Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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sie Blechkochtöpfe gesehen oder Schlitten mit hölzernen Kufen – aber Kotuko, der Knabe, und Kotuko, der Hund, hatten das Mädchen gern.

      Bald verschwanden alle Füchse südwärts, und selbst der Vielfraß, der knurrende, stumpfnasige kleine Dieb des Schneegebiets, gab sich nicht mehr die Mühe, die leeren Fallen abzusuchen, die Kotuko gestellt hatte. Der Stamm verlor einige seiner besten Jäger, die im Kampf mit dem Moschusochsen schwer verwundet wurden; und dadurch lastete auf den übrigen noch mehr Arbeit. Tag für Tag zog Kotuko aus mit leichtem Jagdschlitten und sechs bis sieben der stärksten Hunde und spähte und spähte, bis ihm die Augen übergingen, nach einem Fleckchen klaren Eises, wo vielleicht ein Seehund ein Luftloch gekratzt haben könnte. Kotuko, der Hund, schweifte umher durch die tote Stille der Arktis, und Kotuko, der Knabe, vernahm das vor Erregung halberstickte Gewinsel des Tieres beim Verbellen eines gefundenen Seehundloches – vernahm es so deutlich über drei Meilen hin, als wäre der Hund ihm zur Seite. Neben dem aufgespürten Loch richtete der Knabe eine kleine Schneewand auf, um den schärfsten Wind abzuhalten, und dann lauerte er, zehn, zwölf und oft zwanzig Stunden hintereinander, auf den Augenblick, da der Seehund zum Luftschöpfen hochsteigen würde, starrte unausgesetzt nach dem Zeichen hin, das er sich über dem Loch eingeritzt hatte, um den Tiefenstoß seiner Harpune sicher führen zu können. Unter den Füßen hatte er eine kleine Seehundsfellmatte ausgebreitet, und die Beine steckten zusammengebunden in dem Tutareang, dem Sack, von dem die alten Jäger gesprochen. Der soll verhindern, daß die Beine ausrutschen bei dem endlosen Warten und Warten auf den hellhörigen Seehund. Aufregung ist wohl mit der Sache nicht verbunden; aber man kann sich vorstellen, daß dieses regungslose Stillsitzen im Sack bei vielleicht vierzig Grad unter Null für den Innuit die härteste Arbeit ist, die er kennt. Gelang es, einen Seehund zu spießen, dann sprang Kotuko, der Hund, vor und half, den Körper nach dem Schlitten hinzuziehen, wo die hungrigen müden Hunde, hinter ragenden Blöcken grün schimmernden Eises vom Winde geschützt, trübselig beieinanderlagen.

      Aber so ein Seehund reicht nicht weit, da jeder Mund im kleinen Dorfe das Recht hatte, gefüllt zu werden; weder Knochen, Haut noch Sehnen wurden verschwendet. Das für die Hunde bestimmte Fleisch mußte für die Menschen bleiben. Amoraq fütterte die Meute mit Stücken alter Sommerfellzelte, die sie unter der Schlafbank hervorklaubte, die Tiere aber heulten, heulten im Schlaf und erwachten, um abermals hungrig zu heulen. An den Specksteinlampen in den Hütten konnte man erkennen, daß die Hungersnot herannahte. In guten Jahren, wenn Tran reichlich vorhanden war, brannte das Licht in den schiffsförmigen Lampen oft sechs Fuß hoch, fröhlich, ölig und gelb. Jetzt aber flackerte es kaum sechs Zoll hoch, und sorgsam drückte Amoraq den Moosdocht wieder hinunter, wenn etwa das Licht heller aufflammen wollte, wobei die Blicke der ganzen Familie besorgt ihrer Hand folgten. Schrecklich ist der Hungertod dort oben; aber das Schrecklichste für den Innuit ist es, im trostlosen arktischen Dunkel dahinscheiden zu müssen. Er fürchtet die Nacht, die jedes Jahr sechs Monate ununterbrochen auf ihm lastet; und wenn die Lampen in den Hütten niedrig zu brennen anfangen, dann werden die Gemüter der Menschen wirr und erschüttert. Aber noch Schlimmeres war im Anzug.

      Die unterernährten Hunde schnappten und heulten wilder und wilder im Schneegang der Hütten, glotzten nach den frostigen Sternen und schnüffelten nächtens in den schneidenden Wind. Verstummte ihr Klagegeheul, dann fiel das gewaltige Schweigen wieder herab, so wuchtig und schwer wie der Druck einer Schneewehe gegen das Haustor – dann hörten die Menschen das Brausen des eigenen Bluts in den dünnen Adern der Ohren und das Pochen ihrer Herzen so laut wie das Dröhnen von Zaubertrommeln über der Eisfläche.

      Schon seit Tagen war Kotuko, der Hund, ungewöhnlich schlecht im Geschirr gegangen. Eines Abends nun sprang er hoch und stieß mit dem Kopf gegen Kotukos Knie. Dieser streichelte ihn, aber der Hund stieß und drängte immer weiter, wie von einer Unruhe befallen. Davon erwachte Kadlu, packte den schweren, wohlfsähnlichen Kopf und starrte in die glasigen Augen. Der Hund winselte und schauderte zwischen Kadlus Knien. Das Nackenhaar sträubte sich, und er knurrte, als stände ein Fremder vor der Tür; dann wieder bellte er freudig auf, wälzte sich auf dem Boden und schnappte nach Kotukos Stiefeln, wie junge Hunde es machen.

      »Was ist mit ihm?« fragte Kotuko in aufsteigender Angst.

      »Die Krankheit ist es, die Hundekrankheit«, erwiderte Kadlu. Kotuko, der Hund, hob die Schnauze, heulte und heulte.

      »Das habe ich noch nie gesehen. Was wird mit ihm?« fragte Kotuko.

      Kadlu zuckte ein wenig mit der Schulter, ging quer durch die Hütte und suchte seine kurze Stoßharpune. Der große Hund blickte ihm aus irren Lichtern nach, heulte auf und schlich davon, in den Schneegang, wo sich die anderen Hunde rechts und links zur Seite drückten, um ihm Platz zu machen. Als er draußen im Schnee war, schlug er wütend an, als wäre er einem Moschusochsen auf der Spur, sprang in die Luft und verschwand in der Dunkelheit. Nicht Tollwut war seine Krankheit, sondern einfach Wahnsinn. Kälte, Hunger und vor allem die Nacht hatten ihm die Sinne verwirrt. Wenn aber die furchtbare Hundekrankheit in einem Gespann ausbricht, dann frißt sie wie Wildfeuer um sich. Am nächsten Jagdtage erkrankte wieder ein Hund, biß wütend um sich, zerrte in den Trossen und wurde von Kotuko auf der Stelle getötet. Der schwarze zweite Hund, einst der Führer des Gespanns, war der nächste; er begann wie rasend zu bellen, als wäre er auf einer Renfährte, und als man ihn schnell von dem Leitseil frei machte, rannte er davon, wie sein Vorgänger, mit dem Geschirr noch auf dem Rücken. Von da ab wollte keiner mehr mit den Hunden fahren; man brauchte sie auch zu etwas anderem – und die Hunde wußten es. Fest angepflockt lagen sie, wurden aus der Hand gefüttert, dennoch sprachen Verzweiflung und Angst aus ihren Augen. Um die Sache noch schlimmer zu machen, begannen die alten Weiber Geistergeschichten zu erzählen und sagten, daß ihnen die Geister der im letzten Herbst umgekommenen Jäger erschienen wären und alles erdenkliche Unheil prophezeit hätten.

      Kotuko grämte sich mehr um den Verlust seines Hundes als um die bittere Not. Obwohl ein Innuit ungeheuer stark ißt und essen muß, kann er doch auch Hunger ertragen. Aber Kälte, Nacht und Entbehrung zehrten an Kotukos Kräften, und er begann, in seinem Innern Stimmen zu hören und Erscheinungen zu haben. In einer Nacht, nachdem er zehn Stunden lang über einem »blinden« Seehundloch gesessen hatte, kam er schwach und schwindlig dem Dorfe zugewankt. Um auszuruhen, lehnte er sich gegen einen Eisblock, der zufällig nur locker auflag; der Block kam aus dem Gleichgewicht und überschlug sich polternd. Kotuko sprang zur Seite, um ihm zu entgehen, aber der Block kam zischend und raschelnd den Hang hinab hinter ihm her gerollt.

      Das war genug für Kotuko! Er war aufgewachsen in dem Glauben an Geister; in jedem Fels, in jedem Eisblock lebte ein Bewohner (Inua), den man sich gewöhnlich als eine Art einäugigen weiblichen Wesens, Tornaq genannt, vorstellte. Wollte eine Tornaq dem Menschen beistehen, so rollte sie, glaubte man, hinter einem her im Innern ihres Steinhauses und bot sich als Schutzgeist an. (Eisumschlossene Felsen beginnen im Sommer, wenn die Hülle taut, über das Land dahinzurollen und zu tanzen – daher der Glaube an lebendige Steine.) Wie an allen Tagen hörte auch jetzt Kotuko das Blut in den Ohren pulsen und rauschen; aber nun meinte er, daß es die Stimme der Tornaq im Stein war, die zu ihm redete. Als er sein Haus erreicht hatte, stand für ihn fest, daß der Steingeist geheimnisvoll zu ihm gesprochen hatte, die anderen glaubten ihm ebenfalls, und keiner widersprach ihm.

      »Die Tornaq raunte mir zu: ›Ich springe herab, ich springe herab von meinem Platz im Schnee‹«, rief Kotuko, der vorgebeugt, mit hohlen brennenden Augen in der schwach erhellten Hütte stand. »Sie sagte: ›Ich will dir Führer sein‹; sie sagte: ›Zu den großen Robbenlöchern führe ich dich, folge mir‹; und morgen ziehe ich aus, denn die Tomaq wird mich führen.«

      Der Angekok, der Dorfzauberer, trat nun herbei; und Kotuko erzählte zum zweitenmal die Geschichte. »Folge den Tornait, den Geistern der Steine«, sagte der Zauberer, »sie werden uns wieder Nahrung zuwenden.«

      Schon seit Tagen hatte das Mädchen aus dem Norden in der Nähe der Lampe gelegen, wenig gegessen und noch weniger gesprochen. Als aber am nächsten Morgen Amoraq und Kadlu einen kleinen Handschlitten hervorzogen, ihn mit Kotuks

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