Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling

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er sie offen am Licht,

      So macht ihm der Rat durch Boten

      das Wechseln der Höhle zur Pflicht.

      Und wenn ihr vor Mitternacht jaget,

      so weckt nicht den Wald mit Geschrei,

      Denn schnell flieht das Wild aus den Ähren,

      eure Brüder geh'n leer aus dabei.

      Für dich, für den Wurf, für die Wölfin

      tot' reichlich, doch niemals zur Lust,

      Und siebenmal: Tot' nicht den Menschen,

      der Satzung bleibe bewußt!

      Nicht ganz verschlinge die Beute,

      die stolz du dem Schwächern geraubt,

      Packrecht gilt auch für den Schwächsten,

      drum laß ihm die Haut und das Haupt.

      Die Beute des Packs gehört allen,

      sie teilen und fressen sofort,

      Dem Tode bist du verfallen,

      verschleppst du ein Stück nur vom Ort.

      Die Beute des Wolfs gehört ihm nur,

      er macht mit ihr, was ihm beliebt,

      Das Pack darf nur daran rühren,

      wenn er die Erlaubnis ihm gibt.

      Wurf recht ist das Recht des Jährlings,

      vom Pack heischt er es allein,

      »Maulvoll«, wenn der Jäger gefressen,

      und keiner darf knurren: nein.

      Das Lagerrecht eignet der Mutter,

      wer mit ihr vom gleichen Jahr,

      Bringt einen Schenkel der Beute

      den hungrigen Wölflingen dar.

      Das Höhenrecht eignet dem Vater –

      zu jagen, wie ihm gefällt,

      Dem Packe ist er nicht pflichtig,

      dem Rate nur unterstellt.

      Leitwolf ist der Älteste, Schlauste,

      der Stärkste an Zahn und Pfot'!

      Und läßt das Gesetz eine Lücke,

      so gilt sein Wort als Gebot.

      Das sind die Gesetze der Dschungel,

      und zahlreich sind sie und stark,

      Doch »Gehorch!« ist Kopf des Gesetzes,

      sein Buckel, Huf, Hüfte und Mark

      Denn wir liebten ihn mit der Liebe Macht,

      Da schlichen wir hin und berührten ihn leis',

      Als die Erd' zu wanken begann in der Nacht,

      Die nicht versteht, aber fühlt und weiß.

      Und als mit Brüllen der Berg zerbrach,

      Im Regensturz unsere Welt zerfiel,

      Wir Kleinen schützten ihn – doch ach!

      Nun lauscht er nie mehr unsrem Spiel.

      Mit scheuer Lieb', nach Wildlings Art,

      Hat unsre Schar ihn treu bewacht,

      Weh! Unser Bruder schläft, und hart

      Von hinnen seine Sipp' uns jagt.

      Klagelied des Langurs

      Einst lebte ein Mann in Indien, der war Erster Minister eines der halb unabhängigen Eingeborenenstaaten im nordwestlichen Teil des Landes. Ein Brahmane war er, von so hoher Kaste, daß Kaste aufhörte, eine besondere Bedeutung für ihn zu haben. Sein Vater war ein wichtiger Beamter gewesen in dem farbig heiteren und bequemen Trott eines altmodischen Hinduhofes. Aber als Purun Daß heranwuchs, erkannte er, daß die alten Zeiten im Schwinden waren, und daß man, um vorwärtszukommen, sich mit den Engländern freundlich stellen und alles nachahmen müßte, was sie für gut hielten. Gleichzeitig aber mußte ein eingeborener Beamter sich auch die Gunst seines eigenen Herrn zu erhalten suchen. Das war eine schwierige Aufgabe, aber der ruhige, wortkarge junge Brahmane, dem auch eine gute englische Erziehung an der Universität in Bombay dabei half, faßte die Sache mit kühlem Kopf an und stieg Stufe für Stufe höher auf, bis er zuletzt Erster Minister des Königreichs wurde. Das will heißen, daß er mehr wirkliche Macht besaß als sein Herr, der Maharadscha.

      Als der alte König – der den Engländern mit ihren Eisenbahnen und Telegraphen immer mißtraut hatte – starb, stand Purun Daß in hoher Gunst bei dem jungen Thronerben, der von einem Engländer erzogen worden war. Beide zusammen gründeten nun Schulen für Mädchen, legten Straßen an, eröffneten Staatsapotheken, landwirtschaftliche Ausstellungen und gaben ein jährliches Blaubuch heraus über den »moralischen und materiellen Fortschritt des Staates«. Das Auswärtige Amt in London und die Regierung in Indien waren natürlich entzückt darüber; aber Purun Daß trug stets Sorge, daß alle Ehre seinem Herrn und König zuteil wurde.

      Nur sehr wenige Eingeborenenstaaten nehmen den englischen Fortschritt ohne Vorbehalt an, weil sie nämlich nicht der Meinung sind, daß alles, was für Engländer gut ist, für Asien doppelt gut sein müßte; aber Purun Daß war dieser Meinung. So wurde der Erste Minister der geachtete Freund von Vizekönig und Gouverneuren, ärztlichen Missionaren und gewöhnlichen Missionaren und gut zu Pferde sitzenden englischen Offizieren, die kamen, um in den Schutzstaaten zu jagen, sowie auch der Freund ganzer Scharen von Reisenden, die Indien während der kalten Jahreszeit durchquerten und den Leuten zeigten, wie alles gemacht werden müßte. In seiner Mußezeit gründete er Stipendien für das medizinische Studium, Fabriken aller Art genau nach englischem Muster und schrieb Artikel für den »Pionier«, die größte indische Tageszeitung, in denen er die Ziele und Pläne seines Herrn erklärte.

      Zuletzt reiste er zu einem Besuch nach England und hatte bei seiner Rückkehr riesige Summen an die Priester zu zahlen. Denn selbst ein Brahmane von so hohem Rang wie Purun Daß verlor die Rechte seiner Kaste, sobald er das dunkle Meer kreuzte. In London traf er mit allen Persönlichkeiten zusammen, deren Bekanntschaft ihm von Bedeutung war – Männer mit Namen von Weltklang –, und sah ein gut Teil mehr, als er sagte. Ihm wurden Ehrengrade von Universitäten und gelehrten Gesellschaften verliehen; er hielt Reden, unterhielt sich mit Damen in ausgeschnittenen Kleidern über soziale Reformen der Hindu: bis ganz London rief: Das ist der interessanteste Mann, den wir bei einem Essen trafen, seitdem es überhaupt gedeckte Tische gibt!

      Als er nach Indien zurückkehrte, strahlte sein Ruhm im höchsten Glanz, denn der Vizekönig kam in eigener Person zu Besuch, um dem Maharadscha das Großkreuz des »Sterns von

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