Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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und gehe in den Garten zurück.

      Marcel hat uns zwei Liegestühle in den Schatten der Pflaumenbäume gestellt und liegt ausgestreckt und seine Kappe tief ins Gesicht gezogen wie schlafend da.

      Ich gehe zu ihm und lege mich in den anderen Liegestuhl.

      Er wendet mir den Kopf zu und lugt unter seiner Kappe hervor. „Alles okay?“

      Ich nicke und schließe die Augen.

      „Deine Haare sind nass“, stellt Marcel fest.

      „Ich habe sie gewaschen. Sie sahen schrecklich aus“, antworte ich ein wenig zu barsch und spüre Marcels verunsicherten Blick. Ich kann mir denken, dass er meinen Stimmungswechsel gar nichts versteht. Wie soll er auch?

      Aber er lässt es auf sich beruhen und ich bin froh, mich einfach meinen Gedanken hingeben zu können, die sich ausschließlich um Tim drehen.

      Am Abend holt uns Marcel eine Pizza. Meine Eltern sind bei den Nachbarn, die einen Geburtstag feiern, auf dem sie nicht fehlen können. Das Ganze ist seit Monaten geplant gewesen.

      Mich würde interessieren, wie weit unsere Nachbarn über die Geschehnisse bei uns Bescheid wissen. Aber ich denke, sie wissen nichts von Julians Urlaub hinter Gittern. Ich kenne meine Eltern zu gut und kann mir nicht denken, dass sie jemanden hinter das wacklige Gerüst unserer Familie schauen lassen.

      Marcel und ich machen nach dem Essen, das wir draußen auf der Terrasse genossen haben, einen Spaziergang durch den kleinen Wald, der an das Feld angrenzt, das wiederum unseren Garten begrenzt.

      Marcel hatte mir am Nachmittag viel von seiner Arbeit als Werkzeugmechatroniker erzählt und wie das mit dem Schichtbetrieb abläuft. So erfuhr ich, dass er in der nächsten Woche Frühschicht hat. Wir hatten uns auch über die neue Schule unterhalten, die ich nun besuchen werde und was ich für einen beruflichen Werdegang einschlagen möchte. Mir wurde da das erste Mal klar, dass ich nun, ohne Kurt Gräbler und seinem Fluch im Nacken, mich auf das wirkliche Leben konzentrieren muss. Ich habe keinerlei Ausreden mehr.

      Während wir Hand in Hand durch das Waldstück schlendern, erzählt mir Marcel von seinen Zukunftsplänen. Es gibt so viele Orte, an die er reisen will und er will eine eigene Wohnung mit einem schönen Balkon oder einem kleinen Garten haben und einen Hund.

      Alle seine Ausführungen tragen kein „ich“ mehr, sondern nur noch ein „wir“.

      Es ist schön, so klar in seinem Leben bestand zu haben. Es beruhigt mich und gibt mir ein Gefühl von Ewigkeit. Zumindest von seiner Seite.

      Aber in meinem tiefsten Inneren tobt noch ein kleiner Sturm wegen Tim und weil er sich bis zum Abend immer noch nicht gemeldet hat. Ich bin wütend auf ihn, und das öffnet mich voll und ganz Marcel. Was soll ich mit einem unzuverlässigen, treulosen, verlogenen Tim, wo ich Marcel an meiner Seite habe?

      Der bleibt plötzlich stehen und dreht mich zu sich um, damit er mir in die Augen sehen kann. „Stimmt irgendwas nicht? Du bist manchmal gar nicht anwesend.“

      Ich erschrecke. Merkt man mir das so an oder ist Marcel einfach nur extrem aufmerksam?

      „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich bin vielleicht etwas irritiert, weil du mich so lieb in dein Leben einbaust, als wären wir schon ewig zusammen.“

      Das ist nicht gelogen. Wenn es auch nicht der wirkliche Grund ist, warum sich meine Gedanken so oft auf Wanderschaft begeben.

      Marcel sieht mich groß an. Seine Hände halten meine Oberarme umfasst, als hätte er Angst, ich könnte ihm davonlaufen. „Oh! Ähm! Dir ist das vielleicht nicht klar, aber du bist auch schon lange in meinem Leben präsent. Nur ich war es nicht in deinem. Und das vergesse ich manchmal. Tut mir leid.“ Ein Schleier zieht sich über sein Gesicht und ich spüre durch seine warmen Hände seine Anspannung. „Wenn ich dir zu schnell bin, sag es mir. Hau mir eins drüber. Sag mir, ich soll die Schnauze halten oder sonst was“, braust er plötzlich auf. „Ich bin nur so froh, dass wir endlich zusammen sind und du mir auch etwas Zuneigung entgegenbringst, dass ich am liebsten alles auf einmal tun möchte, um dich auch ein wenig glücklich zu machen. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann.“

      Den letzten Satz presst er leise und resigniert zwischen den Lippen hervor.

      Mir war natürlich nicht klar, wie es in ihm aussieht. Ich bin immer viel zu beschäftigt mit meinem Gefühlsleben und Tim.

      Verdammt! Ich verabscheue mich dafür und mein Blick in Marcels Augen verstärkt das Gefühl noch.

      „Hör mal“, beginne ich mit einem schlechten Gewissen zu erklären. „Du weißt ja, was ich alles hinter mir habe und ich denke, das zerrt noch an mir. Tief in meinem Inneren. Aber wenn ich einen Streif am Horizont sehe, dann bist du der. Wenn ich wieder Hoffnung auf ein normales Leben habe, dann mit dir. Und wenn ich wieder innerlich zur Ruhe komme und mich nicht mehr so abgewrackt fühle, dann durch dich. Ich habe mich wirklich in dich verliebt und wenn ich manchmal auch etwas komisch bin, dann ignorier das bitte“, sage ich leise.

      Manometer! Mittlerweile bin ich doch überrascht, was ich so hervorbringen kann. Da könnte man ja meinen, ich hätte eine romantische Ader. Christiane würde sich vor Lache nicht mehr einkriegen und sich fragen, wo die alte Carolin geblieben ist.

      Marcels Augen fangen zu leuchten an und sein Gesicht verliert alle Traurigkeit und Wut, die es in seinem Leben jemals gespeichert hatte. Ich erschrecke fast vor diesem Wandel. Er zieht mich in seine Arme und haucht ein: „Ich liebe dich auch. Mehr als alles auf der Welt“, und küsst mich mit einer Leidenschaft, die mir die Beine wegschmilzt und mein Herz bleischwer werden lässt. Denn durch meine Gedanken schiebt sich das Gesicht von Tim wie ein Mahnmal.

      Ich schlinge meine Arme um Marcel und erwidere seinen Kuss mit einer Heftigkeit, die Tim hoffentlich ein für alle Male aus meinem Kopf verbannt. Um noch eins draufzusetzen, flüstere ich: „Und wir werden heute Nacht nicht nur nebeneinander schlafen, …“ und in mir bebt alles vor Aufregung, „sondern auch miteinander.“

      Zu meiner Überraschung verschwindet Tim wirklich. Er löst sich in Nebel auf, als wäre ein Fluch gebrochen. Marcel hingegen drückt mich an sich und stammelt nur „Ja?!“

      Ich kann nur hoffen, dass ich das auch wirklich bringe und nicke nur.

      Als wir nach Hause kommen, setzen wir uns auf die Bank vor dem Speicher und besehen uns den Sonnenuntergang über dem Feld, das sich zwischen zwei Waldstücken erstreckt.

      Marcel zieht mich an sich und ich schmiege mich an ihn.

      Mir ist doch etwas mulmig wegen dem, was ich angekündigt habe und ich bereue es, meine Klappe so weit aufgerissen zu haben. Aber Marcel hat eine Art mir über den Arm zu streicheln, dass es mir ein Kribbeln im Bauch verursacht und mir eine Gänsehaut über die Haut jagt. Dazu die letzten rötlichen Sonnenstrahlen am Horizont und man kann sich nicht mehr wünschen.

      Ich versuche den Gedanken zu verdrängen, dass ich heute Nacht meine Jungfräulichkeit opfern werde. Aber ich will Tim verletzen, wie er mich verletzt. Dass er sich nicht bei mir meldet, sitzt wie ein Stachel in meinem Herzen.

      So hocken Marcel und ich dichtgedrängt nebeneinander und ich gebe mich weiter Marcels Streicheleinheiten hin, den Blick fest auf die sinkende Sonne gerichtet. Eigentlich geht es mir gut und ich bin am Leben und werde noch viele solche Sonnenuntergänge genießen können. Meine Zukunft kann jetzt richtig beginnen und ich habe einen unglaublich netten, jungen Mann an meiner

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