Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 27
Als hätte man einen Knopf gedrückt, erstarrt er und sieht mich fragend an.
„Mir ist ganz schummerig“, flüstere ich verlegen.
Seine Hand drückt mein Kinn hoch, damit ich ihn ansehe und er grinst mich frech an. „Das ist gut.“ Seine Stimme hat wieder diese tiefe Nuance, die sie nur in bestimmten Situationen an sich hat und die mich schwach werden lässt, jetzt wo ich erkenne, wann.
Er lässt mich los.
Noch bevor ich das bedauern kann, hebt er mich auf seine Arme und küsst mich wieder. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Ablenkungsmanöver ist. Aber als er mich aus seinen Armen entlässt, gleite ich direkt auf mein Bett.
Kurz packt mich die Panik.
Marcel schiebt sich neben mich, nur in Windeseile die Schuhe abstreifend, die polternd zu Boden fallen. Sein Mund sucht meinen und ich lasse mich einfach fallen, während ich mich einen Moment lang an Tim und mich im Krankenhausbett erinnert sehe.
Meine Arme um Marcel schlingend, ziehe ich ihn ganz dicht an mich heran. Der Gedanke an Tim und mich ist wie ein Kick. Ich will Marcel jetzt und hier. Bei ihm fühlt es sich richtig an.
Unsere Lippen verschmelzen und unsere Zungen vereinigen sich in einem sinnlichen Spiel. Ich lasse meine Hand unter sein T-Shirt gleiten und spüre seine heiße Haut und seine Muskeln. Seine Hand läuft über meinem Bauch und ich fühle, wie sie mich sanft streichelt.
Tim ist vergessen.
Es ist Marcel, der mein T-Shirt wieder an seinen Platz zieht und sich aufsetzt. „Jetzt ist Schluss! Wir müssen auch ein bisschen an deinen Zustand denken.“ Er lächelt mich an und seine Stimme hat wieder diesen Unterton, den ich mittlerweile liebe.
Ich bin völlig verwirrt davon, dass er dem Ganzen ein Ende setzt und sich Gedanken um meinen Zustand macht. Ich hatte den völlig vergessen und Marcel zu stoppen war mir auch keine Sekunde in den Sinn gekommen.
Er zieht mich aus dem Bett und gibt mir einen schnellen Kuss. „Wir gehen jetzt an die frische Luft, um wieder etwas klarzuwerden.“
Ich muss lachen. „Zum Klarwerden oder zum Abkühlen?“
Aus meinem Schrank fische ich eine kurze Hose und tausche sie gegen meine lange, ohne Marcel anzusehen, der sich irgendwann abgewandt haben muss und aus dem Fenster sieht.
„Fertig!“, rufe ich und er dreht sich zu mir um.
„Gehen wir.“ Er nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Raum, die Treppe hinunter und aus der Eingangstür hinaus in den Sonnenschein. Es ist warm und strahlend blauer Himmel lässt alles klar und wunderschön aussehen.
Mir kommt in den Sinn, dass ich das alles fast nicht mehr hätte sehen können, wenn der Schnitt mit dem Messer nur ein wenig tiefer gegangen wäre.
Wir gehen über den Hof, an dem Speicher vorbei, in den Garten. Ohne zu zögern, ziehe ich Marcel über den Rasen zu der Stelle, an der Kurt Gräblers Labor war. Der Rasen weist Reifenspuren auf, die sich quer durch unseren Garten ziehen.
Mein Vater muss uns gesehen haben und folgt uns. „Sie haben gestern Erde in das Loch geschüttet. Es war wohl einsturzgefährdet. Nun ist alles vorbei.“ Er klingt erleichtert.
Ich sehe auf die dunkle Erde, die das Viereck ausfüllt, das vorher mal der Eingang mit der Pelikantür gewesen war. Vielleicht ist wirklich alles vorbei. Ich habe keine Albträume mehr. Ist die alchemistische Macht gebrochen?
Als wenn es mich für den Wunsch strafen will, fällt mir Tim ein. Er hat vielleicht mittlerweile auf meine SMS geantwortet.
„Ich gehe mal auf die Toilette. Ich bin gleich wieder da“, raune ich Marcel zu, von einer plötzlichen Unruhe ergriffen.
Er hält mich fest und gibt mir einen Kuss.
Vor meinem Vater habe ich damit immer noch ein kleines Problem und der Blick meines Vaters sagt mir, dass er auch eins damit hat.
Marcel hingegen lächelt mich nur an und zwinkert mir zu. Ihm scheint völlig bewusst zu sein, was er meinem Vater damit antut, jetzt, wo wir nicht mehr im Krankenhaus sind, sondern als wirkliches Paar das normale Leben meistern wollen.
Langsam schlendere ich durch den Sonnenschein zum Haus zurück. Zwei unserer Katzen liegen auf der Terrasse im Schatten der Engelstrompete, die etwas durstig aussieht. Am Abend wird mein Vater sie gießen müssen. Es ist sowieso verwunderlich, dass sie die Urlaubszeit meiner Eltern überlebte. Ich hatte sie nicht einmal gegossen. Aber es hat auch ein paar Mal geregnet, was wohl ihr Leben rettete.
Als ich außer Sichtweite bin, werden meine Schritte unweigerlich schneller und als ich in meinem Zimmer stehe und das Handy in meiner Hand spüre, werde ich richtig nervös.
Aber es ist doch nur eine SMS, die mich erwartet. Mehr nicht.
Ich schalte das Handy an und gebe den Pin ein. Dann warte ich. Aber es tut sich nichts.
Ich lege es nachdenklich zur Seite. Vielleicht dauert es nur etwas länger bis eine Datenübertragung stattfindet, beruhige ich mich. Vielleicht sollte ich erst ins Badezimmer gehen und danach noch mal schauen.
Meine Füße tragen mich ins Badezimmer, aber in meinem Kopf rotieren die Gedanken. Aus dem Spiegel sieht mich eine Gestalt an, die mich erschreckt. Meine Haare hängen kraftlos an meinem Kopf herunter und der Verband wirkt wie eine graue Halskrause. Meine Stimmung sinkt ins Bodenlose.
Nach einem Handtuch greifend, muss ich dem Abhilfe schaffen.
Ich wickele es über den Verband und stelle mich ans Waschbecken, mit dem Kopf unter den Wasserhahn gebeugt. Vorsichtig lasse ich Wasser über meine Haare rieseln und wasche sie eilig mit Schampon, um es wieder abzuspülen, bevor jemand mich bei der Aktion überraschen kann. Der Verband wird trotzdem nass. Aber ich fühle mich schon besser.
Schnell kämme ich mich und föhne grob die Haare durch. Den Rest wird die Sonne erledigen müssen. Aber ich schwöre mir, dass am Abend eine Dusche fällig ist.
Nun kehre ich in mein Zimmer zurück. Aber ich habe Angst. Wenn ich von Tim immer noch keine SMS bekommen habe, wird das meine Stimmung wieder in Untiefen fallen lassen. Das darf nicht sein. Es muss jetzt eine Antwort auf mich warten.
Aber als ich das Handy in die Hand nehme, ist immer noch keine Nachricht von ihm drauf.
Ich schalte es aus und werfe es auf den Schreibtisch. Vielleicht ist er auch nur zu sehr mit seinem Vater beschäftigt? Das wäre doch eigentlich gut. Sie haben schließlich viel nachzuholen.
Aber ich muss zugeben, dass ich wütend bin. Draußen wartet Marcel auf mich und ich hänge am Handy, wie ein Junkie, und warte auf eine SMS von Tim, wie auf