Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Ahhhh! Ich würde lieber noch ein wenig auf der Bank bleiben. Aber Marcel zieht mich mit und ich bin froh, dass er mich nicht ansieht. Er hätte unweigerlich die Panik in meinen Augen sehen müssen.
Er zieht mich ins Haus und zur Treppe, als ich mit einem letzten Blick durch die Eingangstür in die Freiheit registriere, dass die Sonne ganz untergeht.
Mir wird etwas übel und ich schimpfe mich in Gedanken eine dumme Kuh und reiße mich zusammen. Vor mir geht Marcel, mich immer noch an der Hand haltend und ich habe keinen Grund, panisch zu sein. Er wird nichts wollen, was ich nicht auch will. Egal, was ich vorher großspurig verkündet hatte.
An meiner Zimmertür dreht er sich zu mir um und sieht mich an. Mein ängstlicher Dackelblick entgeht ihm natürlich nicht. Er grinst mich an, schüttelte den Kopf fast unmerklich und zieht mich ins Zimmer. Hinter mir lässt er die Tür laut ins Schloss fallen.
Ich zucke zusammen.
„Poor, Schatz! Ich werde dich bestimmt hier jetzt nicht vergewaltigen“, sagt er und lacht auf. „Und wir werden nicht miteinander schlafen.“
Statt Erleichterung macht sich Enttäuschung breit. „Warum nicht?“, raune ich, meine Stimme noch nicht ganz wiederfindend. Ich dachte, er liebt mich und jetzt will er mich nicht mal.
Er wird ernst. „Weil du noch nicht so weit bist. Ich weiß nicht genau, was los ist, aber ich spüre deinen Widerstand. Und das geht nicht.“
Ich starre ihn an wie den Weihnachtsmann. Womit habe ich den überhaupt verdient?
„Vielleicht liegt es an mir oder an den Umständen oder an deinem Alter. Ich kann warten“, sagt er und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Kein Mädchen lässt sich gerne sagen, dass sie noch zu jung für etwas ist. Und die drei oder vier Jahre, die er älter ist …
„Soso! Und du erfahrener und alter Mann weißt also, wozu ich bereit bin?“, antworte ich ihm übertrieben belustigt.
Er sieht mich nur mit diesem ernsten Blick an. Dann winkt er ab. „Okay! Lassen wir das. Ich werde uns noch was zu trinken holen“, beendet er das Thema gnadenlos und gibt mir einen Schmatzer auf die Wange.
Ich nicke nur, etwas irritiert.
Als Marcel die Treppe hinunterläuft, gehe ich zu meinem Schreibtisch. Wie von einem Magnet angezogen nehme ich das Handy. Ich mache es an und gebe die Pinnummer ein. Es tut sich nichts.
Ich stecke es in die Hosentasche und greife nach meinem Bademantel und meinem Rüschenshirt mit Rüschenhöschen, das ich diese Nacht als mein Schlafutensil erdacht habe. Es ist süß und ich habe doch noch genug an. Damit begebe ich mich zum Badezimmer. Ich muss duschen. Unbedingt!
Marcel kommt mir auf dem Weg zum Bad entgegen. „Wo willst du hin?“, fragt er.
Ich zeige auf meinen Bademantel: „Ich gehe eben duschen.“
Er sieht mich seltsam an. Meint er, ich werde jetzt aus dem Fenster klettern und weglaufen?
„Okay!“ Er lässt mich vorbei und ich gehe schnell weiter. Im Badezimmer stelle ich das Wasser der Dusche an und nehme das Handy aus der Tasche. Tim hat immer noch nicht geschrieben. Dafür Christiane, was mich aber im Moment gar nicht interessiert.
Warum antwortet er nicht? Hat er meine SMS nicht erhalten?
Ich beschließe, ihm erneut zu schreiben. „Hallo Tim, ist alles bei dir in Ordnung? Mir geht es gut. Melde dich bitte.“ So, nun hat er Zeit, mir zurückzuschreiben. Zumindest solange ich dusche.
Und das tue ich ausgiebig. Da mein Handy keinen Mucks von sich gibt, lasse ich mir alle Zeit der Welt. Ich rasiere mir die Beine und Creme mich nach dem Duschen ein. Nur der Verband um meinen Hals ist unschön. Aber mir ist klar, dass es darunter noch viel unschöner aussieht. Als ich in meinen Schlafdress steige und den Bademantel überziehe, denke ich mir, dass ich Marcel nicht länger warten lassen kann.
Ich bin wütend. Warum meldet sich Tim nicht? Erneut greife ich nach dem Handy und wähle mit bis zum Hals schlagenden Herzen seine Nummer. Es klingelt und klingelt und klingelt, bis die Mailbox anspringt. Erst will ich auflegen. Doch dann spreche ich doch nach dem Piepton eine Nachricht auf das Band. „Hallo Tim, ich bin es, Carolin. Warum meldest du dich nicht? Ist alles in Ordnung?“
Ich lege auf. Doch irgendetwas in mir tobt wie ein lavasprühender Vulkan und ich drücke erneut die Anruftaste. Mir ist klar, dass das an Telefonterror grenzt. Aber wenn ich das Badezimmer verlasse, werde ich das Handy wieder ausmachen müssen. Also muss ich ihn hier und jetzt erreichen.
Der Anruf wird unterbrochen und ich starre auf das Display. Bin ich weggedrückt worden? Verdammt!
„Dann leck mich doch!“, fauche ich und mache das Handy aus. „So ein blöder Mistkerl!“
Ich bin dermaßen geladen, dass ich mich erst beruhigen muss, bevor ich zu Marcel zurückkehre. Tim ist in diesem Moment für mich gestorben. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst.
Ich nehme meine Sachen mit und gehe in mein Zimmer zurück. Hatte ich irgendwie erwartet, Marcel sich halb nackt auf meinem Bett rekelnd vorzufinden, so habe ich mich getäuscht. Meine Musik läuft und er sitzt auf dem Sofa, in irgendwelche Hefte vertieft. Als ich hereinkomme, sieht er auf. „Was ist das?“, fragt er mit unergründlichem Blick und ohne Umschweife.
Verdammt, die Hefte von Kurt Gräbler. Wo hat er die denn aufgestöbert?
„Ach nichts“, raune ich und gehe zu ihm. Will er das wirklich durchziehen … mir nicht nahekommen zu wollen?
Ich nehme ihm die Hefte aus der Hand und lege sie zwischen meine Schulsachen. Langsam ziehe ich den Gürtel meines Bademantels auf. Ich muss Marcel schnell auf andere Gedanken bringen. Die Hefte von Kurt Gräbler haben in unserem Leben nichts mehr zu suchen und ich sehe nicht ein, dass er jetzt kneift. Ich bin wegen Tim geladen genug, um alles durchzuziehen, was ihn ärgern könnte.
Marcel steht auf und sieht mir forschend ins Gesicht, als wäre er sich nicht sicher, dass ich auch wirklich ich bin. Ohne meinen Bademantelgürtel öffnet sich der weiche Stoff mit dem Schritt, den ich auf Marcel zugehe. Ich nehme sein Gesicht in beide Hände, recke mich ihm entgegen und küsse ihn.
Er nimmt mich vorsichtig in den Arm und erwidert den Kuss zurückhaltend. Dann schiebt er mich sachte etwas von sich ab und sieht mir in die Augen.
Ich denke, er fragt jetzt wieder nach den Heften. Aber Marcel raunt leise: „Du musst das nicht tun. Ich schlafe auch wieder auf dem Sofa, wenn dir das alles zu viel wird.“
Was? War ich noch nicht deutlich genug?
Diesmal bin ich es, die ihn an die Hand nimmt und zum Bett zieht. Marcels Blick sagt mir, dass er sich immer noch nicht sicher ist, was das werden soll.
Ich lasse meinen Bademantel fallen und ziehe unbeholfen an seinem T-Shirt.
Er hilft mir, es auszuziehen und einen Moment später folgt seine Jeans.
Ich nutze die Zeit und bestaune seinen schönen Oberkörper. Er ist schlank, aber nicht dünn und er ist sportlich. Seine Muskeln sind deutlich zu erkennen