreuen. Er hing die ganze Zeit wie eine Klette an mir. Ich habe ihn erst vor ein paar Wochen zufällig wiedergetroffen, als ich mir in Höxter neue Saiten im Musikladen kaufte. Ich glaube fast, er sieht einen großen Bruder in mir oder so. Er träumt noch immer von nächtlichen Wanderungen im Schlangenwald, von Gespenstern und feinen Kameraden, die in Wahrheit gar nicht so fein waren. Von den Ferien-Abenteuern schwärmt er wie ein Zehnjähriger. Dabei ist er mindestens vierzehn. Du kannst dir nicht vorstellen, wie er mich damals nervte mit seinem Geschwätz.“

      „Was für Geschwätz?“

      „Er redete Tag und Nach von den Quiz-Sendungen, die er im Fernsehen angeschaut hatte. Oder er berichtete haarklein, was für ein Buch er gerade gelesen hatte. Es ist nicht auszuhalten.“

      Seine Mutter verschränkte ihre Arme vor der Brust und betrachtete ihn mit kritischen Augen. Sie überlegte kurz und bemerkte: „Für viele einsame Menschen ist die einzige Lebenserfahrung die sogenannte Leseerfahrung. Ich dachte, das wäre dir bekannt.“

      „Ich bin müde“, meinte er mit einem Anflug von Trotz.

      „Dann geh ins Bett“, schlug sie vor. „Aber morgen früh um neun solltest du auf den Beinen sein.“

      „Warum um neun?“

      „Weil du Besuch von einem jungen Mann aus der Nachbarschaft erhältst.“

      „Heißt er zufällig Nigel Klein?“

      „Du hast es erraten.“

      Er schüttelte den Kopf. „Mein Gott, warum lässt du diesen Kelch nicht an mir vorübergehen?“

      „Den lieben Gott solltest du aus diesem Fall besser herauslassen.“

      „Gute Nacht“, sagte er matt, erhob sich aus dem Sessel und ging zur Tür. Bevor er die Treppe erreichte, fragte er noch „Hat jemand für mich angerufen?“

      „Ja“, gab sie zur Antwort. „Nigel.“

      „Wundert mich nicht im geringsten.“

      „Dann hattest du noch einen Anruf von Isabell.“

      Er war sofort hellwach. „Isabell? Wann hat sie angerufen?“

      „Um zwei.“

      „Was wollte sie?“

      „Mit dir sprechen, nehme ich an.“

      „Was hast du ihr gesagt?“

      „Dass du wahrscheinlich im Kolpinghaus bist. War das eine falsche Mutmaßung?“

      „Nein. Es war richtig. - Hat Isabell noch

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