Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling

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Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling

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zu beißen. Meine Schuld war es«, sprach Mogli, der redete, als ob er alles über alles wüßte. »Niemals wieder schleppe ich fremde Dinge in den Dschungel – und wären sie wie Blumen so schön. Dieser«, behutsam hob er den Ankus auf, »kehrt zu dem Ahn der Kobras zurück. Aber schlafen müssen wir erst und schlafen können wir nicht in der Nähe der Schläfer dort. Auch müssen wir ihn vergraben, er könnte sonst fortrennen und noch sechs weitere töten. Scharre ein Loch unter dem Baume.«

      »Aber, kleiner Bruder«, wandte Baghira ein, dem Baum zuschreitend, »ich sage dir, nicht der Blutsäufer hat schuld. An den Menschen liegt alles.«

      »Einerlei«, entgegnete Mogli. »Tief grabe das Loch. Wenn wir erwachen, hole ich ihn heraus und trage ihn zurück.« Zwei Nächte später, als die weiße Kobra im Dunkel der Gruft lag – geschändet, bestohlen, einsam –, wirbelte der von Edelsteinen funkelnde Ankus durch das Loch in der Mauer und fiel klirrend in das Meer güldener Münzen am Boden.

      »Urahn der Kobras!« rief Mogli – er blieb wohlweislich außerhalb der Mauer –. »Nimm dir aus deinem Volke einen Jungen und Starken zu Hilfe, um den Schatz des Königs zu hüten, auf daß nie wieder ein Mensch diesen Ort lebend verlasse.«

      »Ah, ah! Er kehrt also heim«, murmelte die alte Kobra und wand sich liebkosend um den Ankus. »Ich sagte doch, das Ding ist der Tod. Wie kommt es, daß du noch lebst?«

      »Bei dem Bullen, für den Baghira mich in das Rudel der Sioniwölfe einkaufte, ich weiß es nicht! Das Ding hat sechsmal getötet in einer Nacht. Bewahre es wohl in ewiger Finsternis.«

      Eh' Mor, der Pfau, aufflattert,

      eh' das Affenvolk erwacht,

      Eh' Tschil, der Geier,

      stößt zu Tal voll Gier –

      Durch die Dschungel fliegt ein Schatten,

      und ein Seufzen stöhnet sacht –

      Das ist Furcht, o kleiner Jäger –

      Furcht ist hier!

      Sachte, sachte, an dem Hang

      heimlich, lauernd schleicht's entlang,

      Und ein Flüstern regt sich ängstlich

      fern und nah –

      Und der Schweiß deckt dein Gesicht,

      denn vorüber strich's ganz dicht –

      Das ist Furcht, o kleiner Jäger –

      Furcht ist da!

      Eh' der Mond den Fels erklomm,

      eh' den Grat in Licht er taucht,

      Wann des Waldvolks Schwänze

      hangen schwer und feucht,

      Ha! ein Atem heiß dich haucht –

      schnobernd durch die Nacht es faucht –

      Das ist Furcht, o kleiner Jäger –

      Furcht da schleicht!

      Auf die Knie, den Strang gestrafft,

      von der Sehne schnell den Schaft –

      In das höhnend leere Dickicht

      wirf den Speer –

      Bebend sinket dir die Hand,

      aus der Wang' das Blut entschwand –

      Nah ist Furcht, o kleiner Jäger –

      Furcht schlich her!

      Wenn die Wolke saugt den Sturm,

      krachend sich ihm beugt der Wald,

      Wenn im Regensturz

      des Himmels Dach zerbricht,

      Durch des Donners Toben hallt,

      horch – ein Ton, der lauter schallt –

      Furcht, o kleiner Jäger,

      Furcht da spricht!

      Höher schwillt des Stromes Lauf,

      wilder tanzt der Kiesel Hauf',

      Zuckend Blitz auf Blitz

      das Blättermeer durchfurcht,

      Angst vertrocknet Kehl' und Lippen,

      und das Herz tost an die Rippen,

      Hämmert: Furcht – o kleiner Jäger –

      das ist Furcht!

      Das Volk vom östlichen Eise,

      es schmilzt wie der Schnee vom Dach,

      Sie betteln um Kaffee und Zucker,

      sie zieh'n dem weißen Mann nach.

      Das Volk vom westlichen Eise,

      es lernte schon fechten und stehlen,

      Er verkauft seine Felle den Händlern,

      dem weißen Mann seine Seelen.

      Das Volk von dem südlichen Eise

      mit den Walfischfängern es hält,

      Ihr Weibvolk schmückt sich mit Bändern,

      aber nackt und zerfetzt ist das Zelt.

      Doch das Volk vom ältesten Eise

      – der weiße Mann sah es nie –

      Von Narwalhorn sind ihre Speere,

      und die letzten Männer sind sie.

      »Sieh doch, er hat die Augen geöffnet!«

      »Zurück wieder ins Fell mit ihm. Ein starker Hund wird es einmal werden. Im vierten Monat werden wir ihm einen Namen geben.«

      »Welchen?« fragte Amoraq.

      Kadlu schaute in dem fellgefütterten Schneehaus umher, bis sein Blick auf den vierzehnjährigen Kotuko fiel, der auf der Schlafpritsche hockte und einen Knopf aus Walroßzahn schnitzte.

      »Nenne ihn nach mir«, sagte Kotuko grinsend; »ich werde ihn eines Tages brauchen können.«

      Auch Kadlu grinste, bis seine Augen beinahe im Fett der flachen Backen verschwanden, und nickte Amoraq zu. Die scharfe Hundemutter winselte beleidigt, weil sie ihr Junges nicht erreichen konnte, das hoch über dem warmen Hauch der Tranlampe in einem kleinen Sack aus Seehundfell baumelte. Kotuko nahm wieder seine Schnitzarbeit

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