Der blaurote Methusalem. Karl May

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Der blaurote Methusalem - Karl May

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Dicke ist ein Hong-tse, ein Kaufmann, welcher hier ein Geschäft gründen will und also viel Geld bei sich haben muß. Der chinesisch Gekleidete aber muß ein Ho-tschang sein wie du. Er ist halb verrückt und gibt sich für einen Fu-tsiang aus, was ihm sehr übel bekommen kann.«

      »Und was wollen diese Deutschen in China?«

      »Sie suchen den Oheim des jüngsten von ihnen, welcher sehr, sehr reich sein muß. Auch suchen sie eine Frau und deren Kinder.«

      »Das hast du gehört?«

      »Ja, sehr deutlich.«

      »Haben sie denn englisch gesprochen?«

      »Nein, sondern deutsch, ihre Muttersprache.«

      »Und die verstehst du?«

      »Ja. Du weißt doch, daß ich geborener Yankee bin und meinem Kapitän davonlief, weil ich einem Matrosen das Messer in den Leib gestoßen hatte und dafür in Eisen gelegt werden sollte. Ich bin da auf die ›Königin des Wassers‹ gekommen, wo mich keiner findet und es mir noch viel besser gefallen wird, wenn ich erst Chinesisch besser verstehe. Ich bin mit deutschen Matrosen gefahren und habe von ihrer Sprache, welche der englischen ähnlich ist, so viel gelernt, daß ich diese fünf Passagiere ziemlich gut verstehe.«

      »Das ist vortrefflich! Horche nur weiter; aber laß dir nichts merken! Ich werde dich extra belohnen. Das Geld haben sie bei sich?«

      »Natürlich! Aber diese Leute tragen ihr Vermögen nicht in Metall, sondern in Wechseln und andern Papieren bei sich.«

      »Davon verstehe ich nichts. Ich werde also ihnen die Münzen abnehmen und die Papiere an den Hui-tschu[28] in Ngo-feu verkaufen.«

      »Du willst also nicht nach Kuang-tschéu-fu?«

      »Fällt mir gar nicht ein! Während die Kerls schlafen, gehen wir in See.«

      »Wir haben aber Flut; da wird es schwer gehen.«

      »Wir warten, bis die Ebbe eintritt.«

      »Die Leute werden es merken.«

      »O nein, denn sie bekommen Opium in das Getränk und der Landwind wird uns ganz geräuschlos in die See treiben, wo wir sie in das Wasser werfen. Meine Papiere sind in Ordnung; ich kann also fort, wenn es mir beliebt.«

      »Ertränken willst du sie?«

      »Gewiß! Hast du Mitleid mit ihnen? Meinst du, daß ich sie leben lassen soll, damit sie dann verraten, daß meine ›Schui-heu‹ ein Tseu-lung-yen ist?«

      »Daran denke ich nicht. Aber jetzt dürfen sie noch nicht sterben, sondern erst später in Ngo-feu bei dem Hui-tschu.«

      »Warum?«

      »Weil wir ohne sie ihre Papiere nicht verkaufen oder sonst verwerten können. Ich kenne das.«

      »Du mußt es freilich besser wissen als ich. Müssen sie denn dabei sein?«

      »Ja, sie müssen ihre Einwilligung und Unterschrift geben.«

      »Das werden sie nicht thun.«

      »Sie werden es, wenn du ihnen sagst, daß sie sonst sterben müssen. Sie werden glauben, sich dadurch vom Tode loszukaufen.«

      »Und wenn sie es gethan haben, so töten wir sie dennoch! Das meinst du doch?«

      »Ja.«

      »Du bist ein kluger Mensch. Ich sehe ein, daß ich dich sehr gut gebrauchen kann. Du wirst es gut bei mir haben. Kehre jetzt zu ihnen zurück und suche noch mehr zu erfahren! Wir werden sie trotz ihrer Waffen leicht überwältigen, denn sie werden schlafen wie die Toten. Nur der Hund macht mir Sorge. Er ist ein gewaltiges, starkes Tier.«

      »Gib ihm vergiftetes Fleisch!«

      »Da hast du recht. Dein Rat ist gut, und ich werde ihn befolgen. Also gehe jetzt! Wir werden nun das Kong-pit vornehmen und sie dazu einladen. Das gibt uns Gelegenheit, ihnen Sam-chu mit Opium zu trinken zu geben.«

      »Da will ich dich noch auf eins aufmerksam machen. Vielleicht kommen sie auf den Gedanken, auch den Geist zu befragen. Nach dem, was ich dir von ihnen mitgeteilt habe, kann er seine Antworten sehr leicht einrichten, wenn er ein Geist der Klugheit ist.«

      Er ging und begab sich nach der Kajüte, wo er seine jetztweiligen Herren thätig fand, sich dieselbe möglichst behaglich einzurichten. Während er ihnen dabei behilflich war, bediente er sich wieder des gebrochenen Englisch und achtete auf jedes Wort, welches gesprochen wurde.

      Dann kam der Kapitän, um seine Passagegäste zum Kong-pit abzuholen.

      Degenfeld, welcher über diesen in China sehr gebräuchlichen Vorgang gelesen hatte, war vollständig überzeugt, daß demselben eine beabsichtigte Täuschung, also ein Schwindel zu Grunde liege, und er fühlte sich sehr wißbegierig, zu sehen, wie man denselben ausführen werde.

      In China pflegt man mit Hilfe feiner Pinsel zu schreiben. Der Name »das Herabkommen zum Pinsel« bezeichnet also einen Vorgang, bei welchem ein Geist herabsteigt, um mit Hilfe eines besonders zu diesem Zwecke konstruierten Pinsels die ihm vorgelegten Fragen schriftlich zu beantworten.

      Es ist ganz selbstverständlich, daß der Geist nicht in sichtbarer Gestalt erscheint, sondern es ist eine Person, stets von hervorragender Stellung, vorhanden, deren er sich bedient, um sich bemerkbar zu machen. Man hat es also, gerade wie in unsern spiritistischen Versammlungen, mit einem »Medium« zu thun. Dieser angebliche schriftliche Verkehr mit der Geisterwelt besteht in China schon seit Jahrhunderten, und es ist gewiß höchst interessant, zu erfahren, daß das Kong-pit auch zu jenen »Erfindungen« gehört, in oder mit denen die Chinesen uns vorangegangen sind.

      Es wird vorher von einem Aprikosenbaume unter gewissen Zeremonien ein dünner Zweig abgeschnitten. Dabei entschuldigt man sich bei dem Baume über die ihm widerfahrene Verletzung dadurch, daß man diejenigen Zeichen in seine Rinde schneidet, welche ihm sagen, daß der Zweig als »Geisterpinsel« gebraucht werden solle. Sodann verschafft man sich ein Stück Bambus, einen Zoll dick und ungefähr einen Fuß lang. Der Aprikosenzweig wird wie ein Pinsel zugeschnitten und rechtwinkelig genau in die Mitte des Bambusstückes gesteckt, so daß beide also folgende Gestalt besitzen:

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      Das Medium hat diese Vorrichtung mit nach oben gerichteten Händen an den beiden Enden des Bambus so anzufassen, daß der Aprikosenpinsel nach abwärts zeigt, also genau so, wie unsre zweifelhaften Wünschelrutenkünstler ihr Werkzeug anfassen müssen. Der Mann hält dann den Pinsel über einen Tisch, dessen Platte mit feinem, glattgewalztem Sande bestreut ist, und nun kann der Geist, indem er auf die Hände des Mediums einwirkt und den Pinsel über den Sand führt, die ihm vorgelegten Fragen beantworten.

      Bei der unnatürlichen Stellung der Hände kommen dieselben bald ins Zittern, dennoch wird es einem geübten Medium nicht schwer werden, lesbare Zeichen in dem Sande hervorzubringen. Ganz selbstverständlich fällt bei verfänglichen Fragen die Antwort stets so aus, daß sie verschiedene Deutungen zuläßt, deren eine wohl in Erfüllung gehen und das Richtige treffen wird.

      Da das Kong-pit als eine religiöse Handlung betrachtet wird, so darf es nur unter gewissen

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